Eine Maske für Kyoko

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Erschöpft blickte sie auf die Schriftrolle vor sich. Die Schrift war noch feucht, sie hatte grade erst die letzten Worte beendet. Mit einigen wenigen Handzeichen versiegelte sie sie und legte sie in die Schublade ihres Nachtschrankes. Sie würde nur von zwei Personen geöffnet werden können und das auch nur, wenn sie es erlaubte. Es würde ihr letzter Trumpf gegen Danzo sein, der dann ausgespielt wurde, wenn es an der Zeit war.
Sie seufzte, warf einen letzten Blick auf die Schublade und vergewisserte sich, dass alles aussah wie zuvor, ehe sie mit einem Satz aus dem Fenster sprang. Staub wirbelte auf, als ihre Füße auf dem Boden aufschlugen und hatte sich noch nicht gelegt, da war sie schon losgelaufen.
Erstaunlich zielstrebig fand sie das Zelt, in dem sie sich einfinden sollte, sobald sie gepackt hatte. Danzo hatte sie aufgeklärt, dass sie gemeinsam mit einem gewissen Fuu Yamanaka sein Schutz auf der Konferenz der fünf Kage sein würde, doch zuvor, sollte sie offiziell ein Anbu werden. Ihren Schwur hatte sie abgelegt, als sie dem neuen Hokage ihre Meinung mitgeteilt hatte, jetzt würde sie noch Siegel, Tattoo und Maske bekommen, bevor es losging.
Sie zweifelte nicht mehr an ihrer Entscheidung, denn es war wohl die einzige Möglichkeit einen Einfluss auf Sasukes Zukunft zu nehmen und doch lag sie ihr schwer im Magen. Sie schätzte ihre Freiheit und sich selbst an einen Menschen wie Danzo zu verkaufen, widersprach allem, woran sie glaubte.
Schweren Herzens stieß sie den Eingang zu dem Zelt auf und trat in die Dunkelheit, die nur von schummrigen Kerzenlicht durchbrochen wurde.
„Ich habe bereits gewartet."
Ein Mann, recht groß mit langen blonden Haaren stand inmitten des Zeltes. Er trug eine vogelähnliche Anbumaske und war auch sonst völlig in der Kleidung der Eliteeinheit gekleidet. Hinter ihm, an der Zeltwand lagen die Masken der Anbu. Sie waren auf Türmen gestapelt und lieblos in die Ecke geworfen, sodass es ihrem Herzen einen kleinen Stich versetzte. Für sie war jede einzelne Maske etwas besonderes, die Erfüllung eines Traumes und Zeichen dafür, dass man etwas als Shinobi erreicht hatte. Dass hier so mit dem Erkennungsmerkmal der besten Shinobi Konohas umgegangen wurde, stimmte sie ungemein traurig. Sie hatte sich das als Kind immer anders vorgestellt. Irgendwie festlicher, vielleicht eine große Zeremonie, aber das hier entsprach nicht ansatzweise dem, was sie sich ausgemalt hatte.
„Du darfst deine Maske eigenständig wählen. Danach werde ich dir dein Tattoo stechen und dir das Siegel auferlegen.", fuhr der fremde Anbu fort und trat einen Schritt zur Seite, damit sie sich den Masken nähern konnte. Sie folgte seiner Aufforderung und trat zu den Stapeln heran. Früher hatte sie sich ganz genau ausgemalt, wie ihr Maske aussehen sollte, hatte gut und gerne hundert Bilder davon gemalt, doch jetzt fühlte sich keine der Masken richtig an. Sie nahm eine nach der anderen in der Hand, strich über die bunten Zeichnungen, doch bei keiner fühlte sie sich wirklich wohl.
Sie wollte fast aufgeben, denn sie war bereits an dem letzten Turm angekommen, als ihr Blick auf eine verlassene Maske in der Ecke fiel. Sie hatte die Form einer Katze und war mit roten Farben verziert. Es war ihr nicht klar, was genau sie an dieser Maske anzog, vielleicht, dass sie dort so alleine lag, wie sie sich fühlte, aber als sie in die Hocke ging und nach dem kalten Holz griff, fühlte es sich richtig an. Testweise hielt sie sie an ihr Gesicht und sie passte perfekt, so, als wäre sie einzig und allein für sie gemacht.
„Ich habe mich entschieden", teilte sie dem anderen Anbu mit, der lediglich mit einem Nicken antwortete und auf einen Stuhl deutete. Mit der Maske vor ihrem Gesicht ließ sie sich auf ihm nieder und sah aus dem Augenwinkel, wie der Anbu nach einer Metallnadel und einem Farbtopf griff und ein paar Fingerzeichen vollführte. Wie auf Kommando begann die Nadel zu glühen und ohne es wirklich zu merken, biss Kyoko die Zähne zusammen. Das hier würde verdammt weh tun.
„Dein Deckname wird zukünftig Shimai lauten. Immer wenn du deine Maske trägst, wirst du auf diesen Namen hören." Sie widerstand dem Drang laut aufzulachen. Shimai, wie pathetisch. Sie wusste ganz genau, was Shimai hieß. Schwester. Etwas anderes würde sie in Danzos Augen wohl nie sein.
Ihre Gedanken wurden aber jäh unterbrochen, als der Anbu die heiße Nadel ansetzte und sie zischend die Luft einziehen musste, um nicht aufzuschreien. Sie hatte wirklich schon einiges erlebt, aber das hier war ein anderer Schmerz, denn sie konnte ihm beim besten Willen nicht ausweichen. Und welcher Shinobi ließ sich schon gerne freiwillig verletzen?

Es dauerte nur Minuten, da hatte der Anbu seine Arbeit beendet und sie konnte auf ihrem linken Oberarm das Tattoo der Anbu erkennen. Es sah noch nicht besonders schön aus, dafür musste die Haut erst mal abheilen, doch trotzdem breitete sich ein aufgeregtes Kribbeln in ihrer Brust aus. Wie lange hatte sie schon auf diesen Moment hin gefiebert?
Nachdem der Anbu auch das Siegel auf ihrer Zunge angebracht hatte, sodass sie zukünftig kein Wort mehr über Danzos Machenschaften verlieren konnte, war sie entlassen. Sie wusste, dass sie schnellstmöglich den neuen Hokage aufsuchen sollte und ließ ihre Maske direkt auf, denn auch wenn sie sie noch nicht lange hatte, bot sie ihr ein wenig mehr Sicherheit. Niemand würde sie erkennen oder ansprechen und so konnte sie Menschen aus dem Weg gehen, die sie nach ihrem Plan fragen konnten.
Und so hielt niemand sie auf ihrem Weg zu Danzos Zelt an, sodass sie es schneller erreichte, als ihr lieb war. Sie zögerte nicht, als sie eintrat und sich direkt Danzo gegenüber befand. Er stand bereits, schien in Aufbruchstimmung und schenkte ihr kaum einen Blick, als sie sich vor ihm verneigte. Auch wenn es ihr widerstrebte, wenn Danzo der letzte Mensch war, vor dem sie Respekt zollen wollte, so war es doch nun ihre Aufgabe und sie würde jede Aufgabe erfüllen, wenn sie dafür Sasuke beschützen konnte.
„Kyoko, es freut mich, dass du dich uns anschließt." Seine Stimme war kalt wie immer und ihr lief ein eiskalter Schauer über den Rücken, während sie sich langsam aufrichtete. Neben dem Hokage erkannte sie zwei Männer. Den einen, Fuu, hatte sie bereits kennen gelernt, denn er würde mit ihr gemeinsam Danzos Leibwache stellen. Er hatte seine Maske abgenommen und beobachtete sie mit seinen gelblichen Augen aufmerksam.
Der andere Mann zu Danzos linker Seite hingegen trug seine Maske noch, sodass sie ihn nicht erkennen konnte. Auch er hatte sich ihr zugewandt, wurde jedoch im gleichen Moment von Danzo abgelenkt.
„Du kennst deine Aufgabe?", sprach der Hokage ihn an und der Unbekannte nickte nur schlicht, ehe er mit einem Satz verschwand.
„Masken sind auf der Konferenz nicht erlaubt.", sagte er dann zu Kyoko und sie setzte ohne eine Erwiderung ihre Maske ab, um sie hinten an ihrem Gürtel zu befestigen.
„Die Konferenz führt uns ins Eisenreich, da es dort keine Shinobi gibt, sollte es eine Leichtigkeit für euch beide sein, mich zu verteidigen.", fuhr er fort und sie nickte als Zeichen dafür, dass sie verstanden hatte. Ohne ein weiteres Wort setzte er sich in Bewegung und schritt erhobenen Hauptes aus dem Zelt. Fuu folgte ihm, wie auf einen lautlosen Befehl hin und Kyoko nahm sich ein Beispiel an ihm und tat es ihm gleich.
Schnellen Schrittes gingen sie durch die Zelte. Kyoko zu Danzos rechten und Fuu zu seiner linken.
Hin und wieder wurden dem Hokage aufmerksame Blicke zugeworfen und auch wenn Kyoko rein gar nichts an Danzo lag, so war sie bereits aufmerksam. Bei jeder Regung zuckte sie zusammen, denn das hier war ihre Aufgabe und er würde nicht sterben, ehe sie auf Sasuke getroffen war, dafür würde sie höchstpersönlich sorgen.
Zu ihrer Überraschung wandten sich die drei nicht dem Tor Konohas zu, sondern schienen einen anderen Weg nehmen zu wollen. Sie sagte nichts. Sie schwieg, ließ Danzo jegliche Entscheidungen treffen, so wie es von ihr gedacht war. Sie würden wohl den Weg durch den Wald nehmen und auch, wenn sich dadurch die Umgebung nicht so gut beobachten ließ, so boten sie zugleich auch eine schlechtere Angriffsfläche.
Kurz bevor sie in den Wald gingen, blieb Danzo ruckartig stehen. Beinahe wäre sie in ihn hereingelaufen, so fixiert war sie auf die Umgebung gewesen, doch sie fing sich, bevor sie ihn berührte.
„Wir müssen noch einen Moment warten. Ich erwarte einige Ninja hier", erklärte er sein Tun schlicht und sie verschränkte verstimmt die Arme. Erst machte er ihr so einen Stress und jetzt mussten sie hier warten.
Ein wenig genervt lehnte sie sich an einen Felsbrocken und beobachtete konzentriert die Person, die sie mehr als alles andere hasste und zeitgleich die Person, die sie schützen sollte. Danzo stand einfach nur da, starrte in die Richtung aus der sie gekommen war und regte keinen Finger. Manchmal fragte sie sich, wie es hatte so weit kommen können. Danzo sah nicht stark aus, eher alt und schutzlos und doch hatte man ihn zum Hokage ernannt. Hatten die Verantwortlichen von seinen Taten gewusst? Hatten sie ihn vielleicht deswegen genau in diese Rolle gewählt?
Sie seufzte, denn ehrlich gesagt, hatte sie einfach keine Erklärung dafür. Aus ihrer Sicht wäre er die verdammt noch mal letzte Person gewesen, die diesen Posten verdient hätte.

Es vergingen sicher 30 Minuten, in denen hin und wieder Shinobi auftauchten und von Danzo Anweisungen erhielten. Die meisten kannte sie nicht, lediglich Genma sah sie mit großen Augen an, ehe er seine Aufgaben entgegen nahm und wieder verschwand. Grade schien es so, als wollte die Gruppe endlich aufbrechen, als sie aus der Entfernung einen silbernen Haarschopf erkannte, der sich schnell auf sie zu bewegte. Sie erhob sich, blieb hinter Danzo stehen, schon landete Kakashi direkt vor ihnen.
„Kakashi Hatake, ich erinnere mich nicht daran, dich gerufen zu haben.", erhob der Hokage missmutig seine Stimme, doch Kakashi sah ihn nicht an, sondern blickte an ihm vorbei. Der Blick seines schwarzen Auges lag auf ihr, schien nicht zu glauben, was er sah.
„Ich wollte mich erkundigen, ob ich mich in Ihrer Abwesenheit weiterhin um die Zuteilung der Aufgaben kümmern soll?" Er sprach nicht wirklich zu Danzo, warf ihm nur einen kurzen Blick zu, ehe er wieder sie fixierte. Kaum merklich schüttelte er den Kopf, als sein Auge zu dem neuen Tattoo auf ihrem Arm schweifte. Woher hatte er erfahren, dass sie hier war? Und was um Himmels Willen war sein Plan?
„Nein, ich habe diese Aufgabe jemand anderem zugeteilt." Ohne auf eine Antwort zu warten, drehte Danzo sich um und das Gespräch war beendet. Sie tat es ihm gleich, streckte noch einmal ihre Glieder und war bereit endlich aufzubrechen, als sie ein weiteres Mal Kakashis Stimme hörte: „Außerdem wollte ich, falls möglich einen kurzen Moment mit Kyoko reden." Wie von der Tarantel gestochen fuhr sie herum und ihre Augen wurden kugelrund, als sie den Hatake ansah. Verdammt, sie wollte nicht mit ihm alleine reden. Nicht, nachdem er sie so abgewiesen hatte und sie sich schon alleine in seiner Anwesenheit schämte.
Flehend fuhr ihr Blick zu Danzo, doch dieser nickte lediglich und schon hatte Kakashi ihr Handgelenk gefasst. Ihre Haut brannte und kribbelte unter seinem Griff, doch es war nicht mehr angenehm. Es brachte sie eher zum Weinen, als alles andere, denn es zeigte ihr wiederholt, was sie verloren hatte.
Taumelnd kam sie irgendwann zum Stehen und wurde von Kakashi an den Schultern gefasst. Der Blick seines schwarzen Auges lag fassungslos auf ihr und es schien, als müsste er nach Worten suchen.
„Was tust du hier?"
Sie wischte seine Hände von ihren Schultern, denn sie konnte es nicht ertragen, dass er sie berührte. Sie konnte es nicht, denn es gab ihr Hoffnung und Hoffnung war das letzte, das sie gebrauchen konnte.
„Ich begleite Danzo zu seiner Konferenz.", erklärte sie, versuchte dabei so wenige Emotionen zu zeigen wie möglich.
„Wieso hat sich deine Meinung geändert?" Sie wusste worauf er anspielte. Er hatte ihr Gespräch mit Danzo gehört, als er Hokage geworden war und daraus war mehr als deutlich hervorgegangen, dass sie den Mann verabscheute. Sie verstand, dass es ihn interessiert. Was sie hingegen rein gar nicht verstand, war die Tatsache, dass er sich um sie zu sorgen schien, schließlich hatte er mehr als deutlich gemacht, dass sie ihm nichts bedeutete.
„Meine Meinung hat sich nicht geändert. Es war immer mein größter Traum Anbu zu werden und er hat mir dieses Angebot gemacht.", redete sie sich halb heraus, während sie versuchte so ehrlich wie möglich zu sein, denn andernfalls würde Kakashi sie sofort durchschauen. Er hatte schon immer das Talent gehabt, ihr direkt in den Kopf zu gucken.
„Findest du es nicht etwas seltsam, dass er dir einfach so anbietet ein Anbu zu werden? Du musst vorsichtig sein." Er wirkte ehrlich besorgt und es brach ihr fast das Herz ihn so zu sehen. Zu sehen, dass er sich um sie kümmerte und sie trotzdem nicht liebte.
„Ich bin stark, ich werde schon auf mich aufpassen.", erwiderte sie kalt, obwohl sie nichts lieber getan hätte, als ihm die ganze Wahrheit zu erzählen und ihm danach in die Arme zu fallen.
„Das weiß ich, doch du hast ihn letztens noch ganz offensichtlich bedroht. Ich mache mir Sorgen, dass du dich damit in Gefahr bringst." Sie zog scharf die Luft ein und spannte ihre Muskeln an. Wieso war Kakashi nur immer so nett? Wieso brachte er ihr Herz mit einem einzigen Blick dazu schneller zu schlagen als eigentlich gut für sie war? Wieso hatte sie sich nur in ihn verliebt? Das machte alles so unglaublich viel schwerer.
„Ich passe schon auf." Und mit diesen Worte drehte sie sich um und ging mit wenigen Schritten zurück zu Danzo. Sie konnte einfach nicht länger mit ihm reden, denn er brachte alles ins Wanken. Brachte sie dazu, darüber nachzudenken, ob das alles nicht eine vollkommen dumme Aktion war, die ihr letztendlich den Kopf kosten würde. Aber dieses Mal durfte sie nicht zweifeln, denn es war die beste Möglichkeit, die ihr blieb.
Mit einem Nicken gab sie Danzo ein Zeichen, dass sie aufbrechen konnten und wie auf ein Kommando sprang Danzo auf den nächsten Baum. Sie warf einen kurzen Blick über die Schulter, sah Kakashi, wie er nachdenklich in die Leere starrte und folgte dann dem Hokage in den Wald.

Kyoko Namikaze - Die Geschichte einer KämpferinWhere stories live. Discover now