Kapitel 40

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»Wohin fahren wir denn jetzt?«, frage ich etwas neugierig vom Beifahrersitzt. Leo hat mich in seinen Jeep verfrachtet und grinst mich seitdem nur fröhlich an. Diese Fröhlichkeit macht mich komischerweise ziemlich unruhig.

»Lass dich doch mal überraschen!«, entgegnet Leo flötend.

Kurze Zeit später kann ich aufgrund der Verkehrsschilder schon erahnen wohin es gehen soll.
»Zum Flughafen?«, frage ich mit etwas Verwunderung. Nicht das ich keine Lust auf einen Kurzurlaub hätte, es ist eh Wochenende und ich habe noch keine Klausuren, da das Semester erst wieder begonnen hat. Aber trotz dessen bin ich verunsichert. Ich meine, wir haben die offenen Punkte noch nicht geklärt. Er hat mir nicht beantwortet was mit Lynn gerade abgeht oder was er mit ihr vereinbart hat. Wenn ich alleine an die Situation in der vergangenen Woche in der Tiefgarage denke werde ich stinksauer.

»Zum Flughafen.«

»Aha. Und dann?«, versuche ich neugierig herauszufinden.

»Müssen wir vermutlich einen Parkplatz suchen und durch das Terminal zu unserem Flugzeug gehen«, stellt Leo klar.

»Mhm....Okay!«

»Okay?«

»Ich lass mich überraschen. So wie du es wolltest.«

»Fein!«, nickt Leo mir belustig zu.

Wir erreichen die Sicherheitskontrolle. Leo hat vermutlich schon online eingecheckt, sodass wir keine Tickets mehr am Schalter holen müssen.

»Wo sind denn die Tickets?«

»Auf meinem Handy.«

»Wie geht das denn?«

»Äh... Lucy? Willkommen im Jahr 2017!«, prustet er los.

Ich habe wirklich keine Ahnung, dass man inzwischen die Flugtickets schon auf dem Handy haben kann. Wir passieren die Kontrollen und Leo hält dem Kontrolleur sein Handy hin. Das bedeutet, dass ich selbst nach der ganzen Sicherheitskontrolle nicht weiß, wohin es geht.

»Wir haben noch etwas Zeit, bevor der Flug losgeht. Brauchst du noch etwas?«, erkundigt sich Leo sorgsam.

»Nein, eigentlich nicht. Danke.«

Wir haben es uns auf ein paar Sitzbänken bequem gemacht, da Leo noch nicht zum Gate gehen wollte, um mich möglichst lange im Dunkeln zu lassen. Auf einmal kreuzt eine Angestellte des Flughafens meinen Blick und kommt direkt auf mich zu.

»Entschuldigen Sie, Madame. Ist das ein Gipsarm?«

Völlig perplex was die Frau von mir möchte entgegne ich: »Äh...Ja. Ich habe mir den Arm gebrochen.«

»Nun, dass tut mir Leid. Aber damit dürfen Sie nicht fliegen.«

»Äh... Und wieso bin ich dann durch alle Kontrollen bis vor das Gate gelangt?«

»Nun ja, da waren die Kollegen wohl weniger aufmerksam. Wenn Sie mir bitte folgen würden.«

Leo räuspert sich und schaut die Angestellte mit seinen funkelnden Augen an. »Aber da wird sich doch etwas machen lassen, oder?«

»Nein, tut mir leid. Vorschriften sind Vorschriften.«

»Hören Sie mal, wir sind durch alle Kontrollen durch. Unser Flug geht gleich. Bitte halten Sie uns nicht auf!«

»Keine Chance. Sonst hole ich das Sicherheitspersonal.«

»Wissen Sie eigentlich wen Sie hier vor sich sitzen haben? Mein Name ich Prof. Dr. Heine und ich bin auf dem Weg zu einem Ärztekongress. Ich weiß nicht, ob Ihnen das nicht bewusst ist, aber ich rette Leben. Frau Richter neben mir ist meine Patientin. An ihrem Beispiel werde ich auf dem Kongress höchstpersönlich über neumoderne Operationsmethoden für Frakturen referieren. Also falls Sie es schriftlich brauchen, dass Frau Richter hier einen dehnbaren ebenfalls neumodernen Gipsverband trägt, der sich auch dem Druck in der Luft anpassen wird und nicht ausdehnt, dann erledige ich das gerne.«

Nicht nur die Angestellte, sondern auch meine Wenigkeit schaut Leo verblüfft an. Himmel woher kann er nur diesen Fachjargon?

»Ach, wenn das so ist«, stottert die Dame »Dann können Sie natürlich fliegen. In ärztlicher Begleitung. Ich wünsche Ihnen viel Spaß.«

Nickend verabschiedet Leo sich von der Angestellten die nun schnurstracks ihren Rückzug antritt.

»Leo? Woher weißt du das alles? Und wieso hast du dich als dein Vater ausgegben?«

Resigniert schaut Leo zu Boden. Habe ich etwas falsch gemacht? Oder irgendetwas angesprochen, was nicht in Ordnung ist? Er kann mich echt innerhalb von Sekunden so verunsichern, dass ich nicht mehr meinen eigenen Namen buchstabieren kann.

»Lucy, ich habe mich für niemanden ausgegeben. Ich bin Facharzt für Chirurgie. Genau wie mein Vater. Und habe auch eine Professur abgelegt.«

Schockiert über diese neuen Infos starre ich ihn an.

»Bitte was? Du bist Arzt? Wieso... Wieso hast du nichts gesagt? So ein toller Beruf!«

»Fang du nicht auch noch an...« Leo beginnt seinen Kiefer zusammenzupressen und ich kann erahnen, dass das Thema ihn beschäftigt.

»Sprich mit mir«, ermutige ich ihn.

»Ich habe all das nur für meinen Vater getan. Weil er es so wollte. Nicht weil es mein Traum war. Nachdem meine Mutter uns verlassen hatte, hatte ich ja nur noch ihn.«

»Du hast das alles deinem Vater zu liebe getan?«

»Ja. Viel zu spät habe ich erkannt, dass der Traum meines Vaters nicht meiner ist. Was meinst du wie schwer es war, ihm das zu beichten?«

Mitfühlend lege ich meine Hand auf seinen Arm. »Ja, das kann ich mir vorstellen. Aber wieso bist du soweit gekommen, wenn es dir gar keinen Spaß macht? Tut es das vielleicht doch?«

»Darüber habe ich noch nie nachgedacht, Lucy. Bitte lass uns über etwas anderes sprechen. Und wir müssen jetzt los zum Gate.«

»Kein Privatjet?«, scherze ich um die Stimmung wieder etwas aufzulockern.

»Doch. Na klar. Aber mit dem ist Dad gerade unterwegs.«

Ich habe keine Ahnung, ob dies wahr ist oder nicht. Aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass die Familie über einen Jet verfügt. Als wir bei dem Gate ankommen und ich die Destination entdecke springe ich auf und falle Leo voller Euphorie um den Hals.

»Leo! Das ist der Wahnsinn! Ich wollte dort schon immer mal hin.«

Sanft zieht Leo meine Hände aus seinem Nacken und legt sie sich auf die Brust. Er schaut mich so voller Glück und Zuversicht an, dass ich gerade glaube wir können alles schaffen. Dann treffen seine Lippen auf meine und der Moment ist ausnahmsweise mal perfekt.

Faces - Enough for love?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt