|Kapitel 32 - Countdown|

Start from the beginning
                                    

Wenn der nur wüsste. Nicht wegen des Empfangs bin ich unruhig, sondern wegen dem, was währenddessen im Geheimen geschieht - jedenfalls, wenn sie uns nicht erwischen und umbringen.
Farang verstummt und als ich nicht antworte fährt er mit gelassener Stimme fort: »Wie fändest du es deinem alten Herrn im Labor zu assistieren? Bisher fehlen dir die Grundlagen und du müsstest erst von jemanden ausgebildet werden, aber ich bin mir sicher, dass du begabt genug wärst.« Mein Mund ist plötzlich so trocken wie die Wüste. Ich glaube, dass es sich um einen Scherz handelt und er jeden Moment damit beginnt mich auszulachen, doch Raphael meint es vollkommen ernst. Und er wartet auf eine Antwort.

»Deine Assistentin? Ich?« Er nickt bekräftigend und ich muss mir ein hysterische Kichern verkneifen. Ich habe nicht einmal die Schule besucht, verdammte Scheiße! Wie könnte ich da an Echos forschen oder Medikamente herstellen? Das ist Wahnsinn! Andererseits auch nur allzu verständlich, gänge man nach der Philosophie »Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm«. Farang scheint meinen Gesichtsausdruck falsch zu deuten.
»Ja, du. Du würdest den Platz meines derzeitigen Assistenten einnehmen und direkt mir unterstehen. Das ist selbstverständlich nur ein Vorschlag und dir stehen weiterhin andere Berufsgruppen offen. Du könntest beispielsweise in der Sicherheitsabteilung oder in der Verwaltung arbeiten. Denkbar wäre auch, dass du bei deinen kämpferischen Fähigkeiten die Erstsemester ausbildest.«

Kurz wäge ich ab, wie weit ich wohl gehen kann, doch dann entscheide ich, dass es wohl keinen großen Unterschied macht. Warum länger hinter den Berg halten, wenn der Ausgang dieser Partie bereits festgelegt ist?
»Was ist mit der Polizei und der Armee? Grenzschutz oder die Bewachung der Mauer würde mir mehr liegen«, sage ich ausdruckslos. Farangs Gesicht verdüstert sich, doch bevor er mir eine Antwort geben kann, die sich gewaschen hat, erreichen wir die richtige Etage.
»Wir reden später weiter«, brummt er barsch, was einem klaren Nein gleich kommt. Ich muss ein Prusten unterdrücken.

Gemeinsam betreten wir einen aufwendig dekorierten Festsaal, der in etwa der Größe des Schwimmbads entspricht. Auch hier dominiert die blutrote Farbe, die ich kaum mehr ertragen kann. Es kommt mir so vor, als hätte die Regierung alle anderen Farben verboten. Abscheulich.
Umso verblüffter bin ich, als ich die aufwendigen und vor allem bunten Kleider, der anwesenden Damen bemerke. Für sie scheint die Kleiderordnung nicht zu gelten. Dafür tragen die Männer allesamt Schwarz, so wie mein Vater.

Falsch, tun sie nicht, muss ich mich korrigieren, sobald mir die ersten Ratsmitglieder ins Auge fallen. Ich erkenne sie vom Mitagessen wieder. Wie ich sie vorher übersehen konnte, erscheint mir wie ein Rätsel. In ihren schneeweißen Trachten strahlen sie wie ein Signalfeuer bei Nacht. Vermutlich müssen sie das tragen, um nicht mit dem Raum zu verschmelzen und unterzugehen. Sie müssen die Stadt und Hemingway präsentieren und sich von ihrer besten Seite zeigen, auffallen - eben das Gegenteil von mir.

»Möchten Sie ein Glas Champagner?« Der junge Kellner erschreckt mich zu Tode. Hätte Raphael mich nicht mit den Reflexen einer Katze zurück gezogen und auch meinen anderen Arm gepackt, läge das Tablett jetzt samt Champagner auf dem Boden. Scheiße!
Farang schiebt mich hinter sich, schenkt dem Mann ein charmantes Lächeln und reicht mir seufzend eines der Gläser. Wieder einmal wird mir vor Augen geführt, dass ich nicht in diese Welt gehöre. In die innere Stadt. Mein Platz ist draußen.
»Entspann dich ein bisschen, Liebling. Es gibt keinen Grund so schreckhaft zu sein. Hier passiert dir nichts. Du bist jetzt in ...« Er verstummt abprubt, als er in mein verärgertes Gesicht sieht.

»Das weiß ich. Aber ich kann mich nicht von heute auf morgen ändern«, antworte ich gefährlich leise. Es klingt wie eine Drohung und ich fahre mir erschöpft über das Gesicht. Das ist der falsche Weg. »Tut mir leid. Es ... es ist nicht deine Schuld ... ich hätte dich nicht so anfahren dürfen. Ich bin nicht gern unter so vielen Leuten, sie machen mich nervös.« Farangs Miene wird weich und er scheint etwas abzuwägen. Von weitem sehe ich eine Traube Männer, die wissbegierig in unsere Richtung starren. Investoren? Raphael muss sie schon eine Weile lang bemerkt haben. Er wirkt angespannt.

We are never SafeWhere stories live. Discover now