Kapitel 28

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Entsetzt schaue ich ihm dabei zu, wie er sich verlegen an den Hinterkopf greift, weil er weiß, dass ich ihn gerade dabei erwischt habe, wie er nach meinem Kleid gesucht hat. Er will einfach nicht locker lassen. Erst fragt er Rosa, und dann sucht er einfach auf eigene Faust danach. Warum macht er es einem so schwer, ihn zu überraschen?

"Birdie, ich-", stammelt er und ich verdrehe meine Augen genervt. "Also, ich-"

"Morgen wirst du es zusehen bekommen, versprochen.", unterbreche ich ihn und nehme mit einem Seufzen die Packung mit den Rasierern, die nach wie vor auf dem Bett liegt. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, drehe ich mich wieder um. Zum Glück hat er es im falschen Schrank versucht. Trotzdem muss ich auf dem Weg zurück ins Bad die ganze Zeit daran denken, dass er mich angelogen hat.

"Warte, Birdie!", höre ich ihn hinter mir rufen, aber ich bleibe nicht stehen. Jetzt, wo ich es mir durch den Kopf gehen lasse, merke ich erst wie sehr es wehtut, dass er mir erfundene Geschichten erzählt haben muss. Was ist seine Absicht? "Warte doch mal!" Aber ich schließe die Badezimmertür hinter mir, lasse mein Handtuch fallen und steige in die Wanne. Vorsichtig nehme ich einen Rasierer in die Hand, als es leise an der Tür klopft. "Darf ich herein kommen?" Seine Stimme jagt mir eine Gänsehaut über meinen gesamten Körper. "Bitte." Mit den Fingern fahre ich den schmalen Hals des Rasierers entlang. "Bitte.", bettelt er, bis ich nachgebe und ihm schließlich doch erlaube, ins Bad zu kommen.

In meinem Augenwinkel erkenne ich, wie Damien sich der Badewanne nähert, sich neben mir hinkniet, sodass sein Atem über meine linke Wange fächert. Ich rieche das Aftershve, was er heute morgen benutzt haben muss. "Es tut mir leid.", lautet seine Entschuldigung. "Ich werde mich bis morgen gedulden. Ich hätte das nicht tun sollen." Zögerlich wende ich mich zu ihm, nachdem auch mir bewusst wird, dass ein Rasierer nicht so interessant ist, dass man ihn minutenlang ansehen könnte, ohne dass es langweilig wird. Ich möchte ihn fragen, warum er mich angelogen hat, aber ich bekomme die Worte nicht über meine Lippen. Er wird seine Gründe haben, rede ich mir ein. Eines ist jedoch sicher, er ist der ungeduldigste Mensch, den ich je in meinem Leben kennengelernt habe. Bei diesem Gedanken ziert der Ansatz eines Lächelns meine Gesichtszüge. "Was ist?", möchte Damien wissen, der daraufhin nervös schmunzelt.


"Du bist so ungeduldig.", gebe ich zu und schüttle meinen Kopf. Er zuckt mit den Schultern.

"Damit musst du zurecht kommen. Ich werde außerdem nervös, wenn ich lüge oder etwas geheimhalten muss. Deswegen gebe ich so wenige Interviews an die Presse, wie es für mich  möglich ist. Besonders jetzt wo Sebastian jederzeit in der Klatschpresse auftauchen könnte." Ich folge jede Bewegung seiner Lippen, als er sich mir offenbart. Das mit seinem Bruder scheint ihm wirklich zu schaffen zu machen. "Ich habe jedoch gelernt die Nervösität auf meine Beine zu verlagern. Damit man es mir in Meetings nicht anmerken kann." Ich erinnere mich an sein Bein, das ich am Knie gestern Abend gespürt hatte. Er war also wirklich nervös, wie ich es erahnt hatte. Jedoch bedeutet das auch, dass er mich gestern entweder angelogen hat, oder mir etwas verschweigt, was nicht gerade beruhigende Neuigkeiten sind.

"Du musst also nicht Sebastian abholen?", frage ich und ich sehe, wie Damien verwirrt seine Stirn in Falten legt. Dann schüttelt er entsetzt mit dem Kopf.

"Doch, natürlich muss ich das. Leider war das keine Lüge. Ich würde dich niemals anlügen, Birdie." Nervös kaue ich auf meiner Unterlippe.  "Apropos, in fünf Minuten muss ich los." Kurz leuchtet sein Gesicht wieder grell auf, als er das Smartphone hervorzieht. Ich nehme einen tiefen Atemzug und entscheide mich dafür, dass ich das Thema für heute ruhen lasse. Ich weiß, dass Damien wegen der Planung der Benefizveranstaltung gestresst ist. Und vielleicht hatte er ja einfach keinen Hunger mehr, als er gestern Abend zu seinem kleinen Bruder gegangen war -- auch wenn er gesagt hatte, er würde noch aufessen. Vielleicht musste er noch etwas mit ihm besprechen, bevor er den Anwalt angerufen hatte. Vielleicht, vielleicht, vielleicht. Um ehrlich zu sein, ist es mir schon stressig genug, mir ausmahlen zu müssen, was für Beweggründe er vielleicht hatte. Ich muss es einfach ruhen lassen, sonst mache ich mich selbst noch damit kaputt. "Und du willst dich rasieren?", versucht er nun das Thema zu wechseln, und ich bin ihm zugegebenermaßen sehr dankbar dafür. Trotzdem bekomme ich nichts als ein Nicken als Antwort hin. "Soll ich dir zeigen, wie das geht?"

"Rosa hat mir die Basics erklärt, aber ich habe Angst, dass ich mich schneide, um ehrlich zu sein." Damien nickt aufmerksam mit seinem Kopf, schaut mich nachdenklich an. Dann schnappt er sich mit einer raschen Bewegung den Rasierer aus meiner Hand und greift in das Wasser der Wanne, um sanft mein Bein anzuheben, sodass es aus dem Schaum ragt.

"Hier..." Er setzt die Klinge nah über meinem Knie an und lässt sie nach oben gleiten. "Nicht zu schnell, aber auch nicht so langsam, dass sie Haare wieder nachgewachsen sind sobald du mit beiden Beinen fertig bist." Ich spritze ihn lachend mit Schaum voll. Ich liebe die verspielte Seite von Damien, die man nicht oft zu sehen bekommt. Schmunzelnd und mit dem Kopf schüttelnd entfernt er die wenigen Spritzer auf seinem Hemd und legt mir den Rasierer in die Hände. "Ich muss jetzt leider wirklich los, und ich verspreche dir, dass ich nicht in das Schlafzimmer zurückkehren werde, um nach deinem Kleid zu suchen. Ich lasse mich einfach überraschen -- so sehr ich das auch hassen mag. Aber du bekommst das hier auch ohne mich hin, davon bin ich überzeugt." Dann küsst er mich zärtlich auf die Lippen. In meinem Bauch dreht sich auf einmal alles. Ich liebe das Gefühl.

"Bis später." Zum Abschied schenke ich ihm ein Grinsen, verlange jedoch, dass er die Badezimmertür offen stehen lässt, damit ich sehen kann, dass er wirklich zum Fahrstuhl geht und sich nicht noch einmal in die falsche Richtung schleicht. Ich versuche währenddessen Damiens Anweisungen zu befolgen und setze die Klinge erneut an meinem Bein an.

"Ich bin weg.", höre ich ihn nach dem Klingeln des Fahrstuhls rufen. Es folgt das Schließen der schweren Fahrstuhltüren. "Ich liebe dich." Aua!  Das Blut färbt den Badeschaum rot, als der brennende Schmerz mich auf meine Zunge beißen lässt. Ich habe mich tatsächlich geschnitten. Verdammt! 

Doch nur der Gedanke an Damiens letzte Worte lässt mich die kleine Schnittwunde in Sekundenschnelle vergessen. Zum Glück reicht mein Kleid bis zum Boden.


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Es ist mitten in der Nacht, aber ich wollte das Update unbedingt hochladen, sobald ich fertig war. Das nächste Update folgt morgen (höchstwahrscheinlich gegen 18/19 Uhr). Yay!










The Rain Upon Us (Damien & Birdie - Trilogie #2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt