#20 Good News

1.6K 77 44
                                    


Taehyungs P.o.V.

Gedankenverloren kaue ich auf meinem halbkalten Abendessen. Ich bin hundemüde, dank fast zwei durchgehenden Tagen nur auf der Arbeit. Es ist nicht so, dass ich es nicht gern gemacht hätte, schließlich war es für einen...Freund? Wie auch immer.
Schon in der Bahn bin ich eingeschlafen und hätte locker meine Station verpennt, wenn nicht zufällig mein Nachbar in der selben Bahn gesessen und mich rechtzeitig geweckt hätte. Das Dumme daran war nur, dass ich ihn den ganzen Heimweg vom Bahnhof nach Hause am Hacken hatte und gezwungen war, mich mit ihm zu unterhalten, obwohl ich überhaupt mit nichts und niemandem reden wollte. 

Deshalb genieße ich meine Ruhe jetzt um so mehr, muss aber aufpassen, nicht mit der Gabel in der Hand einzuschlafen. Was heute passiert ist, beschäftigt mich immer noch. Zuerst bezeichnet er mich als Freund, dann weicht er so komisch aus. Dann wiederum hält er sich an mir fest als wäre ich seine letzte Rettung. Ich verstehe ihn nicht. Klar hab ich gemerkt, dass er sich, seit ich regelmäßig bei ihm bin, wieder verändert hat; er ist nicht mehr ganz so verbittert, aber das muss nicht zwingend an mir liegen. Vielleicht geht es ihm einfach nur an sich besser. Oder sie geben ihm Antidepressiva. Was auch immer. 

Lustlos lasse ich die Gabel auf den Teller fallen und nehme mir vor, das Geschirr morgen abzuräumen, denn allein den Teller in die Spüle zu tragen erscheint mir wie eine Anstrengung, die dem Erklimmen des Mount Everest gleichkommt. 

Gähnend schleppe ich mich zuerst unter die Dusche, dann in mein Bett. Mir tut gefühlt jeder Knochen weh vor Erschöpfung. Kaum berührt mein Hinterkopf das Kopfkissen, gehen auch schon alle Lichter bei mir aus.

-

Ungefähr zwei ereignislose Wochen später breche ich mal wieder zur Schicht auf. In den letzten Tagen ist so ziemlich genau gar nichts passiert. Was nicht heißen soll, dass ich Langeweile hatte. Ich hab wie immer gearbeitet oder war entweder mit Jimin oder Jungkook unterwegs, wobei letzterer so sehr mit Job- und Wohnungssuche beschäftigt ist, dass man ihn meist nur kurz zwischen zwei Vorstellungsgesprächen antrifft.

Nachdem ich mich also umgezogen und mit Jimin noch kurz einen Kaffee getrunken habe, mache ich mich wieder auf den Weg zu den Patienten. Es ist das übliche. Verbände wechseln, neue Infusionen anhängen, Blut abnehmen, Essen verteilen und so weiter und so fort.

Gerade als ich mit einem Klemmbrett bewaffnet in ein weiteres Zimmer aufbrechen will, fängt mich ein mir unbekannter Typ im Flur ab. 

"Entschuldigung, sind Sie Pfleger hier auf der Station?", spricht er mich an.

"Ja, bin ich. Wieso?"

"Ich bin Physiotherapeut, ich war gestern Abend schon mal hier."

Aha. Vielen Dank für die Info.

"Da war ich nicht da, aber das ist schön für Sie. Wie kann ich Ihnen helfen?"

"Ich hab es leider ein bisschen eilig, sonst würde ich es dem Patienten selbst sagen, aber könnten Sie vielleicht ausrichten, dass er ab morgen mit leichtem Training anfangen soll?"

"Kann ich gern, wenn Sie mir jetzt noch sagen, von wem Sie reden."

"Natürlich. Jung Hoseok, der mit dem amputierten Bein."

"Ja, den kenne ich. Ich richte es aus." Ich setze ein überfreundliches Lächeln auf und nicke.

Ich dachte schon, der kommt gar nicht mehr auf den Punkt...da kriegt man ja graue Haare...

"Vielen Dank. Man sieht sich!" Damit verschwindet der Therapeut durch die Stationstür und ward nicht mehr gesehen. 

Ich drücke also das Klemmbrett einem vorbeilaufenden Kollegen in die Hand und begebe mich zu Hoseoks Zimmer. 

RacerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt