Kapitel 25

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Greybound stand da wie vom Donner gerührt.

„Ich bin dir letzte Nacht wieder gefolgt.", sagte Mistoffelees leise, „Und da habe ich dich gesehen. Dich und Macavity."

„Aber ...", begann Greybound stotternd, „Aber so war das alles nicht, wirklich."

„Ach nein? Dann hat er dich nicht für deine großartige Arbeit gelobt?"

Mistoffelees spukte die Wörter beinahe aus.

Greybound wusste nicht, was sie sagen sollte. Die Art wie Mistoffelees sie musterte machte sie ganz traurig. Sie hatte eigentlich gehofft, in ihm einen Freund gefunden zu haben und jetzt sah er sie voller Misstrauen an.

„Bitte sag dass das nicht wahr ist.", sagte Jemima leise und ging einen Schritt auf Greybound zu. Sofort war Jellylorum an ihrer Seite um sie davon abzuhalten zu Greybound zu gehen.

„Jemima du musst mir glauben.", sagte Greybound verzweifelt, „Es war nicht so wie es ausgesehen hat. Wirklich nicht."

„Kennst du Macavity schon länger?", fragte Munkustrap unbarmherzig.

Greybound blickte zu ihm. Zum ersten Mal sah sie nicht die warmen Augen. Munkustrap sah sie nur kühl und berechnend an.

Sie schloss kurz die Augen.

„Ja, ich kannte Macavity schon.", sagte sie dann leise.

„Ich wusste es!", zischte Demeter.

„Aber es war nicht so wie ihr denkt. Ich habe keine gemeinsame Sache mit ihm gemacht. Wirklich nicht. Ich hab ihn nur einmal gesehen. In einer Gasse."

Doch keiner schien ihr zuhören zu wollen. Jellylorum hatte sich abgewandt und eine Pfote auf Jemimas Schulter gelegt. Diese sah auf den Boden. Auch Mistoffelees schien Greybound nicht mehr ansehen zu wollen.

Nur Demeter starrte sie weiter siegessicher an.

Greybound wandte sich wieder an Munkustrap, der schwer enttäuscht schien.

„Munkustrap, Munkustrap!"

Greybound hob die Stimme, um ihn auf sich aufmerksam zu machen. Langsam hob er den Kopf und sah ihr genau in die Augen.

Greybound schauderte, doch sie wandte den Blick nicht ab.

„Ich hab nichts mit ihm zu tun.", sagte sie langsam, „Das musst du mir glauben."

„Ich wünschte, das könnte ich.", erwiderte Munkustrap traurig.

„Das ist die Wahrheit. Er will euch das doch nur glauben lassen. Er will euch reinlegen. So wie er mich reingelegt hat."

Doch immer noch schien ihr keiner glauben zu wollen.

Nur Demeter hob den Kopf.

„Hey Greybound!", fauchte sie, „Was ist mit der kleinen ängstlichen Katze passiert? Auf einmal gar nicht mehr so ängstlich, was? Jetzt, wo deine Tarnung aufgeflogen ist."

„Was? Welche Tarnung?"

Doch wieder kam Greybound nicht weit.

„Ein ganz schöner Wandel von dem Kätzchen, das sich kaum getraut hat, anderen ins Gesicht zu schauen zu dem hier. Wieso haben wir dich vorher nie so gesehen?", redete Demeter weiter.

Greybound wusste nicht mehr, was sie sagen sollte. Sie starrte Demeter nur voller Hass an.

Diese grinste herablassend und wandte sich an Munkustrap.

„Wenn das kein Beweis dafür ist, dass sie uns allen nur etwas vorgespielt hat. Sie ist nicht ängstlich und klein. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie ihre Narbe auch von keinem Hund aus dem Tierheim hat. Das war wahrscheinlich nur erfunden. So wie alles andere, dass sie uns erzählt hat. Wer weiß, ob sie überhaupt hier wohnt."

Unsicher sahen sich die anderen Katzen in der Wohnung um. Es war vorbei. Demeter hatte es geschafft. Sie hatte alle anderen davon überzeugt, dass man Greybound nicht trauen konnte. Und egal was sie jetzt noch sagen würde, es würde nichts ändern. Ihre Entscheidung stand fest. Das konnte sie in ihren Augen sehen. Man konnte Greybound nicht trauen. Sie machte gemeinsame Sache mit Macavity.

Greybound blickte zu Jemima, die hinter Jellylorum hervor zu ihr hinüber spähte. Doch als sie ihrem Blick begegnete, blickte auch sie zu Boden.

„Jemima.", sagte Greybound leise und schaffte es so immerhin, dass Jellylorum einen Schritt zur Seite trat und sie so ihre ehemalige beste Freundin ein letztes Mal ansehen konnte, „Es tut mir leid."

Jemima hob den Blick und schaute sie nur traurig an.

Und bevor eine der Katzen reagieren konnte schoss Greybound los auf Jemima zu. Diese zuckte erschrocken zusammen und machte sich klein. Greybound stieß sich ab, wie Jemima es ihr gezeigt hatte und segelte durch die Luft über die kleine Katze hinweg. Sie kam hinter ihr wieder auf dem Boden auf, warf sich herum und war durch die Katzenklappe verschwunden bevor auch nur eine der anderen Katzen reagieren konnte. Sie rannte die Treppen hinab zur Haustür.

Hinter sich konnte sie jetzt Katzenpfoten rennen hören und jemand rief ihren Namen. Es war Munkustrap. Er kam ihr hinterher gerannt. Schnell kam er näher. Er war größer als sie, bald hätte er sie eingeholt.

„Greybound, warte!"

Doch Greybound dachte gar nicht daran. Statt auf die Straße zu rennen entschied sie sich im letzten Moment anders und wischte durch die angelehnte Kellertür. Auf der anderen Seite des Kellers war eine weitere Tür. Durch die konnte sie entkommen. Und wenn Munkustrap sie nicht hier rein laufen gesehen hatte, würde ihr das vielleicht genügend Vorsprung geben um ihm zu entkommen.

Ohne abzuwarten rannte sie durch die zweite Tür nach draußen. Jetzt war sie im Innenhof. Von hier aus gab es keinen Zugang zur Straße. Aber es gab ein offenes Kellerfenster im Haus gegenüber, das nie zugemacht wurde. Und darunter stand ein altes Sofa.

Greybound sprang durch das Fenster, landete auf dem Polster, warf sich herum und war schon im nächsten Moment bei der Kellertür.

„Zum Glück schließt hier niemand Türen.", dachte sie, als sie sich wenige Sekunden später wieder im Freien befand, einen Häuserblock von ihrem Zuhause entfernt. Doch immer noch blieb sie nicht stehen. Sie rannte und rannte, mehr als eine halbe Stunde lang, bis sie sich sicher war, dass sie niemand mehr finden würde. Dann legte sie sich unter eine alte Mülltonne und schloss die Augen.

Cats - aus dem Leben einer Jellicle CatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt