#34 Last Chance

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Doktor Park hat schlechte Laune.

Das glaube ich zumindest, bei ihm weiß man schließlich nie so richtig, in welcher Stimmung er ist. 

Heute habe ich allerdings das Gefühl, das er unglaublich genervt von mir ist. Und so langsam bin ich genervt von ihm. 

Seit einer halben Ewigkeit diskutiert er mit mir, und vermutlich wird es sich auf eine ganze Ewigkeit ausdehnen, wenn es so weiter geht. 

Zuerst durfte ich mir eine Standpauke über Silvester anhören. Ob ich denn verrückt wäre, nachts und im Winter draußen auf dem Balkon herumzuturnen und so weiter und so fort. Diese Predigt, die die erste Hälfte der halben Ewigkeit in Anspruch genommen hat, habe ich relativ teilnahmslos über mich ergehen lassen. Ich hab sie ja schließlich schon mehrfach von den Schnepfen gehört. Und sieh an, ich habe es überlebt. Also, sowohl die Nacht als auch die Predigten.

Die zweite Viertelewigkeit war ebenso uninteressant. Mal wieder fing er davon an, dass ich ja unbedingt zum Prothesenanpassen müsste, und mal wieder weigerte ich mich. Wie jeden Tag. Es war immer das gleiche, und sie gaben es einfach nicht auf. Ich persönlich habe Zeit, ich kann abwarten, wer den längeren Atem hat. 

"Hören Sie mir überhaupt zu?"

Ja, eindeutig genervt. 

"Nein.", antworte ich ehrlich.

Der Arzt seufzt abgrundtief und fasst sich mit Daumen und Zeigefinger an die Schläfen, eine eindeutige Geste der Verzweiflung. 

"Hören Sie.", fängt er an. "Ich verstehe, dass Sie jemanden an Ihrer Seite haben wollen-"

"Moment. Ich will nicht jemanden an meiner Seite. Ich will jemanden bestimmtes an meiner Seite, und das wissen Sie auch.", unterbreche ich ihn.

"Ja doch.", stöhnt er. So langsam wird es ihm glaub' ich zu viel mit mir. "Es ist folgendermaßen. Sie sind jetzt schon eine ganze Weile hier."

"Ich weiß. Ich war dabei.", entgegne ich unbeeindruckt.

Mühsam beherrscht fährt Doktor Park fort. "Sie waren, und sind, ein Spezialfall. Aber Sie sind faktisch gesehen wieder völlig gesund. Sie haben den richtigen Weg eingeschlagen, und wenn Sie den weitergehen, gibt es nichts, worum man sich Sorgen machen müsste. Das soll heißen, dass wir Sie eigentlich nicht länger hier behalten wollen und auch können.  Wenn Sie also diese Prothese wollen, dann müssen Sie heute zum Anpassen gehen, oder Sie müssen auf die nächste Gelegenheit warten, von der wir nicht sagen können, wann die kommt. Wir können nicht länger darauf warten, dass Sie ihre werte Meinung ändern. Entweder, Sie ziehen das heute durch, oder Sie verschenken die Möglichkeit. Das ist Ihre Entscheidung. Aber, bitte, treffen Sie sie möglichst bald."

Er klappt schwungvoll die Akte, die er in der Hand hat, zu, und wendet sich zum Gehen. Anscheinend ist die Ewigkeit damit jetzt beendet.

"Sie haben einen Termin heute Nachmittag. Vorausgesetzt, Sie entscheiden sich dafür.", sagt er noch über die Schulter, dann verschwindet er und schließt die Tür - etwas heftiger vielleicht, als nötig gewesen wäre.

Ich betrachte einen Moment die geschlossene Tür und lasse mir durch den Kopf gehen, was er eben gesagt hat. Dann krame ich mein Handy, das tatsächlich - man mag es kaum glauben - existiert, aus den Tiefen des Nachttisches. Ich habe es tatsächlich geschafft, den ewig leeren Akku wieder aufzuladen und mir von Jimin Taehyungs Handynummer geben zu lassen. Der ist zwar eh so gut wie nie erreichbar, aber man kann sein Glück ja mal versuchen. Und vielleicht kann er ja sogar, wenn ich ganz viel Glück habe, nachher zu dem Termin kommen. 

Ich suche seine Nummer aus den wenigen Kontakten heraus und öffne einen neuen Chat.

Du, 12:39
- Hey, Kleiner.

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