Kapitel 1

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Ein schrilles Geräusch dringt durch meine Ohren und lässt mich unsanft aufwachen. Es ist der Wecker der mich daran erinnert, mich für die Universität vorzubereiten. Mein Kopf dröhnt. Ich habe Kopfschmerzen. Zu allem Übel vibriert jetzt auch noch mein Handy direkt unter meinem Kopf. Ich habe es gestern Abend wohl unter meinem Kopfkissen vergessen. Es ist eine WhatsApp-Nachricht von Hannah, meiner besten Freundin:

Hannah, 07:53 Uhr
Lucy, geht es dir gut?
Treffen wir uns vor der Uni?

Erst jetzt beginne ich mich verschwommen an die vergangene Nacht zu erinnern. Es war einer dieser typischen Studentenpartys mit viel Alkohol und lauter Musik über die sich die Nachbarn stets beschweren. Ich bin eigentlich nicht das Mädchen, das ständig auf Partys abstürzt, aber genau das war gestern der Fall. Bei dem Gedanken an den letzten Ouzo wird mir schlecht. Ein Blick zur Uhr erinnert mich daran, dass ich langsam aufstehen sollte.

Schnell simse ich noch zurück, damit sich Hannah keine Sorgen macht:

07:55 Uhr
Mir geht es gut, ich bin auf dem Weg!

Hannah und ich sind Freunde seit dem ersten Semester. Direkt als wir uns kennenlernten haben wir uns geschworen immer gut aufeinander aufzupassen und daran haben wir uns seitdem gehalten. Seit zwei Jahren studieren wir nun schon zusammen Public Relations und gehen durch dick und dünn. Wobei ich echt behaupten kann, dass unser Studentenleben ziemlich langweilig ist.
Um nicht zur spät zur Uni zu kommen, entscheide ich mich kurzerhand für eine Dusche, um wieder halbwegs auf die Beine zu kommen. Ganz im Gegensatz zu Hannah die liebend gern in einer WG wohnt und den Trubel braucht, bevorzuge ich meine eigene kleine Wohnung. Ich genieße es nach der Uni nach Hause zu kommen und niemanden vorzufinden der meine Wohnung verwüstet, zu laut Musik hört oder sich an meinem Kühlschrank bedient.
Ich bin eben ein absoluter Einzelgänger!

Nachdem ich meine langen braunen Haare geföhnt und zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden habe, springe ich schnell in meine Jeans und ziehe ein dunkelblaues T-Shirt mit der Aufschrift unserer Uni über. Ich entscheide mich für bequeme Sneakers, schnappe mir meinen Rucksack und mache mich mit dem Rad auf den Weg zur Uni.

Es ist ein lauer Sommertag der mich sofort in seinen Bann zieht. Fast vergesse ich während meiner Fahrt zur Uni die Spuren des gestrigen Abends und meine pochenden Kopfschmerzen. Ich entscheide mich den Tag etwas langsamer angehen zu lassen und mir heute ein leckeres, süßes Brötchen vom Bäcker zu gönnen. Denn sonst achte ich eigentlich sehr auf meine Ernährung. Eine vegane Ernährung muss es nicht gerade sein, aber schon gesund und ausgewogen. Natürlich habe auch ich mit meinem Problemzonen zu kämpfen und bin kein Hungerhering. Daher versuche ich auf meine Ernährung zu achten und ab und an auch mal Sport zu treiben.
Ich radle an dem großen See vorbei, der nur wenige Meter von meiner Wohnung entfernt ist, und atme tief ein. Die Sonne wärmt meine Haut und ich freue mich auf Hannah und mein neues Lieblingsfach Unternehmenskommunikation. Ich entdecke, dass die nächste Ampel grün ist und gebe aufgrund der knappen Zeit ein bisschen mehr Gas. Mitten auf der Straße spüre ich, wie mich etwas am Hinterreifen berührt. Es knallt und mein Fahrrad reißt mich mit sich. Das Rad rutscht noch ein paar Meter weiter, ich falle vorher zu Boden. »Verdammt!«, brülle ich genervt. Ich spüre den bereits vom Alkohol pochenden Kopf und Schmerzen in meinem rechten Ellenbogen. Ein Autofahrer war unaufmerksam gewesen und hat mich angefahren. Der Morgen könnte also fast nicht besser laufen, denn nun komme ich zu spät zur Uni.
Ein Mann steigt aus dem Wagen und rennt auf mich zu. »Geht es Ihnen gut? Oh mein Gott. Das tut mir unendlich leid. Ich habe Sie einfach übersehen!«
Ich grummle vor mich hin – zu mehr bin ich aktuell nicht im Stande.

»Kommen Sie erstmal zur Seite. Können Sie aufstehen?«, erkundigt sich der Mann. Noch nicht in der Lage mich irgendwie zu bewegen, sehe ich aus dem Augenwinkel wie sich ein schwarzes Auto der Unfallstelle nähert, die aktuell die Straße blockiert. Es ist ein schwarzer Ferrari, ein ziemlich neues Modell. Trotz meines Unfalls kann ich dies sofort erkennen. Schnelle Sportwagen sind genau mein Ding und wenn mir etwas mehr Geld zur Verfügung stehen würde, wäre ich sicherlich im Besitz von mehreren. Schnelle und rasanten Fahrten finde ich einfach unglaublich anziehend – vielleicht auch wegen des Sounds und dem Adrenalinkick, wenn der Turbo einen in den Sitz drückt.

Der Fahrer des Sportwagens fährt dicht an die Unfallstelle heran, schiebt seine vermutliche Designersonnenbrille etwas nach vorn und fährt sein Fenster herunter:
»Entschuldigen Sie bitte! Ich muss ins Büro. Würde es Ihnen etwas ausmachen die Straße zu räumen? Es ist doch nichts Wildes passiert«, gibt der Ferrari-Fahrer preis.

In diesem Moment kann ich mich vor Wut nicht mehr halten. Nicht nur das der Morgen schon anstrengend genug war, nein jetzt wurde man angefahren und fällt dann noch verwöhnten Luxusbanausen zur Last. Wutentbrannt stehe ich auf und schreie den Ferrari-Fahrer ohne groß nachzudenken an:

»Na hören Sie mal, Sie Schnösel! Ich wurde gerade angefahren. Da wird man doch mal zwei Minuten bekommen sich wieder etwas zu fangen!«

Indem ich das letzte Wort ausspreche, merke ich wie alles um mich herum verschwimmt. Meine Beine geben nach und ich falle ungebremst zu Boden.

Faces - Enough for love?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt