Die Schneekugel

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Meine wenigen Sachen sind schnell in meinem alten Zimmer verstaut und nun sitzen wir zusammen auf der Couch in Sonjas und Annas Wohnung. Sonja, Anna, Micha, Dustin und ich. Wir reden und lachen, nur einer ist etwas stiller als normal: Dustin. Wir hatten heute morgen, nachdem ich von der Polizei kam,einen ziemlichen Streit. Er hat es nicht verstanden, dass ich sofort wieder zu den Mädels in die WG ziehen wollte. Er meinte, noch ist es ja nicht klar, ob Sonja vielleicht doch etwas mit den KO Tropfen zutun hatte. Aber ich denke, dass es ihm nicht allein darum geht. Er nimmt wohl an, dass wenn ich bei ihm wohnen bleibe, ich mich doch noch irgendwann in ihn verliebe. Zum Glück sprach er es nicht aus. Ich hätte ihm wieder weh tun müssen.

Mein Handy meldet mir eine eingehende Email. Ich runzele meine Stirn. Ich bekomme sehr selten etwas per Mail geschickt, weil ich sie eigentlich nur für offizielle Sachen, wie Arbeit oder Schule angebe. Natürlich haben auch mein Bruder und meine Mom die Adresse, aber wir telefonieren immer viel, warum sollten sie mir schreiben. Neugierig öffne ich die App. Eine Nachricht von Youtube? Ich tippe weiter. Es tut mir so leid. Ich bin echt ein Idiot. Ohne auf den Absender zu schauen, weiß ich genau von wem die Nachricht kommt. Ich schreibe schnell zurück. Stimmt! Und sende die Nachricht ab. Es dauert einige Zeit, dann ertönt erneut das Eingangssignal. Kommst du in den Park? Wer glaubt er eigentlich, wer er ist. Eine kleine Entschuldigung und schon springe ich wieder für ihn? Das kann er aber mal ganz schnell vergessen. Auch wenn mein Herz gerade Amok läuft beim Gedanken an ihn und die Vorstellung ihn wiederzusehen.

Ich bin so in die Mail vertieft, dass ich nicht mitbekomme, wie die anderen mich fragend anstarren. Bis Sonja dann vor meinen Augen herumwedelt und sagt „Erde an Jenny? Bist du da?" Erschrocken sehe ich auf und sie lacht. „Wir haben entschlossen noch zum Festival zu gehen. Kommst du mit?" Erwartungsvolle Blicke liegen auf mir und ohne darüber nachzudenken, nicke ich. Ich murmele „Ich ziehe mich eben um." Schnell laufe ich hoch in mein Zimmer. Immer noch habe ich mein Handy in der Hand. Manu wartet ja auch noch auf eine Antwort Und dann lässt du mich wieder allein dastehen? Ne danke. Ich ziehe ein anderes Shirt an und gehe wieder runter zu den anderen, die auch bereits fertig zum Gehen sind. Mein Handy meldet sich wieder. Eigentlich sollte ich ihn ja ignorieren, aber ich bin einfach zu neugierig. Es ist eine lange Nachricht: Ich kann echt verstehen, dass du so denkst. Aber glaube mir, das war eine dämliche Kurzschlußreaktion und kommt nicht wieder vor. Versprochen. Wenn du Lust und Zeit hast; hier hast du meine Nummer. 01XX XXXXXXX Du kannst mich jederzeit anrufen oder schreiben. Ich würde mich freuen. Hat er mir jetzt tatsächlich seine Nummer gegeben? Ich bin schon glücklich, über das Vertrauen, was er zu mir hat. Mein Herz macht wieder einen unkontrollierten Hüpfer. Und weil ich so konzentriert auf mein Handydisplay schaue, laufe ich glatt in Dustin, der offensichtlich einfach direkt vor mir stehen geblieben ist. Mein Handy rutscht mir aus den Fingern, doch bevor es auf dem Boden aufprallen kann, hat Dustin es aufgefangen. Mit einem sehr genervten Unterton sagt er „Zeig mal mit wem du die ganze Zeit schreibst. Du scheinst ja ganz hin und weg von dem Typen zu sein. Du beachtest uns kein Stück mehr..." Sofort fauche ich ihn wütend an „Gib mir auf der Stelle mein Handy wieder, wenn dir nur irgendein Fünkchen an unserer Freundschaft liegt." Ich scheine echt bedrohlich genug gewirkt zu haben, denn sofort reicht Dustin mir mein Telefon. Schnell sperre ich das Display und stecke es in die Tasche. Ohne noch ein Wort stapfe ich hinter den anderen her. Puh, das ist gerade nochmal gut gegangen. Nicht auszudenken, wenn Dustin die Nummer von Manu gesehen hätte... vor allem, weil im Absender fett GermanLetsPlay steht.

Wir kommen zum Festivalplatz. Hier sind viele Stände mit exotischem Essen, eine kleine Bühne und ein Souvenirstand. Dorthin zieht Anna mich auch gleich. Wir sehen uns die Shirts an. Sie sind wirklich cute, aber mein Blick fällt auf etwas anderes. Eine Schneekugel. So etwas hatte ich als kleines Mädchen und fand es immer total spannend dem Glitzerschnee zuzusehen. Immer wieder drehe ich die Halbkugel in meiner Hand, bis Anna fragt „Willst du nicht nochmal in Ruhe mit Dustin reden? Er ist echt fertig, weil er nicht weiß was er falsch gemacht hat." Überrascht sehe ich von der Schneekugel in meiner Hand hoch. Anna sieht betrübt aus und so sage ich schnell, auch um dieses Thema abzuschließen „Vielleicht hast du recht." Ich lege die Kugel wieder zu den anderen. Ich habe keine Lust mehr auf die vielen Menschen und sage zu meinen Freunden „Sorry Leute, ich gehe heim. Ich muss morgen wieder arbeiten..." Sonja nickt etwas enttäuscht, sagt aber verständnisvoll „Klar, war ein stressiger Tag. Wir sehen uns zuhause."

Langsam mache ich mich auf den Heimweg. Vielleicht hat Anna ja wirklich recht und ich sollte mit Dustin endlich ein klärendes Gespräch führen. Aber was soll ich ihm sagen? Dass ich mich in Manu verliebt habe? Habe ich das denn? Mein Herz spricht da schon eine eindeutigere Sprache, denn bei jedem noch so kleinen Gedanken an ihn, springt es im Dreieck. Aber auch wenn... Er würde eh niemals meine Gefühle erwidern... Ein berühmter Youtuber und das Landei. Zwei vollkommen unterschiedliche Welten...

Vor unserer Haustür stolpere ich fast über ein kleines Päckchen. Ich nehme es hoch und sehe, dass mein Name darauf steht. Irritiert öffne ich es und zum Vorschein kommt die kleine Schneekugel. Erschreckt sehe ich mich um, aber ich bin allein im Hausflur. Bei der Bewegung fällt ein Zettelchen heraus. Ich hebe es auf und lese Bitte nimm meine Entschuldigung an.


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