Kapitel 3

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Sie übte lange und vergaß dabei total die Zeit. Durch die verklebten Fenster sah man den Himmel auch nicht und konnte so nicht erahnen, wie spät es war.

Allmählich taten ihre Muskeln weh. Also beschloss Greybound das Training für heute zu beenden. Sie schlich aus der Wohnung und lief schnell die Treppen hinunter zu ihrer Wohnung. Und das nicht zu früh. Kaum hatte sie sich durch die Katzenklappe gezwängt und war zu ihrem Kratzbaum gesprintet, hörte sie auch schon, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte. Sie sprang auf ihren Kratzbaum und machte es sich an ihrer üblichen Stelle bequem. Die Tür ging auf und Miranda betrat die Wohnung.

„Na hallo Cindy, wie geht es dir denn? Hast du einen schönen Tag gehabt?", sagte Miranda, legte ihre Tasche neben der Kommode ab und kam herüber um Greybound zu streicheln, „Du bist ja ganz staubig. Wo bist du denn gewesen?"

Kopfschüttelnd ging sie zurück zu ihrer Tasche und zog ihre Schuhe aus.

„Warte Cindy, ich bürste dir gleich den Staub aus dem Fell."

Erleichtert atmete Greybound aus. Kurz hatte sie befürchtet, gebadet zu werden. Sie hasste diese Tage, an denen Miranda beschloss, dass es Zeit für ein Bad war. Das Wasser war furchtbar und selbst wenn sie danach besser aussah, hasste Greybound die Prozedur.

Ebenso war es ihr ein Rätsel wieso Miranda sie damals Cindy getauft hatte, als sie sie zu sich geholt hatte. Sie war eine Greybound durch und durch. Aber das hatte Miranda nicht erkennen wollen. Cindy war so ein gewöhnlicher und langweiliger Name. Bestimmt gab es hunderte von Katzen mit dem Namen Cindy. Greybound dagegen gab es nur einmal. Dass die Menschen einfach nicht verstehen konnten, dass Katzen keine normalen, gewöhnlichen Namen haben wollten? Jede Katze war auf ihre Art einzigartig und deshalb gebührte ihr auch ein einzigartiger Name. Die Menschen dagegen schienen auf diese langweiligen Namen zu stehen, immerhin gaben sie sie sich ja auch. Wer wollte denn schon heißen, wie alle anderen? Wer wollte denn schon dauernd auf jemandem mit demselben Namen treffen? Katzen jedenfalls nicht. Und deshalb hatten sie nicht nur einen, nicht zwei, sondern drei Namen.

Der erste Name war der, dem der Mensch einem gab. Cindy in diesem Fall. Doch diesen gewöhnlichen Namen trugen noch hunderte andere Katzen. Deshalb hatten die Katzen sich nach ihrer Geburt einen zweiten Namen gegeben. Einen einzigartigen, den immer nur eine Katze trug. Denn so konnte sie sich von allen anderen unterscheiden. Greybound hatte sich ihren Namen schon sehr früh gegeben und es seitdem nicht einmal bereut. Sie war stolz auf ihren Namen und trug ihn mit erhabenem Kopf und Schwanz.

Doch eine Katze hatte noch einen dritten Namen. Diesen Namen jedoch wusste niemand außer sie selber und sie sagte ihn nie niemandem.

Miranda kam mit einer weichen Bürste und hob Greybound vorsichtig von ihrem Kratzbaum. Sie trug sie zum Sofa, setzte sie auf ihren Schoß und begann sie langsam zu bürsten. Nach kurzer Zeit begann Greybound zu schnurren. Miranda bürstete sie so lange, bis auch der letzte Staub aus ihrem Fell verschwunden war. Dann stand sie auf und ging in die Küche, um sich etwas zu kochen und Greybounds Abendessen zu richten. Greybound Blick fiel erneut auf die Kratzer im Boden. Schnell lief sie hinter Miranda her, schlang ihr Essen hinunter und verließ dann die Wohnung durch die Katzenklappe, bevor Miranda die Kratzer auffallen konnten.

Sie zockelte durch die Straßen und sah den Menschen zu, die geschäftig umher eilten. Keiner schien sich für sie zu interessieren. Plötzlich bekam sie ein schlechtes Gewissen. Sie hatte Miranda so viel zu verdanken, sie kümmerte sich so gut um sie. Mit gesenktem Kopf schlich sie weiter und stand plötzlich wieder vor dem Schrottplatz.

Sie zögerte. Die Katzen waren sich noch nicht da. Der Schrottplatz musste gerade erst geschlossen haben. Aber vielleicht könnte sie sich schon einmal rein schleichen und dort auf sie warten. Da drin sah sie keiner und sie hatte ihre Ruhe.

Sie schlüpfte unter dem Zaum durch und lief in das Innere des Schrottplatzes. Im Gegensatz zu gestern fand sie den Platz heute sofort wieder. Sie sprang auf denselben Container, auf dem sie auch gestern gesessen hatte und rollte sich zusammen. Zeit zu warten. Es würde bestimmt noch einige Stunden dauern, bis die Katzen hier auftauchten.

Sie hatte es sich gerade bequem gemacht und die Augen geschlossen, als sie hinter sich ein lautes Fauchen hörte. Sie sprang auf, wirbelte herum und sah in die wütend blitzenden Augen einer ziemlich großen Katze.


Cats - aus dem Leben einer Jellicle CatWhere stories live. Discover now