Chapter 17.3

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Leise musste er sein. Seine Füße setzten sich nur langsam auf die Holzbalken des Bodens ab, um möglichst wenig Lärm zu machen. Jack drehte sich langsam um, sah Mark, wie er an der Ecke stand und nach Mr. Wilson Ausschau hielt. Er bemerkte den Blick seines Freundes, drehte sich zu ihm um und ihre Blicke trafen sich. Entschlossenheit konnte er erkennen, sehr viel davon. Vorsichtig ging Jack weiter. Er musste akrobatische Meisterleistungen erbringen, um nicht auf die Bärenfallen zu treten, gleichzeitig musste er die Kameras mit einem Apfel aus der Küche bewerfen, damit sie keinen Alarm gaben. Ebenfalls musste er aufpassen, wie er warf, damit er den Apfel zurück bekam, ohne großartige Laute zu machen. Warum musste er nur beides machen?
Er kam am Ende des Flures an, winkte Mark zu und der sprang über die Fallen, als wäre es eine Leichtigkeit.
"Gut, vor uns ist die Treppe, die nach oben führt. Da sollte dann auch das Gitter sein und wenn wir das passiert haben, dann haben wir so gut wie gewonnen", flüsterte er so leise, wie er nur konnte.
Jack nickte eifrig und Mark ging zuerst die Treppen hoch. Er nahm den Apfel von Jack in die Hand und begann damit die restlichen Kameras abzuwerfen und somit zu deaktivieren. Langsam und vorsichtig, Jack hielt währenddessen Ausschau nach dem Nachbarn.
"Sagte er nicht, dass er hinter uns her sein wird?... Bestimmt erst, wenn wir zur Kellertür gehen", murmelte Jack gedankenversunken.
Wieder und wieder fiel der Apfel zu Boden, traf neue Kameras, die den Beiden im Weg waren.
"Irgendwas neues, Jack?"
Bei den Worten drehte sich Jack um und erkannte Marks fragenden Gesichtsausdruck. Er stand auf der letzten Treppenstufe und sah zu Jack herunter.
"Nein, alles ruhig. Hast du alle Kameras?"
Mark nickte und Jack machte sich auf, zu ihm zu stoßen. Ein Fuß nach dem anderen setzte er, wohl überlegt und vorsichtig. Nach wenigen Minuten standen sie beide im ersten Geschoss des Hauses und starrten auf das Gitter. Direkt dahinter lagen Bärenfallen aus, die zwischendurch kaum Zentimeter Platz hatten und die Kameras ließen keinen Meter unbeobachtet.
"Das könnte schwer werden...", sagte Jack demotiviert und verschränkte die Arme.
"Das wird es. Ihr habt noch 30 Minuten."
IRLs Stimme half Jack überhaupt nicht dabei auf irgendeine sinnvolle Idee zu kommen, also versuchte er ihn zu ignorieren. Mark stupste ihm in die Seite.
"Komm schon, Jack. Noch eine halbe Stunde, wir müssen uns beeilen!"
Mark war dabei wieder Anlauf zu nehmen, um durch die Lücke zu springen, jedoch hielt ihn Jack davon ab.
"Warte! Die Kameras sind noch an! Und wenn du nicht aufpasst, fällst du in die Bärenfallen."
Mark hielt inne und legte eine Hand an sein Kinn. Er schien nachdenklich zu sein und Jack ärgerte es, dass er das nicht vorher schon war.
"Stimmt... aber wir haben keine andere Wahl. Nur 30 Minuten, jetzt wahrscheinlich weniger... warte mal."
Seine letzten Worte sagte er, nachdem er hinter Jack etwas entdeckt hatte. Diesen Gegenstand kannte er ziemlich gut. Schnell ging er an Jack vorbei, griff nach dem Schaft der Spielzeugflinte und lächelte.
"Damit können wir die Kameras abschießen! Hier, das machst du."
Er drückte Jack die Flinte in die Hand und ging wieder auf seinem Platz, von dem er aus Anlauf nehmen wollte. Jack zielte auf die Kameras und schoss jede nach einander ab. Erst, nachdem er Mark das Zeichen gab, sprang er über die Treppe zur Lücke und versuchte sein Gewicht auszubalancieren. Sein Fuß rutschte ab und nur im letzten Moment könnte er sich an dem Gutter festhalten. Ein paar Zentimeter mehr und sein Kopf wäre in der Bärenfallen gelandet.
"Ich räum' die Dinger weg, dann kommst du nach."
Er richtete sich wieder auf und schob die Fallen nacheinander weg, um Platz für Jack zu machen. An der Wand hing der Schalter für das Tor, nur eine kurze Armbewegung und der Weg war frei für den Iren.
"Danke. Jetzt brauchen wir die richtige Tür."
Mark öffnete die Türen, Jack schoss weiter auf die Kameras. Auf dem Boden des Flures lagen keine Bärenfallen mehr herum, was Beide als gut empfanden. Sie brauchten nicht lange, um die richtige Tür zu finden. Ein großer Raum erstreckte sich hinter ihr, nur wenige Meter entfernt war das Loch im Boden. Mark sprang zuerst, Jack folgte. Beide schalteten ihre Taschenlampe an und das Licht erhellte einen Schrank mit Glastüren, darin lag eine blaue Karte, darauf ein Schlüssel.
"Das muss sie sein!", sagte Mark erfreut und nahm sie ohne weitere Zeitverzögerung aus dem Schrank.
Der Boden begann zu beben und Jack verlor sein Gleichgewicht, fiel unsanft auf den Boden.
"Oh weh oh weh", ertönte IRLs Stimme erneut, "das wird ein Spaß. Ihr habt alles, was ihr braucht, nun schnell zur Kellertür... natürlich ohne das Einverständnis des Hausbesitzers."
Ein Licht erhellte eine Figur, die zuvor im Schatten gestanden hatte: braune Haare, dürre Beine, Weste und Handschuhe, der Nachbar. Mark riss Jack mit sich und gemeinsam liefen sie durch die nächste Tür, gefolgt von Mr. Wilson.
"Kennst du den Weg?!", rief Jack zu Mark, der antwortete nur knapp.
"Lauf einfach!"
Sie liefen durch Türen, Flure und tiefster Dunkelheit, bis Mark abbremsen musste, vor ihnen war eine Sackgasse. Der Nachbar kam immer näher, Mark stand bewegungslos da und Jack hatte die Idee. Er stieß ein nahegelegenes Fenster auf, zog Mark am Kragen und beide sprangen aus dem Fenster. Der Boden war hart und Jack fühlte sich, als hätte er sich das Bein gebrochen.
"Komm schon, Mark! Wir haben etwas Zeit gewonnen."
Mit jedem Schritt tat sein Bein mehr weh, doch er musste es ignorieren, zog Mark wieder ins Haus, direkt zur Kellertür. Er brach die Holzplanken mit der Brechstange weg, schloss das Schloss auf und zog die Karte durch das Lesegerät. Die Tür sprang auf und das nicht zu spät. Mr. Wilson war nur wenige Meter von ihnen entfernt, lief auf sie zu, doch Jack knallte die Tür hinter sich zu, stemmte sich dagegen und wartete, bis sich der Nachbar wieder entfernte. Kurz atmete er tief ein, doch lange verschnaufen konnte er nicht. Mark lief die lange Treppe herunter und Jack folgte ihm so schnell er konnte. Am Ende der Stufen war ein kleiner Raum, erhellt von Kerzen, die in einem Pentagram standen, direkt in der Mitte hing Anti von der Decke, kopfüber. Er starrte seine beiden Retter genervt an.
"Ihr habt lang gebraucht", keifte er und lies sich von Mark befreien.
Die Seile lösten sich und Anti fiel zu Boden, konnte sich mit einem Arm noch abstützen, damit er nicht in eine Kerze fiel. Erst jetzt konnte Jack erkennen, dass er überall Stichverletzungen hatte. Sein T-Shirt war mit Blut befleckt, an seinen Armen hatte er blaue Flecke und Restblut kleben und seine Hose war an manchen Stellen komplett zerschnitten. Scheinbar machte ihm das nichts aus, er stand gelassen auf, klopfte sich etwas Staub ab und legte sich seine Lederjacke wieder um, die neben dem Pentagram auf einer Kiste gelegen hatte.
"Gehen wir endlich, das war schon nervig genug hier, glaubt bloß nicht, dass das nächste Level einfacher wird."
Anti hatte Recht und Jack folgte den beiden. Erst beim Gehen konnte er die lange Linie Blut erkennen, die Anti am Hals hatte. Als hätte man ihm die Kehle aufgeschnitten.
"Anti! Dein Hals!", sagte Jack besorgt, Anti sah ihn verwirrt an.
"Ach das. Ignorier' es, ist nur Blut."

My Dark SideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt