Kapitel 12 ❀ sans sommeil

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LOUIS - ANTOINE

Der pure Schrecken stand Aliénor ins Gesicht geschrieben. Vor ihrem geistigen Auge mussten sich  die schaurigsten Szenen abspielen, in der ihr Geliebter die Hauptrolle spielte. Ich bemerkte wie ihre Schwägerin Florentina von Neapel, die von der ganzen Angelegenheit von Anfang an unterrichtet worden war, sich verlegen auf die Unterlippe biss.

„W-Was ist hier los?", presste Aliénor schließlich hervor, nachdem sie sich aus ihrer Schockstarre befreit hatte und ihr Blick verfing sich augenblicklich in dem meinem.

„Kannst du dir das nicht denken, Liebes?", antwortete meine Mutter für mich und kräuselte ihre Lippen, worauf Aliénors Augen in ihre Richtung schnellten.

Wenn sie nicht jetzt schon eine schlimme Vorahnung gehabt hatte, musste sie diese jetzt haben.
Doch der Blondschopf schien so irritiert zu sein, dass sie Eins und Eins entweder nicht zusammenzählen konnte oder wollte. Normalerweise sollte ich deshalb Mitleid mit ihr haben, doch da ich es hasste, wenn eine große Unwissenheit im Raum herrschte und mich Lügen und Um-den-heißen-Brei-herumreden allgemein nervten, erklärte ich es ihr schließlich: „Cousine, es ist verboten als Prinzessin adeligen Blutes mit einem..."

Ich brach ab und schaute hinüber zu Rafael, der mich das erste Mal, seitdem ich ihn kannte, voller Wut direkt anblickte.

„Ihr zwei habt gegen das Gesetz verstoßen", fuhr ich somit fort. „Deshalb sehe ich mich gezwungen, ihn festnehmen zu lassen."

„Nein!", schrie sie beinahe, dass ihre jüngere Schwester Pauline sogar ängstlich aufpiepste. Doch ihre Mutter beruhigte sie, indem sie diese in den Arm nahm und weiterhin gekränkt zu ihrer zweitältesten Tochter blickte.
Ich konnte genau erkennen, wie sich dicke Tränen in Aliénors Augen bildeten, während Álvarez ihren Blick suchte und entschuldigend ihren Namen hauchte.

Plötzlich hob sie ihr Kleid an, als wenn sie auf ihn zurennen wollte. Bevor ich jedoch etwas unternehmen konnte, hatte Gastón sie zurückgehalten.

„Verdammt, Aliénor, wach endlich auf! Er ist irgendein Bauer und du eine Prinzessin!", zischte er ihr ausgesprochen scharf für seinen Charakter zu, ehe seine Gemahlin sich die Hand vor den Mund hielt, sodass nur ein erstickter Laut ihre Lippen verhielt.

Ich wusste, dass Florentina und Aliénor eine enge Freundschaft verband und sie wahrscheinlich mit ihrer Schwägerin litt.

„Lass mich los, Charles", keuchte Aliénor verzweifelt und schniefte tapfer, doch er ließ nicht locker. Mein Herz verkrampfte sich, während ich zeitgleich voller Abneigung Álvarez musterte, der mich ebenso anblickte.

„Ich gehe jetzt", meinte meine Mutter bestimmt. „Dieses unzivilisierte Verhalten kann ich mir nicht länger ansehen."

Stolz schritt sie an uns vorbei, ehe sie ihrer Cousine etwas wie „Verehrteste, was hast du bloß bei ihrer Erziehung falsch gemacht?" zuflüsterte und daraufhin den Raum verließ, ohne ihr Frühstück zu sich genommen zu haben.

„Nein, was macht ihr mit ihm? Das könnt ihr nicht tun!", säuselte sie, ehe sie sich aus dem Griff ihres Bruders befreite.
Jedoch versperrten ihr zwei zur Hilfe gekommene Wachen den Weg zu ihrem Spanier, sodass sie zusehen musste, wie er geradewegs an ihr vorbei weggezerrt wurde.

Als sie sich erneut dazu beschloss, ihm hinterherzulaufen, verlor ich die Geduld und donnerte bestimmt: „Ihr bleibt hier! Wärt Ihr nicht meine Cousine, hätte Euch dasselbe Schicksal erfahren. Er wird nicht getötet, bloß gefangen gehalten."

PRINCESS OF TULIPS  ᵗᵉⁱˡ ᶻʷᵉⁱWhere stories live. Discover now