Suchende Reisende

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Ich stand am Brunnen und zog gerade an dem Seil, als ich Schritte hinter mir hörte. Als ich mich umdrehte sah Leander auf mich zu kommen. Schnell zog ich den Eimer nach oben und füllte das Wasser um. Ich war gerade fertig und wollte losgehen, einfach nur weg von ihm. Doch er kam mir zuvor. Er streckte seine Hand nach mir aus und hielt mich am Arm fest: „Emma warte mal." Ich blieb stehen sah ihn aber nicht an. „Warum läufst du vor mir weg?" Ich schloss die Augen und befreite mich dann aus seinem Griff, ohne ihn anzusehen oder etwas zu sagen stand ich dort. „Was ist los, du bist mir die letzten Tage aus dem Weg gegangen, wieso?", er kam noch einen Schritt auf mich zu. Ich biss die Zähne zusammen und schluckte um das Gefühl des Unwohlseins zu unterdrücken. Dann ging ich ohne ein Wort zu sagen weiter. Leander ließ ich einfach hinter mir stehen. Es war nicht fair und das wusste ich auch. Aber ich schaffte es nicht. Jedes Mal wenn ich ihn sah wusste ich nicht mehr was ich sagen sollte oder wie ich mich zu verhalten hatte. Ich kam mir schuldig für seine Wunden vor. Aber was war passiert? Konnte sich Leander erinnern? Ich rannte zum Haus und stellte das Gefäß vor die Tür, dann lief ich einfach weiter. Weg von dem Haus, weg von Hyo, Nini, Aki und all ihren Fragen. Ich schloss die Augen und verwandelte mich in meine andere Form. Mein Körper wurde von einem warmen Gefühl durchflutet und ich spürte wie er sich veränderte. In meiner Tigergestalt lief ich einfach nur weiter. Stumpf gerade aus. Ich wusste nicht wieso aber ich rannte davon. Warum konnte ich mich nicht einfach meinem Problem stellen. Mit der Zeit würde ich ihm so wieso nicht mehr entgehen können. Abseits des Dorfes blieb ich stehen. Ich hörte Rosenbluts Rufe in mir, bis es plötzlich bei mir war. Ich hatte mich zuerst erschrocken, doch dann erinnerte ich mich an das was mir im schwarzen Mond erklärt wurde. Ein Schwert ist immer bei seinem Träger und wird ihm bei zu großer Entfernung hinterher teleportiert. Ich sah mich um. Hier war weit und breit nichts zu sehen, ich hatte meine Ruhe. Ich verwandelte mich zurück und setzte mich auf den Boden. Wie wollte ich es anstellen? Wie wollte ich zurück zu den anderen gehen? Was wollte ich Leander erklären? Wie würde es jetzt überhaupt weiter gehen? Wie würde ich zurück nach Hause kommen? Würde Leander auch wieder auf die Erde zurückkehren? Würde ich Hyo und Nini nie wieder sehen, wenn ich diesen Planeten verließ? Ich legte mich hin und sah in den Himmel. Es war schon seltsam, wie ich so die Wolken vorbei ziehen sah, könnte ich denken ich läge bei uns im Garten. Ich schloss die Augen und genoss die Sonne.

Ich richtete mich wieder auf. Wenn ich noch länger weg bleiben würde, würde sich Aki nur wieder aufregen. Kaum zu glauben, dass sie gerade mal ein Jahr älter als ich war. Ich machte mich auf den Weg zurück zum Haus. Langsam ging ich durch die Gassen des Dorfes. Da meinte ich etwas zu hören. Ich blieb stehen. „Lasst sie los, nein!", es war die Stimme eines Mädchens. Ich erschrak, als ich sie erkannte, es war Ahri. Ich schloss die Augen und versuchte herauszufinden, wo sie war. Sie klang verzweifelt und ich spürte ihr aufgewühlte Seele auch ohne nach ihr zu suchen. „Ahri, lauf weg." Wessen Stimme war das? Ich hatte sie noch nie zuvor gehört aber ich hatte trotzdem das seltsame Gefühl die Person zu kennen. „Los schnapp sie dir. Lass sie nicht entwischen!", ich vernahm den Befehl eines Mannes. Seine Stimme war kräftig und hart. Als ich ein paar Gassen weiter einen Schrei hörte rannte ich los. Ich lief durch die Gassen. Als ich um eine Ecke lief stieß ich mit jemandem zusammen. Eilig rappelte ich mich auf. „Ahri?!", ich sah auf das Mädchen hinab. Mit verweintem Gesicht saß sie vor mir. „Emma, hilf mir! Sie haben Fiona.", die Tränen rannen ihr Gesicht hinunter. Ich sah in die Ferne. Die Stimme hatte also zu Fiona gehört!" Ich ballte meine Hände zu Fäusten. Dann rief ich den Tiger in mir hervor und verwandelte mich. „Los spring auf.", bestimmt sah ich Ahri an. So konnte sie keinen Schritt mehr laufen. Irritiert sah sie mich an, doch dann beeilte sie sich. „Wo war es?". Ahri atmete tief ein. Dann zeigte sie mit dem Finger in die Ferne. Ich nickte und rannte los. Ahri krallte sich in mein Fell und lies nicht los. „Es waren Sklaveneintreiber, sie haben uns überrascht. Erst hatten sie mich gefangen, aber Fiona hat mich befreit. Ich konnte entkommen, aber sie haben sie gefangen genommen.", sie schluchzte. „Es waren drei Männer." Ich stürmte durch die schmalen Gassen, bis wir an einem kleinen Platz angekommen waren. Hektisch drehte ich mich suchend um, doch hier war keiner mehr. Ahri fing auf meinem Rücken wieder an zu weinen: „Sie sind weg." Ruhig blieb ich stehen: „Es ist ok, Ahri, wir finden sie." Ie versuchte sich zusammen zu reißen: „Ja.", sie schloss die Augen. „Was machst du da?", schielte ich über meine Schulter. „Ich suche sie." Überrascht weitete ich die Augen: „Du kannst sie spüren?" Ahri nickte nur. Dann zeigte sie erneute in eine Richtung: „Da lang, sie sind noch nicht weit gekommen." Ich nickte und machte auf der Stelle kehrt. Ahris Augen waren noch immer geschlossen. Doch dann kniff sie sie immer fester zusammen. „Was ist los?", ich blieb stehen. Ich wusste nicht, wo ich nun lang sollte. Ahri öffnete die Augen: „Ich habe sie verloren." Ich sah mich zu ihr um: „Wie hast du sie gespürt." Ahri seufzte: „Ich kann ihre Seele spüren." Ich horchte auf. Ich schloss die Augen: „Ich helfe dir." Ich spürte Ahris Verwunderung: „Wie? Mama hat gesagt, dass andere das nicht können." Ich lachte: „Ja, dass habe ich auch gehört, aber wie es scheint gibt es ein paar Ausnahmen." Ich kniff die Augen fest zusammen. Ahri nickte: „Gut." Sie schloss wieder die Augen: „Fionas Seele ist nicht immer einfach zu finden, sie versteckt sie gerne, aber wenn man sie gefunden hat verliert man sie eigentlich nicht wieder." Ich fand mich in der Seelenwelt wieder. In meinem Ohr hörte ich Ahris Stimme: „Such nicht nach ihrer Hülle, such nach ihrem Kern." Ich konzentrierte mich und suchte immer und immer weiter. Doch je mehr ich suchte, des so mehr verlor ich die Hoffnung sie zu finden. Wieso konnte ich sie nicht spüren. Soweit konnte sie doch gar nicht sein. Ich blendete alle anderen Seelen aus und suchte nur nach ihrer. Suchte nur nach dem Adler, den ich einmal zuvor gespürt hatte. Doch ich fand sie nicht. Dann hörte ich plötzlich Ahris Stimme: „Ich hab sie!". Vor mir schoss ein gelber Strahl durch die Luft. Ich lief ihm hinterher. Und dann sah ich sie. Ich spürte Fionas Seele, wenn auch nur schwach. Ich versuchte näher an sie heran zu kommen und baute die Verbindung immer weiter aus. Ich ließ Rosenbluts Licht durch die Schwärze der Seelenwelt strahlen und mir den Weg erleuchten bis ich der Meinung war, dass die Verbindung stabil war. Schnell öffnete ich wieder die Augen und rannte los. Ahri klammerte sich auf meinem Rücken fest an mein Fell. Ich spürte ihre Seele. Sie war warm und gab mir Kraft. Sie trieb mich voran und zog mich gleichzeitig zu Fiona hin. Ich meinte in meinem Kopf ihre Stimme zu vernehmen: „Halt durch Fiona, ich komme." Und dann meinte ich etwas zu hören. Wie ein Adler Schrei hörte ich Fionas Seele in der Ferne nach ihrer Freundin rufen.

Der rote MondWhere stories live. Discover now