Kapitel 29

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Lustlos blickte mir mein Spiegelbild entgegen, als ich meine Haare mit einem Kamm kämmte. Auf meinem Bett saß Faeniel mit ihrem mitfühlenden Blick auf mich gerichtet. Sie kam kurz nach Aragorn mit Herendir in mein Zimmer gestürzt. Sie meinte, dass sie ein schlechtes Gefühl hatte und nach mir sehen wollte. Ich wusste nicht, wie es möglich war, doch sie hatte recht mit ihrem Instinkt. Sie meinte, ihre Eile war wie automatisch, als sie in mein Zimmer stürmte. Faeniel hatte Aragorn und Herendir nach einiger Zeit mit den Worten, dass ich jemand weibliches an meiner Seite bräuchte, weg geschickt. Sie hatte einen speziellen Blick drauf, den ich nicht definieren konnte. Auf jeden Fall gehorchten Aragorn und Herendir sofort und machten sich schnell aus dem Staub.

Stumm legte ich den Kamm auf die Oberfläche des Schranks und versuchte meine Haare ordentlich zu machen, doch es gelang mir nicht. Faeniel stand auf, um sich hinter mich zu stellen. Sie schenkte mir ein sanftes, aufmunterndes Lächeln und drückte leicht meine Arme hinunter.

"Ich mach das schon", sagte sie leise. Ich nickte leicht und versuchte mich an einem Lächeln, doch auch dies gelang mir nicht. Während sie meine Haare ordentlich machte, musterte ich die Arme meines Spiegelbilds. Die schwarzen Tätowierungen waren wie üblich auf ihrem Platz und schienen auf meiner blassen Haut zu strahlen.

Ich war erleichtert, dass ich mich wieder unter Kontrolle hatte, denn ich wusste nicht was passiert wäre, wenn Aragorn mir nicht eine tröstende, Kraft spendende Umarmung geschenkt hätte. Vielleicht hätte ich mein ganzes Zimmer in Brand gesetzt, vielleicht hätte ich noch viel mehr Schaden angerichtet. Vielleicht hätte ich auch noch viele andere falsche Sachen getan, die ich bereuen würde.

Es war früh am Morgen und es kam zu meinem Glück noch keiner der Wachen, um den Schreibtisch zu reparieren. So konnte ich noch rechtzeitig verschwinden und müsste nicht die vielen Fragen der Wachen beantworten müssen. Als noch der Streicher und Herendir hier waren, hatte Faeniel ein wenig den Schaden, den ich angerichtet hatte, behoben und räumte ein wenig in meinem Zimmer auf. Natürlich mit stets prüfenden Blicken auf mich gerichtet.

"Fertig", sagte Faeniel.

Ich sah meinem Gegenüber wieder ins Gesicht. Faeniel stellte sich neben mich.

"Danke", hauchte ich und drehte mich zu ihr. "Danke für dein Dasein."

"Nicht dafür", erwiderte sie mit einem Lächeln. "Dafür sind Freunde da, Melwen."

Ich nickte leicht und sah an ihr vorbei, um einen Blick aus den Fenster zu werfen. Draußen standen, wer hätte es gedacht, Legolas und Nodeth. Nodeth lachte glücklich auf und zog den Prinzen zu sich. Lächelnd senkte er seinen Blick und kam ihr näher.

Ungewollt traten wieder Tränen in meine Augen.

"Melwen", sagte Faeniel. Sie sah ebenfalls aus dem Fenster und stieß einen unglücklichen Seufzer aus. "Oh nein!", meinte sie. "Ihn wirst du schön vergessen, nachdem er dich so verletzt hat!" Meine Freundin zog einen Vorhang vor das Fenster. "Er wird schon sehen, was er davon hat."

Ich sah nun wieder zu ihr und blinzelte die Tränen weg.

"Ich weiß es tut weh ihn so zu sehen, Melwen. Und dann noch mit dieser unfassbar unhöflichen Hexe..."

"Es fühlt sich an, als ob mein Herz raus gerissen wurde", sagte ich nun. "Dieser Schmerz ist so... unerträglich, Faeniel. Ich möchte ihn nicht fühlen. Jede einzelne Sekunde muss ich daran denken, dass er sie liebt, dass er sie begehrt. Weißt du, was ich neulich hörte? Die Mutter dieses Biestes und Thranduil haben vor vielen Jahren ausgemacht, dass Legolas und Nodeth heiraten werden und sollen. Es gab für mich Hoffnung, denn Thranduil sagte, dass er seinem Sohn nicht zu einer Heirat zwingen würde. Er sagte, dass Legolas eine freie Auswahl haben soll. Warum bemerkt Legolas nicht, dass Nodeth nicht so ist wie sie immer tut?" Wütend biss ich meine Zähne zusammen. Ich durfte mich nicht fertig machen! Zwar hatte ich ein gebrochenes Herz, doch ich sollte mich nicht vor Trauer verbergen und weinen!

"Ich finde, dass wir dich ablenken sollten", meinte Faeniel nach einem Moment des Schweigens.

"Ja", stimmte ich ihr zu.

"Zieh dich schon mal um, ich werde mich ebenfalls umziehen."

Ich nickte. "Natürlich. Geh ruhig."

***

"Bei den Göttern, was ist denn hier passiert?"

"Übungen", antwortete einer der Elben erschöpft. Sie saßen alle auf dem Boden und erholten sich, ich stand munter auf der Mitte des Feldes und sah Haldir entgegen.

"Übungen?", wiederholte er verwirrt.

"Mae", sagte wieder einer.

Haldirs Blick flog über seine Männer. "Erstaunlich...", murmelte er. Sein Blick ging weiter, bis er auf mir landete.

Räuspernd drehte ich mich weg und legte das Schwert weg.

"Es hat mich gefreut euch helfen zu können. Falls ihr wieder Lust auf einen weiteren Kampf habt, könnt ihr jederzeit zu mir kommen. Ich wünsche euch noch einen guten Tag." Ich nickte den anderen Elben zu und ignorierte Haldir, welcher mich noch immer ansah.

"Euch auch!", erwiderten mehrere lächelnd.

Ein unechtes Lächeln schlich sich für kurze Zeit auf meine Lippen, während ich den Übungsplatz verließ.

"Melwen!"

Haldir.

Mein Herz hatte einen kurzen Stillstand.

Ihn ignorierend lief ich weiter. Ich hatte noch nicht die Kraft dazu mit ihm zu reden. Ich konnte es noch nicht. Nicht nach vergangener Nacht.

"Melwen, nun bleib doch bitte stehen!"

Ich lief weiterhin ohne ein Wort zu sagen in die Richtung meines Gemachs.

Ich durfte nicht reagieren.

Die Schritte hinter mir wurden schneller und ich biss die Zähne zusammen, als ich seine Finger um meinem Handgelenk spürte.

Widerwillig blieb ich stehen und starrte auf seine Finger.

"Warum flüchtest du vor mir?", wollte er wissen.

Ich sagte nichts.

"Melwen, sprich mit mir."

Ich schüttelte leicht den Kopf und wollte mein Handgelenk aus seinem Griff befreien, jedoch ließ er nicht los.

"Sieh mich an", murmelte er.

Langsam hob ich meinen Blick.

"Warum, Melwen?", wiederholte er seine Frage. "Sag es mir."

"Haldir, bitte... Ich kann nicht", hauchte ich. Tränen traten wieder in meine Augen. "Bitte", flehte ich. "Nicht heute, nicht morgen..."

"Wann dann? Wann, wenn nicht heute und morgen? Du reist bald wieder ab. Willst du mich hier in Ungewissheit lassen?"

"Nein", sagte ich. "Das möchte ich nicht."

Er musterte mich.

"Bitte... Lass mich gehen. Lass mir Zeit." Flehend sah ich ihn an.

Mit einem Seufzen nickte er und ließ mich los.

"Danke, Haldir", flüsterte ich, als ich meinen Weg fortsetzte und ihn stehen ließ.

Wieder.

Vergeltung || Legolas FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt