Kapitel 9

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„Komm, lass uns zu ihm rüber gehen.", schlug Jemima vor, während Greybound immer noch Rum Tum Tugger beobachtete, der inzwischen von mehreren weiblichen jungen Katzen umgart wurde, sich aber nicht besonders dafür zu interessieren schien. Ob das Alltag für ihn war? Er sah auf jeden Fall sehr gut aus mit seinem langen Fell und dem Leopardenmuster auf der Brust.

„Ich weiß nicht.", erwiderte Greybound zögernd, „Stören wir da nicht?"

„Wieso sollten wir?", fragte Jemima leichthin und war schon aufgesprungen.

Langsam folgte Greybound ihr über den Platz und zu dem großen Kater. Er bemerkte sie erst als sie schon fast vor ihm standen.

„Jemima.", sagte er gedehnt, „Wen hast du denn da mitgebracht?"

Dann wanderte sein Blick zu Greybound und er schien jeden Zentimeter ihres Körpers zu scannen. Wenn Greybound gekonnt hätte, wäre sie rot geworden. So jedoch wandte sie nur unsicher den Kopf ab. Rum Tum Tugger lächelte leicht.

„Das ist Greybound, Tugger. Die Neue, die Demeter gestern gefunden hat."

„Ach ja, ich hab schon davon gehört.", sagte Rum Tum Tugger und erhob sich.

Die jungen Katzen, die gerade noch um ihn herum gesprungen waren, erstarrten und schauten abwechselnd zu Greybound und Tugger, als dieser sie langsam einmal umrundete.

Greybound wusste nicht, was sie tun sollte. Dieser Tugger machte sie unglaublich nervös. Am liebsten hätte sie sich geschüttelt und wäre davon gelaufen. Aber ihre Beine wollten ihr nicht gehorchen. So musste sie stehen bleiben und Tuggers intensive Betrachtung über sich ergehen lassen.

Als Tugger seine Umrundung beendet hatte, legte er sich kurz vor Greybound auf den Boden. Sofort kamen die jungen Katzen herbeigeeilt und ließen sich um Tugger herum nieder. Alle wollten sie möglichst nah bei Tugger liegen. Merkwürdigerweise konnte Greybound sie verstehen. Obwohl sie noch keinen Satz mit Tugger gewechselt hat, wollte sie plötzlich in seiner Nähe sein, wollte sich neben ihn auf den Boden legen und ihren Kopf in seinem Fell vergraben.

„Wieso legt ihr euch nicht zu uns?", fragte Tugger leichthin.

Greybound hob den Kopf und sah wie Tugger sie erwartungsvoll anlächelte. Konnte er etwa ihre Gedanken lesen?

Jemima hatte sich derweil schon einen Platz neben einer jungen Katze gesucht. Sie schien kein Interesse daran zu haben, Tugger zu berühren.

Greybound schon. Da sich die anderen Katzen schon um ihn herum verteilt hatten, legte sie sich schnell vor seine Brust. Leise brummend vergrub sie ihren Kopf in seinem Fell. Über sich meinte sie Tugger leise Lachen zu hören.

Sie war selbst von sich überrascht. Sonst war sie keine der Katzen, die sich einfach so an andere kuschelte ohne sie wirklich zu kennen. Eigentlich kuschelte sie überhaupt nicht oft. Doch Tugger hatte etwas an sich, dass man sich einfach an ihn kuscheln wollte. Und außerdem taten es all die anderen jungen Katzen auch.

Einige Minuten lang sagte niemand etwas. Sie lagen nur so da und genossen die Wärme und Behaglichkeit der anderen. Greybound spürte Tuggers Atem auf ihrem Rücken und wie sich ihr Fell dort aufstellte. Sie hoffte, dass er es nicht merkte.

„Hat schon wer Jelly gesehen?", fragte dann eine der jungen Katzen.

Die anderen verneinten.

„Besser so, sonst will sie bestimmt wieder wissen, ob wir auch geputzt sind.", sagte eine andere, „Ich bin übrigens Electra."

Mit einem frechen Grinsen wandte sie sich zu Greybound um, die vorsichtig nickte.

„Das ist Etceteras freche kleine Schwester.", erklang Tuggers Stimme über ihr.

„Hey, ich bin überhaupt nicht frech.", sagte Etcetera und schlug spielerisch nach ihm.

Während Tugger ohne Probleme Electras leichtem Schlag auswich, wandte sich eine weitere Katze zu Greybound.

„Ich bin Victoria."

Greybound nickte wieder. Die schneeweiße Katze war ihr gestern schon aufgefallen. Ihr Fell schien perfekt zu sein und so hell, dass die Katze von innen heraus zu leuchten schien. Wieder einmal fühlte sich Greybound schlecht. Alle hier hatten so schönes Fell und ihres war einfach nur grau. Es hatte keine interessante Farbe und es leuchtete auch nicht, ganz egal wie lange man es bürstete.

„Oh-oh, da kommt sie.", flüsterte Electra plötzlich und sprang auf. Die anderen Katzen taten es ihr gleich. Nur Rum Tum Tugger blieb entspannt liegen.

Jemima stand plötzlich wieder neben Greybound und zog sie auf die Beine. Die anderen Katzen hatten sich schon aufgereiht. Jemima stieß Greybound sanft mit ihrem Kopf an und schubste sie in die Reihe.

„Das ist Jellylorum.", flüsterte sie ihr zu, „Sie ist für uns junge verantwortlich."

Eine große gelbliche Katze mit weißen und braunen Flecken hatte sich derweil auf den Weg zu ihnen gemacht. Sie hatte einen ernsten Gesichtsausdruck.

Hinter ihnen räkelte sich Tugger genüsslich. Greybound warf einen Blick nach hinten und er zwinkerte ihr zu. Schnell wandte sie den Kopf wieder nach vorne. Die gelbe Katze war inzwischen bei ihnen angekommen.

Sie ging zu Etcetera, der ersten in der Reihe und ließ einen prüfenden Blick über ihr Fell wandern, besah sich dann ihre Pfoten und Krallen und zuletzt ihren Schwanz. Dann nickte sie. Etcetera flitzte aus der Reihe und zurück zu Tugger.

Dann war Victoria an der Reihe. Jellylorum lobte sie für ihr schönes, gut geputztes Fell und auf einmal kam Greybound sich schmutzig vor. Miranda hatte sie gestern gebürstet, aber seitdem hatte sie sich nicht ein einziges Mal geputzt. Sie sah zu ihren Pfoten hinab. Sie waren voller Staub.

Jellylorum war inzwischen zu Electra weiter gegangen. Diese kassierte einen Tadel dafür, wie ihr Fell aussah. Dabei fand Greybound gar nichts daran auszusetzen.

Electra offenbar auch nicht, denn sie erwiderte sofort: „Das ist doch völlig in Ordnung."

„Putzen!", erwiderte Jellylorum nur und warf ihr einen strengen Blick zu, der keine Widerrede zuließ. Electra murrte, machte sich jedoch sofort daran, mit ihrer Zunge durch ihr Fell zu fahren und es zu putzen.

Bei Jemima hatte Jellylorum ebenfalls nichts auszusetzen und wandte sich so der letzten Katze in der Reihe zu, Greybound. Sie musterte sie kurz abschätzend und führte sie dann von den anderen weg.

„Munkustrap hat mir von dir erzählt.", sagte sie, „Wenn du wirklich hier dazu gehören willst, erwarte ich, dass du dich in Zukunft putzt, bevor du hier her kommst. Keine Jellicle Cat läuft so verwahrlost herum. Das Fell wird sauber geputzt, die Krallen sind geschärft und sauber und vergiss deinen Schanz nicht. Auch er gehört zu dir. Heute lass ich es dir nochmal durchgehen, weil du neu bist, aber ab morgen erwarte ich, dass du geputzt bist oder du kannst dir neue Freunde suchen, verstanden?"

Verängstigt nickte Greybound. So etwas hatte sie hier nicht erwartet.

Jellylorum bemerkte das und sie sagte etwas freundlicher: „Sieh mal, wir sind die Jellicle Cats. Man kennt uns in ganz London. Und das nicht wegen unserer ungeputzten Felle. Wenn du eine von uns sein willst, eine Jellicle Cat, dann musst du dich auch so verhalten. Also hoch mit Köpfchen und Schwanz und sei stolz darauf, wer du bist. Selbst ungeputzt."

Jellylorum zwinkerte Greybound kurz zu und diese fühlte sich gleich viel wohler. Jellylorum wollte ihr nichts Böses. Sie hatte Recht. Es wurde Zeit, dass sie sich mal wieder ausgiebig putzte. Sie hatte ihre Fellpflege in den letzten Tagen wirklich vernachlässigt. Aber es war einfach so viel passiert.

„Hey!", fauchte da auf einmal eine Stimme neben ihnen und beide Katzen fuhren herum, „Was zum Teufel machst du hier?"

Cats - aus dem Leben einer Jellicle CatWhere stories live. Discover now