|Kapitel 35 - Drei|

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Ein schmerzerfülltes Stöhnen lässt uns inne halten. »Scheiße«, fluche ich und starre zu dem nun mehr wachen Blaine. Ich hätte fester zuschlagen sollen, dann würde er uns jetzt nicht anstarren. Ryan fängt meinen Blick auf und deutet auf die liebe Frau Doktor.
»Kümmer du dich um sie. Ich nehme mir den Burschen noch einmal vor. Scheint hartnäckiger zu sein, als gedacht.«
Ich nicke und nehme den Kabelbinder entgegen, den er aus seiner Tasche zieht. Ms Bright wirkt erleichtert, als ich sie anweise, sich vor eine Säule zu kauern und die Hände hinter den Rücken zu nehmen.
»Was?«, frage ich sie mit schräg gelegten Kopf. »Dachten Sie etwa, dass wir Sie erschießen würden?«

Ihr grimmiges Gesicht spricht Bände, was mich die Lippen zusammen- pressen lässt. Fast hätte ich gelacht.

»Du hast Freude daran, oder? Euch beiden macht es Spaß, mich so zu quälen.« Ich zucke die Achseln.
»Sagen Sie's mir. Sie sind hier der Profi.« Ihre Hände sind weich und warm, als ich den Kabelbinder um ihre Handgelenke lege und straff ziehe. Es fühlt sich falsch an, das zu tun. Diese zärtlichen Hände können niemanden Leid zufügen, dem bin ich mir plötzlich ganz sicher. Ich schließe die Augen und spüre kurz wieder ihre Finger auf meiner Stirn. Es ist nur der Bruchteil einer Sekunde, doch der Gedanke lässt sich nicht verdrängen. Die Berührung hatte nichts Unangenehmes an sich gehabt, sie war sogar seltsam vertraut gewesen.

»Ich glaube nicht, dass dir das gefällt«, flüstert sie niedergeschlagen, fast bedauernd und katapultiert mich somit zurück in die Realität. »Ryan, dem vielleicht, nachdem er jahrelang hier ausharren musste. Aber du? Du bist anders. Du hast einen wichtigen Grund das zu tun. Einen, der es Wert ist, all das auf dich zu nehmen.«
»Wenn Sie meinen.« Ich mache mich ungerührt an ihren Fußgelenken zu schaffen, bemerke aber aus dem Augenwinkel, wie sie verstohlen zu Ryan sieht. Der ist geschäftig dabei, Blaine mit dessen eigenen Socken zu knebeln. Sicherheitshalber.

Vielleicht sollte ich das auch bei Medelaine in Betracht ziehen. Kann nicht schaden, oder?

»Du musst verschwinden. Sofort. Noch ist es nicht zu spät«, zischt sie plötzlich und mit so viel Nachdruck, dass ich tatsächlich erschrocken zusammenfahre. Ich sehe sie misstrauisch an. Ihre Augen sind eindringlich auf mich gerichtet. Die rosigen Lippen stehen einen winzigen Spalt offen, sodass ich ihre geraden Zähne erkennen kann.
»Und wofür bitte?« Ich höre mich genauso gelangweilt an, wie ich will. Wut schleicht sich in ihr Gesicht und nun sieht sie nicht länger vertrauenswürdig und nett aus.

»Ryan. Nimm dich vor ihm in acht. Er ist nicht der, der er vorgibt zu sein. Er spielt mit dir nur ein Spiel.« Das geht zu weit. Sie hat doch keine Ahnung! Ryan ist mein einziger Verbündeter in diesem wilden Durcheinander. Der Einzige, der sich wirklich um mich sorgt und der mich noch nicht als Ungeheuer betitelt hat. Er ist der Einzige, dem ich momentan vertrauen kann, der nicht mein Feind ist.
»Klar doch!«, schnauze ich sie mit gedämpfter Stimme an. »Als nächstes, erzählen Sie mir noch, dass er nicht nur das DCD, sondern auch unsere Organisation infiltriert hat!« Ich schüttele wütend den Kopf.

»Lyra, hör mir bitte zu. Ich weiß nicht, für wen er arbeitet. Lorcan, Artanis oder für sich selbst. Aber eins weiß ich sicher: Du begehst einen großen Fehler, wenn du ihn hilfst hier rauszuspazieren. Ryan ist keinesfalls der, für den du ihn hältst. Vermutlich weißt du überhaupt nichts von ihm. Du musst mir vertrauen, ich ...«
»Ihnen vertrauen?«, unterbreche ich sie grob, »Das muss doch selbst in Ihren Ohren lächerlich klingen. Für Sie bin ich doch nur ein kleines Gör, das sich selbst überschätzt. Das nächste Subjekt in Ihrer verschissenen Versuchsreihe! Wann wollten Sie noch gleich mein Hirn aufschneiden? Morgen? In einer Woche?«

Sie sieht mich erstaunt an, versucht aber nicht sich zu rechtfertigen. Wir wissen beide, was sie gesagt hat. Stattdessen blickt sie sich noch ein letztes Mal nach Ryan um. Der ist beinahe mit dem Computerfreak fertig. Dann faucht sie leise: »Wenn du mir nicht glaubst, dann frag ihn nach dem USB-Stick.«

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