Kapitel 26

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"Wirklich toll, wir scheinen verdammt viel Glück zu haben", sagte ich ironisch und verdrehte die Augen. Mein Blick war auf den großen, starken Mann gerichtet. Dies musste wohl Beorn sein und wir mussten wenigstens einen kleinen Funken Glück haben, da er nicht in seiner anderen Gestalt war. Denn ich befürchtete, er hätte uns schon längst getötet.

"Fünf Elben und ein Mensch mit vier Pferden. Was habt Ihr hier auf meinem Lande zu suchen? Wollt Ihr es etwa für eine Durchreise überqueren? Gandalf mein Freund, wir haben Besuch", ertönte seine tiefe, ernste, doch teils belustigte Stimme. 

Verwirrt zog ich die Augenbrauen zusammen. Der graue Zauberer war hier?

"Besuch, endlich!" Und tatsächlich kam Gandalf angelaufen. "Ich habe auf euch gewartet", begrüßte er uns in seiner vollen Pracht.

"Auf uns gewartet?", wiederholte Legolas fragend.

"Allerdings", sagte Gandalf und sah zu mir. Ich blickte ihm entgegen. "Galadriel hat mich gebeten euch entgegen zu reiten, damit sie sich sicher sein kann, dass dir nichts auf dem Weg nach Lórien passiert. Natürlich auch wegen euch anderen."

"Natürlich... Galadriel." Ich nickte wissen. Da bemerkte man nun, dass sie sich wirklich um mich sorgte.

"Oh, da seid Ihr aber spät dran, Gandalf", meldete sich Herendir nun.

"Was geschah denn?", wollte Gandalf wissen.

"Wir wurden von einer Gruppe Orks angegriffen. Zwar sah es anfangs für uns aussichtslos aus, doch das Blatt hat sich schnell gewendet. Es wurden zum Glück nur drei Personen verletzt. Aragorn, Herendir und... Nodeth." Fast hätte ich sie Hexe genannt. " Aragorn und Herendir konnte ich heilen, für Nodeth fehlte mir jedoch die Kraft", sagte ich. Natürlich war der letzte Teil gelogen. Diese undankbare Elbin konnte zusehen, wie sie mit ihrer Verletzung zurecht kam.

"Von Orks? Hm..." Gandalf strich sich nachdenklich über sein Kinn. "Am hellichten Tage? Erstaunlich."

"Nun ja, wenn man den Düsterwald als hell bezeichnen kann, dann ja. Es ist wirklich erstaunlich." Ich streichelte mein Pferd über den Hals und sah wieder misstrauisch zu Beorn. Er musterte mich aufmerksam, dann blickte er zu meinem Pferd.

"Ich bin mir sicher, dass Ihr allesamt erschöpft seid. Wie wäre es, wenn Ihr etwas essen und Euch ausruhen könntet?", meldete sich nun wieder der Hautwechsler.

"Dies ist ein ausgesprochen nettes Angebot von Euch, Beorn. Wir nehmen es natürlich dankend an", sagte Aragorn freundlich. So war er nun mal. Höflich und respektvoll, er wusste wie man wen behandeln musste.

-

"Warum sitzt du hier alleine?"

"Ich denke nach." Ich sah hoch zu Gandalf und machte Platz auf der Bank. "Setz dich doch zu mir Gandalf, du musst nicht stehen."

"Na aber", sagte Gandalf lachend. "So alt bin ich nun auch wieder nicht." Schmunzelnd setzte er sich neben mich.

Ich schmunzelte ebenfalls und sah wieder hoch in den dunklen Himmel, um die Sterne und den Mond zu beobachten. Immer wenn der Mond schient, leuchteten meine nun silbernen Haare stärker denn je.

"Du wirkst bedrückt", stellte der Zauberer nüchtern fest. "Was liegt dir auf dem Herzen, Melwen?"

"Nun ja... Ich mache mir Sorgen. Ständig habe ich diese Fragen in meinem Kopf. Wird man mich ausnutzen, bloß weil ich die Tochter Galadriels und Celeborns bin? Wird man mich wegen meinen Fähigkeiten benutzen? Wird man mich mit Samthandschuhen anfassen? Man wird Fragen stellen, weshalb erst jetzt bekannt gegeben wird, dass sie noch eine Tochter haben, obwohl sie doch schon so lange lebt. Ich möchte diesen... Ruhm nicht. Ruhm heißt falsche Freunde, Gefahr. Natürlich freue ich mich, dass ich meine richtigen Eltern kennenlernen durfte, aber... Durch dieses Fest wird sich alles für mich verändern Gandalf. Alles! In ganz Mittelerde wird sich herumsprechen, dass die geheimnisvolle Tochter da ist. Jeder wird mich sehen wollen, weil es ihnen ungläubig vorkommt. Es besteht mehr Gefahr, dass meine Freunde durch mich verletzt oder gar getötet werden, wie meine Zieheltern... Irgendwann wird herauskommen, welche Begabungen ich habe. Man wird Angst vor mir haben, mir misstrauen, mich hassen! Gandalf, ich -"

"Halt", unterbrach mich Gandalf. "Sieh mich an." Ich drehte meinen Kopf zu ihm und blinzelte meine Tränen weg. "Natürlich wird man versuchen dich zu eigenen Gunsten auszunutzen. Doch du bist schlau genug, um zu merken was wirklich passiert. Natürlich wird man dich mit Samthandschuhen anfassen, natürlich wird sich alles für dich ändern, denn du bekommst nun einen ganz anderen Rang, Melwen! Ruhm heißt nicht immer schlechtes. Nun gut, es ist ein riesiger Nachteil, dass vor allem zu dieser Zeit ganz Mittelerde in Erfahrung gebracht wird, dass du die Tochter der Herren Lóriens bist, doch es hat auch Vorteile! Man wird immer Feinde haben, das wird nie veränderlich sein. Die Gefahr, dass jemand verletzt oder stirbt, besteht immer. Auch das wird zu dieser Zeit nicht veränderlich sein, doch sei dir Gewiss, dass es nie deine Schuld sein wird. Deine Zieheltern haben sich dafür bereit erklärt dich mit ihren Leben zu beschützen, mit allem was sie haben. Ihr Tod wird nie deine Schuld sein! Sie haben für dich gekämpft, um dich zu beschützen. Genau wie deine Freunde es tun würden. Dies tut man in wahren Freundschaften oder engen Beziehungen. Man kämpft für den anderen, man beschützt ihn! Das Vertrauen der anderen Völker wirst du dir schnell gewinnen, denn du hast eine einzigartige, gute Persönlichkeit! Melwen, du kämpfst für das, was du liebst. Diese Eigenschaft kann nicht jeder von sich behaupten, denn viele haben Angst. Deswegen wird man dich lieben, dich verehren und akzeptieren! Viele werden für dich kämpfen, nicht gegen dich! Selbst die sturköpfigsten Zwerge!"

Ich war sprachlos und sah den Zauberer einfach verblüfft an.

"Du musst jetzt darauf nichts erwidern", sagte Gandalf. "Lass die Worte so stehen wie sie sind, denn es ist wahr." Er stand auf. "Und nun komm, es ist spät. Du musst doch ganz erschöpft sein, leg dich schlafen. Hier wird nichts passieren."

Ich nickte perplex und stand auf, um mich in die große Hütte zu begeben.

Gandalfs Worte überraschten mich wirklich. Es tat gut, eine Meinung eines anderen zu hören. Vor allem wusste ich, dass ich darauf vertrauen konnte, denn Gandalf würde nicht lügen. Er hatte eine gute Kenntnis was die Lebewesen in Mittelerde betrifft.

Doch schlich sich leider noch jemand in mein Kopf...

Und dieser Jemand lag eng umschlungen mit Nodeth auf einem Bett.

Ich wandte meinen Blick ab, die Tränen kamen wieder und ich lief an ihnen vorbei, um zu meinen Schlafplatz zu gelangen.



Vergeltung || Legolas FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt