1.Kapitel

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„Min, das war echt dein Bester heute!" rief ich grinsend und ließ mich lachend neben meinem besten Freund auf den blauen Sitzsack fallen, der in der Ecke unserer Bude stand.

Seit nun schon fast zwei Jahren lebten wir gemeinsam in einer kleinen Zweizimmerwohnung...genauer gesagt, seitdem diese Rotz Schule vorbei und ich endlich frei war.

Ihr glaubt gar nicht, wie sehr ich den Tag gefeiert hatte, an dem ich endlich 18 und somit nicht mehr abhängig von irgendwelchen Leuten war, die mich sowieso nicht bei sich haben wollten.

Das mag jetzt hart klingen, aber bei meiner Familie hatte mich noch nie wirklich viel gehalten.

Ich hatte vier ältere Geschwister, die zwar alle super lieb zu mir, aber auch  bei Zeiten ausgezogen waren und zu mir kaum Kontakt hatten. Meine Eltern...Ähm ja...waren nicht so cool. Das ist vielleicht der beste Ausdruck.

Ich war kein Nesthäkchen...neeein....ich war...wie sagt man so schön...ungewollt...ein Unfall. Wahrscheinlich ein geplatztes Kondom oder irgendein Fehler mit der Pille. Auf jeden Fall dumm gelaufen -und so behandelten meine Eltern mich auch.

Aber hey, das soll jetzt nicht klingen, als würde ich mich bei irgendjemandem ausheulen wollen. Man kann nicht alles haben im Leben. Und was kümmern einen scheiß Eltern, wenn man die Besten Freunde auf dieser Erde hat?

Richtig - einen Dreck.

„Erde an Thomas? Lebst du noch?"
Verwirrt schüttelte ich meinen Kopf und blickte in Richtung der Stimme, die gerade meinen Gedankenstrom  unterbrochen hatte. Ich erblickte nur das amüsierte Grinsen meines besten Freundes und musste sofort selbst schmunzeln. „Ey Minho, wenn du so creepy grinst, sind deine Augen so klein, dass man sie gar nicht mehr sieht!" stichelte ich.

„Heyy! Keine Asiaten-Witze in meinem Haus!" erwiderte Minho lachend und machte einen Schmollmund, worauf ich meine Augenbraue hochzog.

„Heeeyyy! Nicht dieses Augenbrauen-hochzieh-ich-zeige-dir-dass-du-kindisch-bist-Ding. Das ist fies. Kein normaler Mensch kann das. Hör auf damit." empörte sich der Asiate. Nun konnte ich mich nicht mehr halten und musste ebenfalls lachen. „Och Minhooo, du bist ja soo süß, wenn du dich aufregst." grinste ich und tätschelte ihm die Wange.
„Ja ja , Versuchs gar nicht erst kleiner Mann. Du wirst nie an mein Popoloch rankommen, so sehr du dich auch anstrengst. Auch wenn es hinreißend ist, ich weiß." erwiderte Minho und streckte mir die Zunge raus.

„Heyyy! Keine Schwulen-Witze in meinem Haus!" rief ich und stürzte mich lachend auf ihn. Schon bald befanden wir uns in einer spielerischen  Prügelei und rollten über den gesamten Fußboden. Gerade als Minho eins unserer alten Sofakissen in die Hand bekam und das Ganze in eine riesige Kissenschlacht auszuarten drohte, ging mein Handywecker los und verhinderte somit vielleicht eine kleine Katastrophe.

Schweratmend stand ich auf und zog Minho mit nach oben. Dieser schaute mich nur grinsend an und meinte: „Du solltest dir echt mal einen neuen Klingelton zulegen." „Hey, was ist daran verkehrt?" fragte ich und zog spielerisch die Stirn kraus. „Naja, selbst an deinem Wecker erkennt man, dass du schwul bist." „Boahr..." stieß ich aus und boxte ihn lachend gegen die Schulter.

„Spast." murmelte ich und drehte mich um, damit ich den wunderbaren Ryan O'Shaughnessy mit seinem Lied „Together" zum Schweigen bringen konnte. Warum es immer noch mein Weckton war, wusste ich selbst nicht. Immerhin hatte ich es in einer Zeit des schlimmsten Liebeskummers eingestellt. Damals...als sich mein erster Freund von mir getrennt hatte...ich war sechzehn...und dachte ich müsse sterben...

Im Nachhinein betrachtet, war mein Verhalten echt lustig gewesen...also naja...für einen Außenstehenden...für mich nicht...für mich war es wahnsinnig dramatisch!

Lächelnd schüttelte ich den Kopf. Die Story war einfach zu gut. Aber mittlerweile auch einfach vorbei und ich über ihn hinweg. Das Lied diente somit auch lediglich einem entspannten Aufwachen, weil... schön war es allemal.

„Na komm du Träumer. Es ist ja wahnsinnig reizend, wie du in deinen Erinnerungen schwelgst, aber wir müssen jetzt echt los. Oder willst du den Zorn des Alberts auf dir spüren?" riss mich Minho erneut aus meinen Gedanken. „Ja du hast Recht. Wer will das schon." erwiderte ich schmunzelnd. 

Tatsächlich hatte ich keine Lust auf eine Auseinandersetzung mit unserem Anführer. Wobei das Wort Anführer vielleicht nicht ganz passt. Wie erklär ich das jetzt am besten?

Also, um ganz von vorn anzufangen: Wenn ich von UNS spreche, dann meine ich unsere Crew - der Tanzverein unseres Stadtteils, sozusagen meine Clique. Wir hatten uns vor Jahren einmal zusammen getan, als wir Stress mit den „richtig Coolen" hatten. Stellt euch darunter einfach step up die zwanzigste vor und ihr habt in etwa eine Ahnung, wovon ich spreche. Jedenfalls fing damals alles an. Wir fanden uns, verstanden uns Bombe, trainierten wie die Irren und gewannen schlussendlich den Tanzwettbewerb. Seitdem waren wir quasi unzertrennlich...Die Crew ist sozusagen zu meiner zweiten, „richtigen" Familie geworden.

Heutzutage würde ich jedem, der mir so eine Story auftischen wollte gnadenlos einen Vogel zeigen und ihn für verrückt erklären...aber...glücklicherweise war ich nun mal dabei.

Alby spielte in dieser kitschigen Tanzstory die Rolle des Herausgeforderten: Genervt vom gemobbt werden, den Kommentaren über seine Hautfarbe und seine guten Noten, folgte er seinem Herzen begann sich Verbündete zu suchen, um zu beweisen, dass er noch etwas anderes drauf hatte, als Mathematik und Astronomie. Und da Alby ein gottverdammtes Genie ist, war er in der Lage, eine Choreografie zusammen zu basteln, die selbst dem fiesesten Juror die Tränen in die Augen trieb und die Kinnlade herunter klappen ließ.

Das alles war mittlerweile sechs Jahre her und damit für die meisten anderen Menschen unseres Stadtteils Geschichte. Doch für uns war es das nicht. Für uns war das nur der Anfang.

Bis heute trafen wir uns mindestens zweimal die Woche und trainierten. Manchmal kamen wir auch einfach zusammen, um eine Runde zu relaxen oder einen „Flying Hirsch" in unserer Stammkneipe zu trinken.

Lächelnd schnappte ich meinen Beutel und warf ihn mir über die Schulter. „Können wir dann?" fragte Minho ungeduldig. „Ob du kannst, weiß ich nicht, aber ich bin soweit." neckte ich ihn und erntete dafür nur einen „Ernsthaft?!"-Blick.

Grinsend klopfte ich meinem besten Freund auf die Schulter, nur um dann unter seinem Arm durch zu tauchen, durch die Tür zu schlüpfen und mit einem: „Vergiss nicht, abzuschließen!" auf das Treppengeländer zu springen und ins Erdgeschoss zu rutschen.

Dort angekommen öffnete ich die Kellertür und zog meinen alten Drahtesel heraus. Als auch Minho endlich angekommen war, schwangen wir uns auf unsere Fahrräder und radelten in Richtung der alten Turnhalle, in der wir immer trainierten.

Während wir fuhren, konnte ich meinen Kopf endlich mal wieder für ein paar Sekunden abschalten und einfach die Natur genießen. Ich blickte mich um und musste lächeln. Heute war wieder so ein Tag, an dem man einfach gute Laune haben musste. Es war ein warmer Abend Anfang Mai, gerade warm genug, um ohne Jacke durch die Gegend laufen zu können...die Sonne warf ihr rot-goldenes Licht auf die Bäume am Straßenrand und ließ alles irgendwie magisch wirken. Und in diesem Moment, als mir der Wind durch die Haare strich und die warme Frühlingssonne auf der Haut kitzelte, da wusste ich mal wieder, wie viel Glück ich eigentlich hatte.

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Jaa...ich hatte mir geschworen, keine Anmerkungen in irgendwelche Geschichten zu schreiben, um der Gefahr zu entgehen, zu creepy zu wirken, aber lol, das ist draus geworden. Was ich nur loswerden wollte: Ich habe (rein theoretisch) im Moment verhältnismäßig viel Zeit, zu schreiben...bin aber leider chronisch verplant und damit verbunden wenig kreativ. Dementsprechend freue ich mich über Ideen immer genauso sehr, wie über ehrliche Meinungen, konstruktive (!) Kritik und sonstige Mitteilungen ;)
Ansonsten wünsche ich sehr viel Spaß beim lesen, Mord und Totschlag ist hier nicht zu erwarten, davon gibt es leider schon viel zu viel auf dieser Welt.
Seid bitte nicht zu streng mit mir, es sei denn die Fehler sind wirklich zu dämlich (was durchaus möglich ist)
Mehr gibt es erst einmal nicht zu sagen, das sagt mir zumindest mein Goldfisch-Gedächtnis...

Bis dahin, bleibt geschmeidig
Der Salzwasserfisch

Im Takt deines HerzensWhere stories live. Discover now