|Kapitel 23 - Fortschritte|

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Fassungslos weiten sich meine Augen als ich Staatsoberhaupt Hemingway von oben bis unten mustere. Die hellblonde, ja fast weißblonde Frau strahlt eine ungeheure Autorität aus, die mich förmlich dazu zwingen möchte vor ihr auf die Knie zu fallen und ihr ewige Loyalität zu schwören. Nur mühsam kann ich meinen Zorn zurückhalten, der sich dabei vor allem auf meinen Vater bezieht. Mir krampft das Herz, als würde eine Faust es langsam zusammendrücken.
Ich kann es nicht fassen, dass Raphael mich Hemingway einfach so zum Fraß vorwirft. Dabei wird mir erst jetzt klar, wie sehr ich mir doch eigentlich gewünscht habe, dass seine Fürsorge gegenüber mir echten Ursprungs ist. Tatsächlich wäre er seit langem einmal der erste gewesen, der sich um mich kümmert.

Weder meine Schwester, noch Kenshin sorgen sich um meinen seelischen Zustand. Sie sehen nur die äußeren Verletzungen, nicht die tief in mir. Ich schlucke schwer und befehle mir noch im selben Moment mich zusammen zureißen. Farang kann mich mal kreuzweise, verdammt! Sofort ändere ich mein Auftreten. Ich straffe die Schultern und recke herausfordernd mein Kinn. Egal was sie mit mir auch anstellen werden, ich gehe nicht kampflos unter. Ich falle Lorcan und meiner Schwester nicht in den Rücken. Niemals werde ich meinen Distrikt an die Regierung verraten. Von mir erfahren sie nichts!

»Es freut mich sehr dich endlich einmal persönlich kennenzulernen, Lyra. Doktor Farang hat mir bereits viel über dich erzählt«, schmunzelt die Blondine freundlich, doch es erreicht ihre Augen nicht. Sie wirkt unterkühlt und steif. Daran ändern auch die feinen Fältchen um ihre Mund und Augenpartie nichts.

»Doch hoffentlich nur gutes«, entgegne ich stur und verschränke abwehrend die Arme. Man musst weder sonderlich intelligent noch feinfühlig sein, um meine deutliche Abneigung herauszuhören.

»Du bist entweder die mutigste Person, die ich jemals getroffen habe oder unsagbar dumm, Mädchen«, weist mich Präsidentin Hemingway zurecht, doch die Milde in ihrer Stimme raubt den Worten gänzlich die Schärfe. Sie kommt mit eleganten Schritten auf mich zu, wobei ihr schulterlanges Haar im selben Takt schwinkt. »Also sag mir, bist du mutig oder nur dumm?« Elena taxiert mich fest aus ihren himmelblauen Augen und ein eiskalter Schauer kriecht mir über den Rücken. Die feinen Härchen in meinem Nacken richten sich auf.

»Entschlossen«, knurre ich gegen alle Vernunft und sehe dabei zu, wie eine von Hemingways perfekt gezupften Augenbrauen in die Höhe schießt. »Und daran wird sich nichts ändern.« Ich bin so was von tot. Am liebsten würde ich mich für mein unbedachtes Verhalten Ohrfeigen. Indirekt habe ich der Präsidentin gerade dazu verstehen gegeben, dass ich niemals auf ihrer Seite stehen werde. Ich habe mir gerade mein eigenes Grab geschaufelt. Scheiße!

»Sind Sie zufrieden?«, mischt sich Raphael nun ein, der uns die gesamte Zeit über schweigend beobachtet hat. Er lächelt gewinnend, was nicht deplazierter wirken könnte. Hemingway nickt zu meinem Entsetzen und ich komme mir vor, als wäre ich ihnen mit offenen Augen direkt in die Falle gegangen.
»Allerdings. Dein Vater hatte recht, als er mir von deinem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn erzählte.« Gerechtigkeitssinn? Wohl kaum. Ich bin nur auf meinen eigenen Vorteil bedacht, doch das werde ich ihnen jetzt keinesfalls unter die Nase reiben. Nur ein Narr würde das jetzt auf die Spitze treiben.

»Geh mit mir ein Stück. Wir haben uns, glaube ich, viel zu berichten.« Das glaube ich kaum. Jedenfalls werde ich schweigen wie ein Grab. Ich rühre mich nicht vom Fleck, was Staatsoberhaupt Hemingway den Kopf neigen lässt. Ihre Augen sind berechnend, als sie hinzufügt: »Du musst außerdem viele Fragen haben. Die Sirene heute Nachmittag war wohl kaum zu überhören. Folge mir. Ich muss dir etwas zeigen.«
Meine Neugierde ist gleichzeitig mit meinem Misstrauen geweckt, doch die Neugier gewinnt schließlich. Außerdem habe ich sowieso keine großartige Wahl. Außer ich Zähle Echofutter oder Versuchsobjekt dazu.

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