Kapitel 03 ❀ parler du château

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ALIÉNOR

Bibbernd drückte ich mir einige Tage später meine rosafarbene Wolljacke so eng ich konnte an meinem Körper, ehe ich dankend die Hand des Lakais entgegennahm, um die glatten Stufen der prunkvollen Kutschte hinunterzusteigen.

Leichter Schnee lag auf den Fliesen des Schlosshofes, sodass dieser unter meinen Füßen knirschte. Obwohl ich den Palast schon einmal von nahen gesehen hatte, blickte ich mich staunend um. Versailles war tatsächlich kein Palast – es war eine Stadt.

Ehrfürchtig blickte ich an der prächtigen Fassade hinauf, bevor ich meiner Mutter, Charles und Florentina durch die aufgehaltene Eingangstür hinein folgte. Erleichtert atmete ich auf. Draußen war es so eisig, dass man selbst in der warmgehaltenen Kutsche Angst bekommen hatte, zu erfrieren.

Durch die vielen Gänge, die mich wie bei meinem ersten Besuch in Versailles stark in Verwirrung gebracht hatten, gelangten wir in einen der vielen Salons.

Mit Ihre Hoheiten, Herzogin Marie-Louise von Savoyen-Piemont, Prinzessin von Österreich; der Kronprinz Charles von Savoyen-Piemont mit Gemahlin Florentina von Neapel, Tochter des Königs Viktor Emmanuels III., und Prinzessinnen Aliénor Louise und Pauline von Savoyen-Piemont wurden wir gemeinsam angemeldet.

Aufgeregt verschränkte ich die Finger ineinander, ehe ich etwas hilflos zu Flora hinübersah. Diese zwinkerte mir aufmunternd zu, bevor wir durch die goldene Tür in den Salon schritten.

Ich hatte mir vorgenommen, nicht allzu sehr meine Aufregung gegenüber den Herrschaften zu zeigen. Doch kaum hatte ich meine Schwester erblickt, schien jedes Vorhaben vergessen.
„Oh, Brienne!", bemerkte ich euphorisch und hob mein Kleid an, um auf meine Schwester zuzulaufen. Just in diesem Moment wollte meine Tante ansetzen, als ich meine Schwester bloß freudestrahlend in meine Arme schloss. Ich war so unendlich glücklich, wieder bei ihr zu sein.

„Aliénor", bemerkte sie mit ruhiger Stimme und erwiderte die Umarmung behutsam, worauf ich mich löste, um ihr wundervolles Gesicht endlich wieder zu betrachten. „Endlich sind wir wieder zusammen."

„Das ist etwas unpassend, petite-sœur", flüsterte sie an mein Ohr, presste die Lippen aufeinander und drückte mich sanft von sich selbst hinfort, ehe sie leicht zu Madame Marie-Thérèse von Frankreich und unserer Mutter nickte, die seufzend die Augen schloss.

„Verzeihung", entgegnete ich entschuldigend lächelnd und stellte mich zurück neben meine Mutter, während Tante Marie-Thérèse mir mit einem missmutigen Blick zusah.
„Nach dieser kleinen Unterbrechung, können wir hoffentlich mit der Begrüßung beginnen", stellte sie ihre Wunschäußerung, die in Wirklichkeit ein Befehl war, in den Raum.

Nacheinander versank jede von uns in einen Hofknicks, Charles verbeugte sich und deutete einen Kuss auf Madames Hand an. Beschämt schaute ich zu Boden.
Normalerweise waren mir meine Taten kaum peinlich. Da jedoch nun geradezu jeder in diesem Raum Scham für mich empfand, verstand ich, dass ich es in Zukunft einfach unterlassen sollte.

Brienne war nun andere Verhältnisse gewöhnt. Ich war wohl noch nicht ganz in Versailles angekommen.

„Wo ist denn Seine Majestät?", fragte Maman schließlich nach, um die Stille zu unterbrechen und auf Louis-Antoines Abweisenheit, die mir erst jetzt auffiel, zu verweisen. „Der Kaiser ist noch auf der Jagd in unserem angeschlossenen Wäldchen. Heute Nachmittag ist er selbstverständlich aber wieder da", antwortete meine Tante, und ein Anflug eines Lächelns hatte sich auf ihren Lippen gebildet. Tja, Louis-Antoine ist schließlich auch ihr Ein und Alles, kam es mir in den Sinn.

PRINCESS OF TULIPS  ᵗᵉⁱˡ ᶻʷᵉⁱWhere stories live. Discover now