|Kapitel 39 - Fehler|

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Ich komme nicht mehr dazu Brights Worte zu hinterfragen. Es fühlt sich an, als hätte jemand mit dem Vorschlaghammer ausgeholt und die massive Wand zu meinen verschlossenen Erinnerungen mit nur einem gezielten Hieb zertrümmert. Sie stürzt ein und das, was dahinter zum Vorschein kommt, lässt mich vor Entsetzen nach Luft schnappen. Alles vibriert um mich herum. Zu viele Informationen. Es ist zu viel auf einmal. Mein Kopf dröhnt und Übelkeit schlägt in mir auf, als ich das verheerende Ausmaß meines Fehlers erkenne.

Feuerrote Flammen wallen auf. Sie züngeln wild, bahnen sich unaufhörlich ihren Weg und verschlingen alles, was sie in die Finger kriegen. Es knistert und knackt hässlich um mich herum, als sie wild das Holz verzehren zu beginnen. Der giftige Rauch brennt in meinen Augen, ich schmecke Asche und die vernichtende Hitze scheint mir sämtliche Haare zu versengen. Ich starre wie gebannt auf das wilde Inferno, welches ich nicht zu begreifen vermag. Ich kann mich nicht rühren, bin gefangen und finde keinen Ausweg. Tränen rinnen mir über die Wangen und vermischen sich mit der aufkeimenden Panik in mir. Ich bin verloren.

Dann legt sich eine Hand auf meine Schulter. Kühl. Beruhigend. »Hey, Lyra«, spricht mich die dazugehörige Person an und zwingt mich dazu, sie anzusehen. »Es kommt alles wieder in Ordnung, okay? Alles wird wieder gut. Deine Mutter wartet bereits auf dich und macht sich Sorgen. Also sei ein braves Mädchen und geh zu ihr.« Ich höre mich selbst, wie ich stammele: »Ohne dich möchte ich aber nicht gehen. Bitte komm mit mir.« Das Lächeln der Person ist traurig und voller Bedauern, als sie langsam den Kopf schüttelt. »Das geht leider nicht, mein Mäuschen. Ich muss hier bleiben, um für deine Sicherheit sorgen zu können. Es geht nicht anders. Das verstehst du doch?« Ich nicke langsam, was mit einem Lächeln quittiert wird. »Sehr gut. Du bist stark. Bitte bewahr dir das.«

Ich will erneut nicken, doch das laute Aufheulen der Sirenen lässt mich zusammenzucken. »Du musst verschwinden! Sofort!«, schreit mich die Person plötzlich an und zeigt in die Richtung, in die ich rennen soll. »Beeile dich, Lyra. Ich halte sie so lange auf, wie ich kann. Und egal was du tust, sieh niemals zurück. Komm nicht zurück, um mich zu holen. Okay? Du musst leben. Lebe für mich.« Sie küsst mich zum Abschied auf die Stirn. Dann tue ich, was sie sagt. Ich renne die Straße entlang, lasse die Flammen hinter mir und somit auch meine Vergangenheit. All das lasse ich zurück, als ich zu meiner Mutter an die Grenze stoße. Sie schließt mich kurz und fest in die Arme. Ein älterer Mann ist bei ihr. Er öffnet das Tor einen Spalt, der gerade mal so groß ist, dass wir hindurchpassen. Sie nicken sich knapp zu, dann rennen Mom und ich weiter.

Als wir endlich in unserem neuen Zuhause ankommen, sind wir schweißgebadet und völlig erledigt. Meine Mutter lässt sich erschöpft auf den Boden fallen. Mit ihrem kugelrunden Bauch konnte sie kaum die Treppe erklimmen, trotzdem zeichnet sich ein mattes Lächeln auf ihrem Gesicht ab. »Das war sehr gut von dir. Komm her zu mir, Lyra. Wir haben es fast geschafft.« Ich krabbele zu ihr und lasse mich vorsichtig neben ihr nieder. »Fast geschafft?«, frage ich. Sie nickt, fasst sich in ihre linke Manteltasche und öffnet die Hand. Eine blaue Kugel kommt zum Vorschein. »Ja, wir haben es fast geschafft. Ich möchte von dir, dass du die nimmst, mein Schatz. Das ist wichtig. Sehr wichtig. Dann ist alles vorbei.«

Ich sehe sie verwirrt an, denke an Daddy und daran, dass es niemals wirklich vorbei sein wird. Nicht so lange, er noch lebt. »Wird dann alles wieder gut? Müssen wir dann keine Angst mehr haben?«, will ich trotzdem wissen und klammere mich an die Hoffnung, dass es wirklich so ist. Sie sieht mich an und nickt, während Tränen ihre Wangen benetzen. »Ja, mein Schatz. Das nimmt uns die Angst. Danach werden wir uns besser fühlen.« Ich nehme die Kugel und spüre beinahe augenblicklich, wie sich die Welt um mich herum beginnt aufzulösen. Wenn ich aufwache, wird sie eine gänzlich andere sein.

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