Kapitel 18 ❀ sur le lac

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ALIÉNOR

Es dauerte ganze acht Stunden, bis wir am späten Nachmittag das Schloss Valençay erreichten. Die Kutschfahrt war mir verglichen mit der Hinfahrt überraschenderweise noch länger vorgenommen. Wahrscheinlich lag das an den Sorgen, die meine Gedanken eingenommen hatten.

Ich befürchtete, dass Louis-Antoine über Rafael eine weitere Strafe verhängen könnte oder Brienne in meiner Abwesenheit noch weniger aß. Meine Mutter und ich hatten sie in den letzten Tagen sogar ab und zu dazu motivieren können, zu ihrem Gemüse auch etwas Baguette zu sich zu nehmen. Würde sie nun wieder in alte Gewohnheiten verfallen?

Zu guter letzt konnte ich mir einfach nicht ausmalen, wie mein Vater mich begrüßen würde. Briefe hatte ich von ihm nur wenige während unseres Aufenthaltes in Paris erhalten.

Trotz der beachtlichen Kälte schien hier in Savoyen die Sonne und ich atmete die angenehme Waldluft ein, die mir so sehr gefehlt hatte.

Ich war wieder dort, wo ich hingehörte und niemand schrieb mir vor, was ich zu tun und zu lassen hatte. Niemand würde mich hier komisch anschauen, wenn ich meine Meinung laut aussprach. Kaum konnte ich mir vorstellen, dass ich nur zwei Wochen lang fort gewesen war. Zwei Wochen, in denen die Gegenwart von Rafael und Louis-Antoine mal wieder zu erstaunlichen Auswirkungen geführt hatte.

Möglicherweise war es doch ganz gut, dass ich nun hier war. Auch wenn ich nicht aufhören konnte, mir Gedanken um Rafael zu machen, nahm ich mir vor, das beste daraus zu machen.

Nachdem ich dankend die Hand des Kutschers entgegengenommen hatte, der mir aus seinem Transportmittel half, setzte ich ein Lächeln auf, als ich meine restlichen Familienmitglieder erblickte. Mit pochendem Herzen kam ich so schnell mich meine Schuhe trugen auf sie alle zu und schloss sie hintereinander in die Arme.

Während Flora, Pauline, Mariechen und Maman ebenso herzlich begrüßt wurden, blickte ich zu meinem Vater auf. Aus seiner Miene konnte ich jedoch nicht herausfiltern, was er bei meinem Anblick empfand.

~*~

Bien, wir legen nun ab. Tretet bitte vom Geländer hinfort, Hoheiten."

Unsere Schals tief ins Gesicht gezogen, kamen mein Vater und ich der Anweisung des Kapitäns nach, ehe wir uns zurück in das erste Deck des Schiffes begaben.

Wir hatten beschlossen, einen Ausflug über den See zu unternehmen, da Papa in dem kleinen Dorf, das sich am anderen Ufer befand, einige Dinge zu erledigen hatte. So volksnah wie er war, sprach er mit dem Bürgermeister dort persönlich über die Ernteausfälle dieses Jahres.
Erst war meine Mutter keineswegs erfreut darüber gewesen, dass wir im tiefsten Winter über den See fuhren, während sich der eben noch klare Himmel in eine dichte Wolkendecke verwandelt hatte.

Jedoch hatte mein Vater sie überreden können, mich mitzunehmen, sodass wir Zeit miteinander verbringen konnten, wie wir es sonst auch taten.

Stumm legte ich meinen Pelz über einen gemütlichen Sessel und ein Seufzer verließ meine Lippen, ehe ich zu ihm hinüber schaute.

Mir war von Anfang an bewusst gewesen, dass er bloß mit mir hatte allein sein wollen, um mit mir über die derzeitigen Probleme zu sprechen. Papa erschien mir nicht unbedingt schlecht gelaunter als sonst, doch im Großen und Ganzen sehr angespannt, wenn nicht eine Spur besorgt.

PRINCESS OF TULIPS  ᵗᵉⁱˡ ᶻʷᵉⁱWo Geschichten leben. Entdecke jetzt