Kapitel 50

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Parallel zur Straßenbahn erreiche ich den Bahnsteig und mache mich auf den Weg zu Leo. Es ist schon neun Uhr und bereits dunkel. Ich habe mir vorgenommen bei ihm Pizza zu bestellen, da er sicher hungrig ist.

Nachdem ich vorhin das Telefonat mit Leo beendet hatte, musste ich mir noch eine Predigt von Ben anhören wie falsch dieser Kontakt doch sei. Ich habe dann einfach vorgetäuscht, dass mir übel sei und wir unseren Plausch auf wann anders verschieben müssen. Mir war das echt zu doof.

Als ich wenige Minuten später den Fahrstuhl erreiche, der mich in das oberste Stockwerk bringen wird, fahre ich den Schriftzug der Praxis von Leo's Vater nach. Leo wird heute das erste Mal direkt damit konfrontiert und es tut mir wahnsinnig weh, dass er das durchmachen muss.

In der leeren und kühlen Wohnung schalte ich erstmal alle Lichter ein und lasse meine Tasche zu Boden gleiten. Im Wohnzimmer entdecke ich die Gebäudesteuerung und drehe erstmal die Heizung auf und schalte das Radio ein, um die erdrückende Stille zu übertönen. Leo's iPad liegt auf dem Couchtisch und ich verliere keine Zeit die Pizza zu bestellen. Ich habe extra mein Schlafzeug mitgebracht, nur für den Fall das er mich brauchen könnte. Oder ich ihn. Meine Alpträume hatte ich noch vor wenigen Wochen so gut im Griff, doch im Moment bin ich ein echtes Wrack.

Der Ton der aufgehenden Fahrstuhltüren reißen mich aus meinen Gedanken und ich renne ohne groß darüber nachzudenken auf den Fahrstuhl zu. Leo's Gesicht sieht furchtbar aus. Er lässt seinen Koffer fallen und rennt ebenfalls auf mich zu. Als wir uns erreichen, greift seine Hand heftig in meine Haare und zieht mich so nah an sich, dass mir fast die Luft wegbleibt. Doch genau das brauche ich jetzt. Brauchen wir jetzt.

Wir stehen gefühlt fünf Minuten im Flur und halten uns in den Armen, so fest wir können. Ehe sich Leo von mir zurück zieht und mein Gesicht in seine Hände nimmt. Dabei rinnen Tränen aus seinen Augen.

»Babe, es tut mir so leid. Ich liebe dich.«, sagt er so sanft und voller Liebe, dass ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten kann.

»Ich liebe dich auch«, gestehe ich und bekomme von Leo den liebevollsten Kuss, seitdem ich ihn kennengelernt habe.

Meine Haut ist von Gänsehaut überzogen, als er sich von mir löst und mich anblickt. Das Läuten der Türklingel reißt uns aus unserer angenehmen Stille.

»Wer ist das denn?«, stöhnt Leo genervt.

»Ich glaube nur der Pizzabote. Ich dachte du hast Hunger.«

Ein breites Grinsen schleicht sich auf Leo's Gesicht und er drückt mir einen Kuss auf die Stirn. »Habe ich.«

Leo öffnet dem Pizzaboten und bezahlt die Pizza direkt, sodass ich nicht mal Einwände hervor bringen kann. Dann setzen wir uns auf die Couch und verspeisen unsere Pizzen, als hätten wir Tage nichts gegessen. Naja haben wir ja auch nicht.

»Du hattest recht, Lucy.«, gesteht er leise.

»Womit?«, erkundige ich mich verwundert.

»Ich muss mich um die Dinge hier kümmern. Alles regeln. So schwer es auch wird. Du warst damals so stark und hast mir gezeigt, dass ich das auch sein kann. Danke!«

Ich schlucke schwer und bin so froh über seine Einsicht und darüber, dass er den ersten Schock halbwegs überstanden hat. Unsere Beziehung wäre daran fast zerbrochen.

Trotzdem habe ich das Gefühl, dass wir nach jedem Streit näher zusammenrücken. Aber das kann nicht auf Dauer so weitergehen. Er kann mich nicht bei Problem immer wegstoßen und alles auf's Spiel setzen. Das geht nicht und darüber müssen wir noch einmal sprechen.

»Hast du Lust auf einen Film?«, fragt mich Leo. Mit einem Bissen Pizza noch im Mund murmle ich ein ja und Leo macht sich auf die Suche nach einem passenden Film. Wobei mir ehrlich gesagt total egal ist was wir schauen, ich bin nur so froh bei ihm zu sein.

Er zieht mich in seinen Arm und schaltet einen Film ein. Dabei streichelt er mir die ganze Zeit meinen Rücken, ganz liebevoll und sanft. Nach nur ein paar Minuten verfalle ich in tiefen Schlaf, tiefer als in den vergangen Nächten.

»Lucy«, flüstert eine Stimme, doch ich bin nicht sicher, ob ich träume oder ob wirklich jemand mit mir spricht. »Hey, Lucy...« Ich spüre eine Hand auf meinem Rücken und schlage die Augen auf. Ich liege in Leo's Bett und er sieht mich mit erschrockenen Augen an.

»Was ist denn los?«, erkundige ich mich mit verschlafener Stimme. Leo hält sich mit einer Hand die Wange.

»Du hast um dich geschlagen. Hattest du wieder Alpträume?«, fragt er so sanft, dass sich mein Herz bei seinem Anblick zusammenzieht.

»Ich weiß nicht mehr. Habe ich dir weh getan?«, stelle ich schockiert fest und schäme mich direkt für mein unkontrollierbares Verhalten.

»Du hast mich erwischt, aber ich bin aus Stahl. Hauptsache dein Traum ist vorbei«

»Mhm...«, murmle ich und Leo zieht mich an seine Brust. Meine schnelle Atmung verlangsamt sich wieder und wir verfallen schnell wieder in den Schlaf.

Faces - Enough for love?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt