Kapitel 17

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Damien schaut mich mit misstrauischen Augen an. Ich weiche seinem Blick aus. "Hast du keinen Hunger?", fragt er mich. Den Kakao habe ich leer getrunken, aber ich bekomme das Spiegelei nicht herunter. Mir ist unwohl.

"Möchtest du das essen?", frage ich ihn. Er legt sein Besteck auf den Tellerrand und faltet seine Hände unterm Kinn zusammen, während er seine Ellenbogen auf der Tischplatte absetzt. Uns trennen mehrere Meter voneinander. Ich warte auf eine Reaktion, eine Antwort, aber er lässt mich im Dunkeln. Wenige Augenblicke später schiebt er seinen Stuhl nach hinten und begibt sich auf, um sich den Tisch entlang auf mich zu zubewegen. Damien setzt sich auf den Stuhl neben mich und starrt mich löchernd an. 

"Was ist los.", lautet seine Frage und ich bemerke, wie er seine Hand auf meinen Unterarm legt und vorsichtig mit dem Daumen über meine Haut streichelt. Ich atme tief ein und schließe beim Ausatmen meine Augen. Als ich sie wieder aufmache, blicke ich in seine blauen Augen. "Ich hatte gehofft, du hattest einen schönen Tag." Die Enttäuschung in seiner Stimme ist nicht zu überhören. Plötzlich bekomme ich Schuldgefühle. Ich will nicht, dass er denkt, er wäre an meiner Unruhe schuld, denn das ist nicht wahr.  Ich lege meine freie Hand auf Damiens und beiße mir auf die Innenseiten meiner Wangen. 

"Das ist es nicht.", gebe ich zu, um ihn zu beruhigen. "Nachdem ich dein Apartment verlassen hatte..." Ich merke, wie er unter meiner Hand leicht zusammenzuckt, aber ich beende meinen Satz trotzdem: "...habe ich eine Zeit lang mit zwei Typen auf der Straße gewohnt. Fynn und Leo. Rosa und ich hatten sie wenige Wochen zuvor das erste Mal vor dem Supermarkt angetroffen." Ich erzähle Damien von der Zeit, die wir zu dritt verbracht haben. 

"Was haben sie dir angetan?" Nun höre ich den Ansatz von Wut in seiner Stimme und ich versuchen ihn zu beruhigen, indem ich ihn an den Tag erinnere, an dem ich Alfie vor Hamilton & Sons Inc. vorgefunden hatte. 

"Ich habe es dir nie erzählt, aber Alfie wurde von Leo im Stich gelassen, nachdem sie hundert Mäuse gefunden hatten und Leo ihm versprach, dass er Decken und Trinken kaufen gehen würde." Als ich dies ausspreche, fügen sich in meinem Kopf alle Puzzleteile zusammen. "Und als ich vorhin die Karte im Blumenstrauß gelesen habe, konnte ich meinen Augen nicht trauen."

"Die Blumen waren von Leo?" Ich nicke.

"Ich hätte es mir schon zu dem Zeitpunkt denken können, an dem Leo auch mich im Stich gelassen hatte. Ich wurde krank und mir ging es miserabel...und er hat nichts besseres zu tun, als Fynn bei der Hand zu nehmen und wie ein Feigling abzuhauen. Dass er es überhaupt wagt, Alfie eine Karte zu schreiben, in dem er sich bei ihm für das entschuldigt, wofür man sich niemals im Leben entschuldigen könnte... Ich meine, Alfie ist im Rollstuhl und dieser blöde Feigling rennt mit zwei gesunden Beinen durch die Straßen..." Ich schüttle angewidert meinen Kopf, während Damien meine Hand umschließt.

"Jeder wird früher oder später seine gerechte Strafe bekommen...", murmelt er und ich schaue ihm dabei zu, wie er seinen Blick senkt und stoße die Luft aus meinen Lungen.

"So wie Meredith, die jetzt einen Job in der Eisdiele gegenüber von deiner Firma hat? Das ich nicht lache..." Ich muss Damien mit meiner Aussage verwirrt haben, er legt seine Stirn  in Falten. "Sie hat mir meine dunkelrote Decke geklaut und ist wie Leo einfach abgehauen. Sie wollte ja nicht einmal ihr Brot mit mir teilen. Und nun hat sie einen Job und wahrscheinlich das perfekte Leben. Ich glaube weder wirklich an das Schicksal, noch an Karma... zumindest nicht in erster Linie. Entweder man hat Glück... oder man hat kein Glück." 

"Wenn du einen Job willst, kann ich ihn dir besorgen. Wenn du möchtest, dass Meredith gekündigt wird, kann ich dafür ebenfalls sorgen. Selbst wenn du dich bei Leo für seine unverzeihbaren Taten rächen willst, würde ich dir beistehen. Du musst mir nur sagen, was ich tun soll." Ich schaue ihn sprachlos an. "Manchmal, da muss man das Schicksal einer Person selbst in die Hand nehmen.", fügt er hinzu. Ich weiß von Rosa, dass er und Juleya sich kennen, aber um ehrlich zu sein, warte ich nur auf den Tag, an dem Meredith ihr wahres Gesicht zeigt und zwei Fliegen mit einer Klatsche getroffen werden. Das wäre der Moment, in dem ich wieder Hoffnung in Karma bekommen könnte.

"Ich möchte nicht wie sie sein. Ich bin nicht Meredith oder der Feigling namens Leo...und vor allem möchte ich nichts mehr mit ihnen zu tun haben."

 "Und dafür liebe ich dich.", murmelt Damien vor sich her, bevor er mir einen Kuss auf die Stirn gibt. Ich bekomme eine Gänsehaut und mein Bauch zieht sich zusammen. In Damiens Augen finde ich nichts, als das Offensichtliche... er meint es ernst und lächelt mich an.

"Du bist ein guter Mensch. Wahrscheinlich der liebenswerteste Mensch, auf den ich je in meinem Leben gestoßen bin und ich möchte, dass du dies nie ablegst." Trotz der Verzweiflung und dem Hauch an Wut in mir, bekomme ich ein leichtes Grinsen auf die Lippen. "Es mag sich barbarisch anhören, aber wenn Alfie an jenem Tag nicht vor meiner Firma gewesen wäre, hättest du ihn nie kennengelernt...und ich weiß, du würdest ihn wahrscheinlich lieber nie kennengelernt haben, als dass er seine Beine verliert, aber ich weiß, wie glücklich er sich schätzen kann, jemanden wie dich in seinem Leben zu haben und ich bin so selbstsüchtig,  dass ich froh bin, dich an jenem Tag kennengelernt zu haben." Mit jedem seiner Worte wird mir wärmer ums Herz. Wir sehen einander an und er fährt mir mit der Hand durchs Haar. Ich finde es erstaunlich, wie Damien mit Worten einem das Gefühl geben kann, etwas wert zu sein.

"Danke...", hauche ich, bevor ich ihn küsse. 


The Rain Upon Us (Damien & Birdie - Trilogie #2)Where stories live. Discover now