Kapitel 44

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"Notre-Dame-de-la-Garde, die Marien-Wallfahrtskirche aus Marseille. Wird von den Franzosen auch la bonne mère, also die gute Mutter, genannt." Ich liege in Damiens Arm und er muss meinen Blick auf die Statur einer Kirche neben unserer Lounge bemerkt haben. Nach der leckeren Kartoffelsuppe und dem Teller Gemüse mit Dip haben wir unseren Platz verlassen und wurden hierher geführt. Es ist eine Lounge mit gelben Sofas und kleinen Tischen aus dunklem Holz.

"Woher weißt du das alles?", möchte ich wissen und schaue zu Damien auf.

"Ich habe mir das Schild durchgelesen.", neckt er mich und ich muss lachen. "Naja, das stimmt nur halbwegs. Ja, ich habe mir das Schild bei meinem ersten Besuch hier durchgelesen, aber mich interessiert die Stadt Marseille sehr. Wer weiß, vielleicht machen wir dort mal gemeinsam Urlaub?" Er zuckt mit den Schultern, während sein Finger sanft über meinen Unterarm streicht.

Urlaub. Das kenne ich gar nicht. Genau genommen könnte man sagen, dass ich mein ganzes Leben lang im Urlaub gewesen bin, weil ich nie ein Zuhause hatte. Das kann wiederum auch nicht stimmen, da es nie eine Erholung für mich gewesen ist.

"Willkommen in Marseille." Der liebe Kellner serviert uns den Wein und Champagner, den er von unserem vorherigen Platz geholt hat. Nun geht endlich ein Licht bei mir auf. Deshalb heißt das Restaurant also von Brest bis Marseille. "Wissen Sie schon, welches Dessert sie gerne hätten?"

"Ja, wir hätten gerne die rouleaux à la cannelle mit Pfirsichen.", antwortet Damien. Ich habe sie für uns ausgesucht. Französische Zimtrollen mit Pfirsichen. Da Damien mir sein Lieblingsgericht bestellen wollte, meinte er, er würde mir die Wahl des Desserts überlassen. "Eine sehr gute Wahl.", bestätigt der Mann und verbeugt sich erneut vor uns.

"Ich liebe das Konzept des Restaurants.", sage ich und lehne mich wieder gegen Damiens Schulter.

"Meine Tante hatte mir damals von Marseille erzählt. Als mir das Restaurant vor einem Jahr empfohlen wurde, musste ich an sie denken." Ich lausche Damiens Atemzügen. Sie sind ruhig und kontrolliert. Gespannt höre ich mir seine Geschichten über seine Tante an. Anscheinend ist sie in seiner Kindheit oft für ihn dagewesen, wenn weit und breit mal keine Nanny in Reichweite war. "Doch eines Tages war ich alt genug und Mutter hatte sich nicht mehr so gut mit ihrer Schwester verstanden, sodass unser Kontakt abgebrochen ist. Ich wünschte, ich hätte sie öfter mal besucht." Als ich nach Damiens Hand suche, hat auch er vor nach meiner zu greifen. Liebevoll gibt er mir einen Kuss auf den Handrücken.

"Dafür ist es nie zu spät, das weißt du doch, oder?", erinnere ich ihn. Wenn Damien es wirklich schade findet, dass er keinen Kontakt mehr zu seiner Tante hat, dann kann er jederzeit den ersten Schritt machen und sie besuchen gehen.

"Ich weiß, dass sie jedes Jahr mit anderen Familienmitgliedern am 25. Dezember ein großes Festessen schmeißt... und ich habe nicht nur mit den Anwälten wegen Hamilton & Sons Inc. gesprochen, sondern auch mit dem Anwalt, der sich mit Kyras... Mord befasst." Ohne auch nur einen Moment zu warten, setze ich mich auf und meine zweite Hand schmiegt sich um Damiens. "Die große Verhandlung ist ebenfalls im Dezember und sie haben anscheinend genug Beweismittel, um ihren Ex für schuldig zu erklären."

"Du musst also im Winter in die Staaten?", frage ich ihn und er nickt.

"Ich habe mir jedoch gedacht, dass du mich vielleicht begleiten möchtest? Dann könnten wir an Weihnachten meine Tante besuchen. Ich habe auch schon alles abgeklärt, du könntest innerhalb der nächsten Monate all die nötigen Papiere bekommen, damit du für eine Reise startklar bist." Meine Fingerspitzen beginnen zu kribbeln als Damien mich mit großen, bettelnden Augen ansieht. Noch nie in meinem Leben habe ich jemals in einem Flugzeug gesessen. So viele erste Male gibt es dank Damien, aber mir wird auch immer wieder bewusst, wie unterschiedlich unsere Welten ausgesehen haben, bevor sie aufeinander trafen.

"Du meinst, ich könnte einen Ausweis bekommen? Einen Reisepass?" Wieder nickt Damien, diesmal ziehrt sein Gesicht jedoch ein breites Grinsen. Alles klingt so verlockend, dass ich am liebsten sofort Ja sagen möchte, aber da ist noch etwas, was ich mit ihm besprechen muss. "Ich würde liebend gerne mit dir in die Staaten und dich unterstützen, dine Tante besuchen und gemeinsam mit dir reisen, aber nur unter einer Bedingung." Die Nervosität ergreift mich als Damiens Gesichtsausdruck von einen auf den anderen Moment durch mindestens fünf verschiedene Emotionen geht. "Ich habe noch mal über Sebastians Verhandlung nachgedacht.", sage ich, aber Damien unterbricht mich.

"Birdie...", seufzt er und schließt seine Augen, bevor er die Luft aus seinen Lungen presst.

"Ich würde mich schlecht fühlen, wenn ich nicht dabei bin, um ihn zu unterstützen. Egal, wie es ausgeht. Er war immer aufrecht und ehrlich zu mir." Das Flehen in meiner Stimme hat einen bitteren Beigeschmack an Verzweiflung.

"Ich.." Damien findet keine passende Antwort und wird von der Ankunft unseres Desserts unterbrochen. Aber selbst der verlockende Geruch von Zimt und frischen Pfirsichen kann uns nicht von dem ablenken, was uns beide zu sehr beschäftigt. "Ich kann nicht mehr tun, als dich zu warnen.", stöhnt er verzweifelt und nimmt noch einen Schluck seines Weins. "Dann komm mit, aber vergesse nicht, wenn dich die Papparazzi belästigen-- ich habe es dir gesagt."

"Dann ja. Lass uns gemeinsam in die Staaten reisen." Meine Stimme ist vor Aufregung und Erleichterung ganz piepsig, und auch Damien kann es seine Begeisterung nicht verstecken, obwohl ich weiß, dass er mich lieber nicht bei der Verhandlung seines Bruders dabei haben wollen würde. "Das wird unser erster gemeinsamer Urlaub. Mein erstes Mal in den Staaten. Du musst mir alles zeigen. Die Freiheitsstatur, den Hollywood Boulevard, von dem meine Mom immer geschwärmt hatte."

"Das sind zwei komplett andere Staaten auf gegenüberliegenden, weit voneinander entfernten Küsten." Das Lachen von Damien ist ansteckend. Es ist mir nicht einmal peinlich, dass ich nicht viel über die Staaten weiß. Ich kenne die amerikanische Flagge und kann hören, was der Unterschied zwischen eines englischen und eines amerikanischen Akzentes ist-- aber von den eigentlichen Staaten und Küsten habe ich keinerlei Ahnung. "Aber ich werde schon irgendwie dafür sorgen, dass du so viel zu sehen bekommst, wie nur möglich." Nun schmunzelt er mich lüstern an. Ich lehne mich vor, nehme mir ein Stück von dem Pfirsich und halte es ihm vor seine Lippen. Er hat die Augen auf mich gerichtet, bevor er von der Frucht kostet und ich mir den Rest auf meiner eigenen Zunge zergehen lasse.

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Nachdem ich es ja nun schon mehrmals angedeutet habe, kommt nun die Antwort auf eine Frage, die sich viele gestellt haben:

Ja, es wird eine Fortsetzung geben.

Die Damien & Birdie - Trilogie braucht ja schließlich noch das dritte und somit letzte Buch in seiner Reihe, und ich bin gespannt darauf, im nächsten Kapitel den Titel zu verraten! x

The Rain Upon Us (Damien & Birdie - Trilogie #2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt