Kapitel 06 ❀ illusions

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LOUIS - ANTOINE

Ihre hellblauen Augen sahen mich voller Schrecken an. Jedoch konnte ich ebenso erkennen, dass in ihnen eine gewisse Erregung aufzuflackern schien.

Es wäre nur kurzer Gedanke gewesen und ich hätte es getan. Unsere Lippen wären miteinander verschmolzen, als wären sie füreinander bestimmt. Für einen kurzen Moment hätte ich all meine Probleme vergessen, und mich nur auf sie und mich konzentrieren können.

Doch mein Leben würde sich wohl niemals so leicht wie eine Feder anfühlen können, da ich wusste, dass sie sich stets sträuben würde.

Selbstverständlich hätte ich ebenso länger in meiner Position verweilen können. Anstatt sie aber an ihrer Taille zu packen und sie á n mich heranzuziehen, sodass unsere Nasenspitzen sich fast berührten, ließ ich augenblicklich von ihr ab, sodass sie schwer ausatmete und mich wie gebannt ansah.
Als sie zu verstehen schien, was ich vorgehabt hatte, wandelte sich ihr Gesichtsausdruck in pures Misstrauen.

Mein Plan, ihr zu zeige, dass es mir nichts mehr ausmachen würde, in ihrer Nähe zu sein, bedurfte jedoch noch einer letzten Zutat.
„Denkt ja nicht, ich hätte es getan", teilte ich ihr kühl mit. „Ich habe kein Interesse mehr."

Sie öffnete den Mund, atmete einmal kurz aus und wollte etwas sagen. Jedoch kam sie nicht dazu, da sie sich in diesem Moment entschloss, einfach zu schweigen.

Ich ignorierte das Verlangen, zurückzugehen, sie an mich zu drücken und unsere Lippen miteinander zu versiegeln. Mir war nicht bewusst, was ich getan hatte. Erst als ich ein letztes Mal – bevor sie gehen konnte – in ihr tatsächlich recht verletzt dreinblickenden Augen sah und mich von ihr weg drehte, um ich sie in der Bibliothek stehen zu lassen.

Es war ein Jammer, dass ich mit niemanden darüber hätte reden können. Abgesehen davon, dass die Situation schlichtweg eine eigenartige war; war selbst mein Cousin und guter Freund Charles, der mir sicherlich viel zu erzählen hatte, als ihr Bruder selbstverständlich keine Option.

Ich wollte gar nicht wissen, was er von mir denken würde. Mit seinen Schwestern spielte ich – wenn ich dies im Endeffekt auch nicht wollte.

Die Lage war letztendlich hoffnungslos, da ich Aliénors Nähe wohl immer wieder suchen würde. So war es notwendig gewesen, zumindest sie dazu zu bringen, mich endgültig zu verabscheuen, dass sich unsere Nacht im Sommer niemals in der Art und Weise wiederholen würde.


~*~

MARIE BRIENNE

Nachdenklich trommelte ich mit meinen Fingernägeln auf den dunklen Ebenholztisch in dem Salon meiner Gemächer und starrte regungslos an die Wand gegenüber von mir. Irgendetwas stimmte nicht.

Ein dumpfes Klopfen an meiner Tür ließ mich aufblickten, und als wenig später meine Hofdame, die Prinzessin Liliette von Spanien, eintrat und in einem Hofknicks versank, verließ ein erschöpfter Seufzer meine Lippen.
„Ihr habt mich rufen lassen, Hoheit?", wollte die Spanierin wissen. Nickend erhob ich mich und schaute in die grünen Augen der jungen Prinzessin. „So ist es. Ich möchte, dass Ihr etwas für mich erledigt."

„Wie Ihr wünscht", entgegnete sie und senkte erneut ihr Haupt.

Stumm klappte ich meinen Fächer zusammen, ehe ich mich erhob, um im Raum etwas herumzugehen. „Wie Ihr sicher bemerkt habt... verhält sich der Kaiser äußerst eigenartig in letzter Zeit – na, was sage ich da? Er verhält sich immer eigenartig in meiner Gegenwart. Und sicherlich nicht, weil sein Herz ihn voller Aufregung seine Höflichkeit vergessen lässt."

PRINCESS OF TULIPS  ᵗᵉⁱˡ ᶻʷᵉⁱWhere stories live. Discover now