Kapitel 09 ❀ c'est la nuit

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MARIE BRIENNE

Amüsiert über Louis-Antoines Aussage beobachtete ich, wie dieser sich zu meiner Mutter begab, sodass ich alleine bei Tante Marie-Thérèse blieb.
Wie ich ihn kannte, näherte sich mein Verlobter geschickt und unscheinbar seiner zukünftigen Schwiegermutter an, verwickelte sie in einen kurzes Gesprächs, ehe er sie zum Tanz aufforderte, als sei er daran interessiert, ihr seine Aufwartung zu machen.

„Sag' mal, Liebes", begann die Madame nach einiger Zeit und sah mich forsch von der Seite an. „Woher kennt deine Schwester diesen Spanier eigentlich?"

Durch einen kurzen Blick umher vergewisserte ich mich, dass niemand uns zuhörte, ehe ich mit gedämpfter Stimme antwortete: „Das ist schon einige Jahre her, Madame. Könnt ihr Euch an den Besuch meiner Familie in Marseille vor zwei Jahren erinnern? Damals zählte Aliénor gerade einmal 14 Lebensjahre, als sie Álvarez kennenlernte. Erinnert Ihr Euch möglicherweise noch vage an ihn?"

Sie legte die Lider nieder, ehe sie langsam nickte. „Selbstverständlich... wo du es erwähnst, Liebes. Ich kann mich daran erinnern, dass Álvarez damals zwar schon ein gutes Durchsetzungsvermögen und Mut als Soldat aufwies, doch auch ziemlich oft seine Aufgaben vernachlässigte. Der Kaiser war nicht selten kurz davor gewesen, den Spanier, der durch seine Herkunft sowieso viel Aufmerksamkeit aufwies, zu entlassen.
Jetzt erklärt sich zumindest, wo er sich damals herumgetrieben hat. Ich habe dem Kaiser von Anfang an geraten, nicht so einen jungen Mann in seiner Leibgarde aufzunehmen, doch er wollte nicht hören..."

„Wie dem auch sei", fuhr ich weiterhin an sie gewandt fort. „Die beiden verbrachten ständig Zeit zusammen. Ich kam dahinter – doch ich erzählte auf den Wunsch meiner Schwester nichts. Sie war ja noch so jung und naiv. Ich hoffte, sie würde sich die Idee bald aus dem Kopf schlagen... Hätte ich es doch bloß getan..."

Nahezu schon mitleidig blickte ich umher, auch wenn ich mich gar nicht so immens über mich selbst ärgerte. Aliénor war schon immer eine draufgängerische Natur gewesen; hatte mich damit manchmal zwar amüsiert, doch auch in den Wahnsinn getrieben. Nun verdiente sie nunmehr ihre Strafe.

Wie gemein es auch klang, da sie meine Schwester war und ich sie trotz alledem liebte... sie war eine Prinzessin.
Und spätestens jetzt war es Zeit, dass diese Tatsache auch in ihrem Kopf Platz einnahm.



RAFAEL

Schmunzelnd zog ich Aliénor in eine Umarmung, als wir am späten Abend dieses 23. Januars eng umschlungen auf dem verschneiten Balkon ihres Gemaches standen und über die Dächer des verwinterten Versailles schauten.
Es war eine klare Winternacht und so kalt, dass man selbst im trüben Mondlicht seinen Atem klar erkennen konnte.

Trotz der idyllischen Stimmung klopfte mein Herz aufregt gegen meine Brust. Seit dem Attentat auf mich sah hinter jeder Ecke die Gefahr lauern. Zwar fühlte ich mich geborgen, beruhigt in Aliénors Gegenwart, doch vollkommen im Einklang mit mir selbst konnte ich nicht sein.

Jeder hier schien unseren Umgang miteinander nicht als schlecht zu empfinden... doch konnte ich mir sicher sein, dass selbst Aliénors Vater oder die Madame von Frankreich dies ebenso locker sahen?

Meine Verlustängste nahmen mich geradezu ein, und ich blinzelte einige Male, ehe ich das Wort an meine Liebe richtete.

„Wollen wir nicht wieder hinein?" Ich gähnte leise – wenngleich ich mich nicht für so müde hielt –, bevor ich der Prinzessin einen Kuss auf ihren hellblonden Schopf gab.

PRINCESS OF TULIPS  ᵗᵉⁱˡ ᶻʷᵉⁱWhere stories live. Discover now