Kapitel 53 - Estelons Sicht

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Gerade als ich mein Gemach verlassen wollte, erhaschte ich einen Blick durch dem Fenster, welches in der Nähe der Tür war. Genervt seufzte ich auf, meine Augen rollte ich, ohne dass ich etwas dagegen tun konnte. Ich lief zu dem Fenster, öffnete dieses und lehnte mich mit Hilfe des Fensterbrettes ein wenig hinaus, um diesen verdammten Kerl an der Seite Melwens zu betrachten.

"Ihr solltet wissen, dass ich Eure Mutter kenne. Eine ausgezeichnet hübsche Elbin, doch als ich Eure Schönheit sah, wurde mir für eine kleine Zeit schwarz vor Augen, weil ich so geblendet von Euch war", hörte ich die Stimme Turgons sagen. Angespannt biss ich meine Zähne zusammen und ballte meine Hände zu Fäusten, als ich sein süffisantes Grinsen sah. Wie konnte er es wagen sie so anzusprechen, wenn er sah in welch einem Gemüt sie sich momentan befand? Selbst jeder Blinde würde bemerken, dass mit der Tochter Galadriels etwas nicht stimmte. "Schade finde ich, dass Ihr bis jetzt noch kein einziges Wort sagtet. Kann ich Euch irgendwie dazu bringen, Eure Stimme zu zeigen? Oder seid Ihr etwa... geheimnisvoll?" Ich stöhnte genervt auf, drehte mich mit Schwung zur Tür und verließ mein vorübergehendes Zimmer. Ich war nicht dazu gewillt auf eine trauernde Elbin aufzupassen, einige Sachen erschienen mir viel interessanter als ein Aufpasser zu spielen, wenn es da noch ihre anderen Aufpasser gab. Ich hatte keinerlei Probleme mit Melwen, ich akzeptierte sie und hatte ihr gegenüber Respekt, allerdings vermied ich es mit solchen Trauerfällen, wie sie, in Kontakt zu treten. Ich war ein Krieger und keiner dieser verdammten Seelsorger.

Meine Schritte waren schnell und leise, vorsichtig lief ich den Gang entlang und wich jeder Person aus, die mir entgegen lief. Ich wollte gerade nach links abbiegen, als ein Jemand meinen Namen rief und mich somit zum Halten zwang. Erneut verdrehte ich genervt meine Augen, ohne hinzusehen wusste ich, dass es Aragorn war. Ich hatte ihn schon an seiner Stimme erkannt, außerdem so wie die Schritte erklungen, konnte es nur dieser Dúnedain sein. "Was gibt es, Aragorn?", fragte ich ihn ein wenig ungeduldig. Ich wollte nicht, dass Turgon noch weiterhin Melwen mit seiner Schleimerei belästigte. Es würde nicht gut für ihn ausgehen, dessen war ich mir sicher. Nicht, dass es mich interessieren würde, wenn Turgon etwas geschehen würde, allerdings würde es besonders katastrophal sein. Entweder würde Turgon sich wie ein kleines, jammerndes Kind zurückziehen, oder er würde so tun, als würde es ihn nicht interessieren und noch schlimmer weiter machen.

Aragorn lief locker zu mir, vor mir blieb er stehen, abwartend musterte ich ihn. Er hatte sowohl seine Rüstung, als auch seine Waffen abgelegt. Außerdem war er frisch gewaschen, jegliche Spuren von der Reise waren wie weggezaubert. In seinen Händen hielt er einen Brief, mit dem Siegel des Düsterwaldes. Fragend hob ich eine Augenbraue, sah den Waldläufer an, als er ihn mir reichte. "Es kam eine Nachricht für dich an. Von Thranduil", erklärte mir mein Gegenüber.

"Von Thranduil?", wiederholte ich murmelnd, nahm ihm den Brief ab und blickte ihn mir einen Moment genauer an. Durch das dünne Papier erkannte ich die ordentliche Schrift des Königs, einige Falten befanden sich bereits auf den gelblichen Seiten. "Ich danke dir, allerdings habe ich im Moment keine Zeit. Falls du dich fragst wieso, ich muss eine trauernde Elbin davon abhalten, den Truchsess Gondors in einzelne Stücke zu reißen." Leicht nickte ich ihm zu, bevor ich mich wieder umdrehte, um zügig meinen Weg nach draußen fortzuschreiten. Hinter mir vernahm ich nur ein fragendes Murmeln, dann Schritte, die mir folgten. Als ich draußen angelangt war, erkannte ich auch schon die silbernen Haare Melwens aus der Ferne. Ihre blasse Haut war ein starker Kontrast zu der dunklen Kleidung die sie trug, die feinen, tiefschwarzen Linien auf ihren Armen, Händen und ihrem Hals schienen in dem Licht des Mondes einen Schatten auf ihrer Haut zu haben. Neben ihr sah Turgon wie ein kompletter Idiot aus, selbst wenn Melwen sich nicht mal angestrengt hatte, so auszusehen wie sie es gerade tat. Ich hatte absolut keine Ahnung, wieso verdammt noch mal Turgon es sich so sehr zur Aufgabe machte bei der Elbin anzukommen, vor allem in diesem Zustand, in dem sie sich gerade befand. Selbst ich spürte aus der Ferne schon ihre Macht, die einen gleich ein wenig unwohler fühlen ließ, da man wusste, dass man mit einem falschen Wort dran sein konnte. Gemischt mit ihrer Trauer war all das keine gute Mischung. Sie hatte ihre Fäuste geballt, ihr Kiefer hatte sich angespannt und ihre Augen wurden schmaler. Kurz bevor ich bei ihnen ankam, hatte Melwen sich ruckartig zu dem Truchsess gedreht und ihm ihre Faust ins Gesicht geschlagen. Ein Schrei entfuhr ihr, ein Schrei voller Emotionen, der mir beinahe Gänsehaut bereitete. Überrascht blieb ich stehen, sah zu der Silberhaarigen, die einen Schritt zu dem Menschen machte und ihn voller Kraft von sich schubste. Er stolperte sehr weit nach hinten, sein Rücken war nun an dem Zaun aus Stein gepresst, hinter ihm war ein etwas höherer Abstand zum Boden. Turgons Augen waren weit aufgerissen, Schweißperlen machten sich auf seiner Stirn sichtbar, Blut lief ihm aus der Nase und von seinen Lippen die aufgeplatzt waren. Melwen lief auf ihn zu, legte ihre rechte Hand um seinen Hals und drückte ihn nach hinten, während sie ihn warnend ansah.

"Ich warne dich", hörte ich zum ersten Mal seit Tagen ihre Stimme wieder. Sie war rau und leise, aber dennoch durchdringlich. Sie verstärkte den Griff um seinen Hals, vergebens versuchte Turgon sich von Melwen zu befreien. Seine Arme wedelten in der Luft, bis er seine Hände schließlich um Melwens Arm legte, diesen von sich drücken wollte. Ich sah Melwens Arm zittern, ihre Haltung zeigte, dass sie kurz davor war Turgon fallen zu lassen.

"Melwen! Melwen, hör auf!", rief Jemand neben mir, langsam ließ ich meinen Blick neben mich gleiten. Wie es kommen musste, wurde sie natürlich unterbrochen, obwohl mir der Anblick unglaublich gut gefiel. Ich mochte Turgon noch nie und einige Lektionen würden ihm auch nicht weh tun, denn diese waren unbedingt nötig. Aragorn war mir gefolgt, der Ausdruck des Schocks hatte sich auf sein Gesicht gelegt, aber ebenfalls war auch eine gewisse Erleichterung zu sehen. Melwens Kopf drehte sich in unsere Richtung, sofort sah man ihr an, in welcher emotionalen Lage sie sich befand. Ihr Körper zitterte, ihre Augen waren mit Tränen gefüllt, aber dennoch erkannte man diese unglaubliche Wut, diese Frust, die sich in ihr Platz machte. Sie sagte nichts, musterte uns stumm und drückte Turgon weiter nach unten, der seine Augen hilflos auf uns gerichtet hatte. Niemand sagte etwas, die Beiden lieferten sich einen Kampf mit dem bloßen Ansehen. Plötzlich ließ die Elbin von dem Truchsess ab, dann rannte sie weg.


Vergeltung || Legolas FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt