#6 Reminded

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* 6 Wochen später *

Meine nasse Jacke trocknet auf der Heizung des Aufenthaltsraumes vor sich hin. Ich befühle einen Ärmel. Nach wie vor kalt und klamm.
Mein Kittel hängt über meiner Stuhllehne, vor mir auf dem Tisch liegt ein halbgelöstes Kreuzworträtsel.

Ein Kollege und Freund von mir kommt in den Raum und bringt den Desinfektionsmittelgeruch des Krankenhausflures mit herein.

"Na, Aushilfe? Schon wieder faul am rumsitzen?", begrüßt er mich scherzend und läuft direkt zur Kaffeemaschine.

"Ich freue mich auch dich zu sehen, Jimin. Und nein, ich habe Pause. Ich darf das.", antworte ich ihm, ohne von meinem Rätsel aufzusehen.
Er werkelt an der Kaffeemaschine herum.

"Willst du auch nen Kaffee?"

"Ja, warum nicht...Mensch, gibt's doch nicht, dass das hier nicht aufgeht!", fluche ich vor mich hin.

Er klappert mit Tassen und stellt mir eine hin bevor er sich mir gegenüber setzt. Erst nippt er an seinem Kaffee, dann klaut er mir mit dem Kommentar "Lass mal den Profi ran." mein Rätsel. Seine Augen wandern über die Seite, und plötzlich fängt er an zu lachen.

"Du bist echt eine hohle Nuss!"

"Was ist denn jetzt los?!", frage ich. Er zieht mich gerne auf, das bin ich gewohnt.

"Hier...", er dreht das Rätsel zu mir um und deutet mit dem Kugelschreiber auf die Zeile, die nicht aufgeht. "Küchengerät mit sechs Buchstaben."

"Ja, und? Stimmt doch.", verteidige ich mich.

"Küchengerät mit sechs Buchstaben, und du schreibst da 'Löffel' hin. Dir ist schon klar, dass 'ö' im Kreuzworträtsel zwei Buchstaben sind?"

"Ohh..."

"Du bist echt eine Pfeife manchmal. Obwohl, nicht nur manchmal..." er streicht den falschen Löffel durch und schreibt in seiner schrägen Handschrift 'Messer' hin.

"Ich danke dir für deine Hilfe, großer Profi.", sage ich und nehme einen Schluck Kaffee.

"Gern geschehen, Aushilfe.", grinst er, krallt sich die Zeitung und schlägt die erste Seite auf. "Was ist das überhaupt für eine Zeitung? Kriegen wir hier nichts Aktuelles?"

"Wieso, was ist denn damit? Die lag hinten auf der Fensterbank..."
Er nennt mir übermäßig betont das Erscheinungsdatum. "Das Ding ist sechs Wochen alt! Das ist der absolute Schnee von gestern!"
Er schmeißt die Zeitung wieder auf den Tisch und steht auf, um sich für seine Schicht umzuziehen.

Sechs Wochen? Warum klingelt da was bei mir? Was war vor sechs Wochen...an diesem Datum...

Das Treffen bei meinem Kumpel in der Pampa und...

Der Unfall.

Natürlich, der Unfall.

Ich angle mir die Zeitung und schlage sie auf. Vom langen am-Fenster-liegen ist das Papier ziemlich ausgeblichen und raschelt beim Blättern.

Auf einer Seite springt mit plötzlich ein Bild ins Auge. Es ist ziemlich dunkel, man sieht die schemenhaften Umrisse von Bäumen und die kastige Silhouette des Rettungswagens, dessen Lichter die Szene etwas erhellen. Irgendjemand muss es aus dem Hintergrund aufgenommen haben. Im verschwommenen Lichtkegel sieht man Sanitäter und den am Boden liegenden Verletzten. Und wenn man ganz genau hinschaut, erkennt man, im Hintergrund, von den Sanitätern weggezogen - mich. Fast nahezu verschmolzen mit den Schatten und unkenntlich gemacht durch die schlechte Qualität des Zeitungsfotos. Aber ich weiß, dass ich da war, und die Erinnerung schießt mir wie ein heißer Pfeil durch den Kopf.

RacerOnde histórias criam vida. Descubra agora