#35 Standing

628 77 60
                                    

"Namjoon?!"

Okay, auf den wäre ich jetzt als allerletztes gekommen. Wie kommt Taehyung denn bitte an Namjoon?

"Hey, er weiß noch, wie ich heiße! Ganz vorbei ist es mit ihm also doch noch nicht!"

Mein Kumpel grinst breit, betritt das Zimmer und schließt die Tür hinter sich.

"Viel fehlt aber nicht mehr.", entgegne ich. "So langsam dreh' ich hier echt durch."

"Jetzt erst?", fragt er und zieht sich einen Stuhl heran. "Dann hast du aber verdammt lange durchgehalten. Wie lange bist du jetzt hier?"

Ich zucke bloß die Schultern. "Keine Ahnung. Zu lange. Ich hab irgendwann aufgehört zu zählen. Sechs Wochen Koma, dann ein paar Tage Intensivstation, dann wochenlang an der Infusion, bis ich mit Training anfangen konnte. Das mach ich jetzt aber auch schon seit 'ner ganzen Weile."

"Aber jetzt geht's ja steil bergauf, hab ich mir sagen lassen. Das Ende ist absehbar."

"Das klingt, als würden alle drauf warten, dass ich den Löffel abgebe. 'Das Ende ist absehbar'..."

"Idiot. Du weißt genau, was ich meine.", grinst er und verschränkt die Arme vor der Brust.

"Jaja.", antworte ich und erhebe mich, nach einem Blick auf die Uhr, umständlich vom Bett, um mich in meinen Rollstuhl zu setzen.
"Sag mal, wie hat Taehyung dich eigentlich erreicht? Ihr kennt euch doch gar nicht."

Namjoon steht auf und öffnet mir die Tür.
"Er hat mich angerufen. Er hat sich meine Nummer damals eingespeichert, als ich ihn angerufen habe."

"Ach so.", murmle ich und schiebe den Rollstuhl durch die Tür hinaus auf den belebten Flur. Wir müssen einmal quer durch das Gebäude, in einen anderen Flügel zu den Behandlungsräumen der Physiotherapeuten. Namjoon folgt mir und schließt die Zimmertür.

"Wo hast du eigentlich Yoongi gelassen? Euch gibt's doch sonst auch immer nur im Doppelpack.", erkundige ich mich nach meinem anderen besten Freund. Die beiden sind so gut wie nie allein anzutreffen, und wenn man doch mal einen von beiden einzeln erwischt, kann der andere definitiv nicht weit sein.

"Der arbeitet an einem neuen Projekt. Seit gestern Mittag ist er nicht mehr ansprechbar. Hatte die zündende Idee beim Mittagessen, und du kennst ihn ja. Er hat sogar seine Gabel im Essen stecken lassen, so dringend wollte er an die Arbeit. Als ich ihn fragen wollte, ob er mitkommt, hat er einen Tacker nach mir geworfen.", antwortet Namjoon und läuft, die Hände in den Hosentaschen vergraben, neben mir her den langen Gang entlang.

"Einen Tacker?! Das wird ja immer schlimmer! Vielleicht solltest du da mal was unternehmen, bevor er noch auf Bomben umsteigt."

Namjoon lacht bloß und zuckt die Schultern.

"Zuzutrauen wäre es ihm."

-

"Jung Hoseok? Schön, dass Sie sich doch noch entschlossen haben, die Chance zu ergreifen. Das freut mich sehr!", begrüßt mich der Physiotherapeut mit einem Lächeln, dass eigentlich viel zu breit für sein Gesicht ist. Er sieht aus, als hätte er absolut keine Lust, sich mit mir herumzuschlagen. Vielleicht hat er schon nicht mehr damit gerechnet, dass ich auftauche, und sich schon zurückgelehnt mit dem glücklichen Gedanken, sich nicht mit dem Problemfall auseinandersetzen zu müssen.

"Jaja...", murre ich leise, was aber niemand hört, denn der Therapeut hat sich an Namjoon gewandt und begrüßt ihn mit dem selben zu großen Grinsen, wie zuvor mich. Ich kann seinen Gedanken fast hören: 'Gott, jetzt hat der verkorkste Kerl auch noch wen mitgebracht! Hoffentlich ist der nicht genauso durchgeknallt!'

RacerWhere stories live. Discover now