Kapitel 30

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Noch völlig erschöpft zwinge ich mich langsam die Augen aufzuschlagen. Die Sonne ist bereits aufgegangen und erhellt das Schlafzimmer mit ihren Strahlen. Neben mir nehme ich Bewegung war und sehe wie Leo auf der Bettkante sitzt und sich nervös im Nacken kratzt.

»Hey...«, flüstere ich. »Alles ok bei dir?«

»Ja klar, ich muss nur viel erledigen heute.«

Sein Blick ist kühl und zurückgezogen, als er aufsteht und ohne ein weiteres Wort den Raum verlässt. Mein Herz zieht sich zusammen und ich fühle mich mal wieder wie benutzt und abgestellt – keine Seltenheit. Ich schlüpfe in ein dunkelblaues Hemd von Leo, welches auf der Sessellehne hängt. Meine Anziehsachen sind nämlich vermutlich noch auf der Terrasse.
Ich gehe den Flur entlang und erreiche den Wohnbereich. Leo steht gedankenversunken hinter der Theke, surft auf seinem Laptop und trinkt dabei einen Kaffee.

»Magst du auch einen?«, fragt er und hält dabei die Kaffeetasse hoch.

»Ja, gern.«

Leo dreht sich um und beginnt mir einen Kaffee aus seinem High-Tech-Gerät zu ziehen.

»Hier, bitte. Ich muss gleich ins Büro. Es gibt einen Vorfall auf einer Baustelle. Soll ich dich vorher noch irgendwo absetzen?«

»Ähm, nein schon gut. Ich nehme unten die Bahn.«

»Okay...«

Ich kann sein Verhalten nicht verstehen und es verletzt mich, dass er so kühl zu mir ist.

Daher beschließe ich seinem Wunsch nachzukommen, sammle meine Klamotten von der Terrasse auf und mache mich kurz im Bad frisch.

Auch dieses Badezimmer sieht natürlich unglaublich toll aus. Die dunkle bodenebene Dusche ist so groß, das sicher einige Leute gleichzeitig duschen könnten. Auch der Boden und die Wände sind dunkel. Lediglich das Waschbecken und die Toilette setzen sich davon ab.

Schnell knote ich meine Haare zusammen und verlasse das Bad. Resigniert trotte ich wieder in die Küche um mich von Leo zu verabschieden und bleibe dabei ganz Bewusst auf Abstand.

»Ich gehe dann mal«, sage ich geknickt.

»Okay. Und nimm mich bitte von deiner Blockiert-Liste, damit ich dich kontaktieren kann.«

Ich zwinge mir ein Grinsen ab und verlasse die Wohnung. Im Fahrstuhl angekommen sinke ich traurig an die Wand. Es wird einfach nie was werden. Es wird niemals normal sein. Resigniert drücke ich auf den Knopf für das Erdgeschoss und der Fahrstuhl setzt sich in Bewegung.

Als sich die Türen öffnen steht niemand anderes vor mir als die bei mir hochbeliebte Lynn.

»Na sieh mal einer an, wenn das nicht die kleine Prinzessin ist...«, sagt sie abschätzig und lässt wie immer ihren Blick an mir hinunter wandern. Ich bin unsicher was ich darauf antworten soll und starre sie nur an.

»Wo warst du? Zur Nachsorge bei Prof. Dr. Heine?«, fragt Sie neugierig. Leichte Frage, denke ich und schmunzele sie an: »Ich war über Nacht bei Leo«
Dabei recke ich ganz bewusst das Kinn ein wenig in die Höhe

Wütend funkelt sie mich an. »Achja? Das ist ja interessant. Naja, wir sehen uns. Ich muss arbeiten«, entgegnet sie kühl und steigt in den Aufzug.

Was war das denn bitte? Wieso tat sie denn so überrascht? Leo meinte doch, er hätte sie rausgeworfen. Völlig durcheinander fahre ich in die Uni.

Auch nach mehreren Rückfragen von Hannah, konnte ich ihr einfach nicht die ganze Story erzählen. Ich war schon wieder auf Leo reingefallen und habe mich komplett für ihn verbogen. Kurzerhand beschließe ich ihn nach der Uni bei ihm zu Hause zur Rede zu stellen und ihn zu fragen, was das alles bedeuten soll.

...

Als ich das Haus von Leo erreiche, spüre ich wie ich zunehmend nervös werde. Mein Bauch grummelt und ich merke, dass ich heute noch gar nichts gegessen habe, so sehr war ich in Gedanken versunken. Mist, dass kann so nicht weiter gehen! Entschlossen erreiche ich den Fahrstuhl und fahre in das 14. Stockwerk. Oben angekommen nutze ich die Klingel-Funktion im Fahrstuhl, da mir der Code zum Öffnen der Tür fehlt. Es passiert nichts.

Möglicherweise ist er ja im Büro, denke ich mir. Ich versuche es noch einmal und drücke auf die Klingel, als mir auf einmal Lynn nur in Leos dunkelblauem Hemd bekleidet, ja ganz richtig, das was ich heute Morgen anhatte, die Tür öffnet. Schockiert starre ich sie an, während sich auf ihrem Gesicht ein Grinsen abzeichnet.

»Ähm... ähh«, stottere ich. »Ist Leo da?«
Und mir zerreißt es das Herz - schon wieder. Ich kämpfe gegen die aufsteigenden Tränen an.

»Leo, kommst du mal? Deine Prinzessin ist hier«, ruft Lynn durch die Wohnung.

Hinter ihr taucht auf einmal Leo auf und ihm ist der Schock ins Gesicht geschrieben.

»Lucy, was machst du hier?«, fragt er verblüfft.

»Ich... ich... wollte mit dir sprechen. Aber anscheinend bist du ja anderweitig beschäftigt. Sagtest du nicht ich wäre die Erste? Du verarschst mich doch«, keife ich  und drücke direkt wieder den Knopf fürs Erdgeschoss. Zum Glück habe ich den Fahrstuhl nicht verlassen. Leo sieht zu Boden als sich die Türen schließen.

»Scheiß Feigling!«, schreie ich und schlage auf die geschlossene Fahrstuhltür die sofort vibriert. Tränen steigen mir in die Augen und kenne nur noch meinen Fluchtweg nach Hause.

Faces - Enough for love?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt