Träum schön

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Es war dunkel in der Höhle und doch konnte er sich orientieren, als wäre sie in hellstes Licht gehüllt. Er war bereits so oft hier gewesen, dass er sich blind auskannte. Automatisch trugen ihn seine Füße zu der Wand ihm gegenüber, zu einem gewaltigen Steinbrocken, der von der Decke gekracht und dort ein riesiges Loch hinterlassen hatte. Er wusste, was ihn erwartete. Er wusste es und doch schnürte sich seine Brust zusammen, als er hilflos vor dem Gesteinsbrocken auf die Knie sank und sein Gesicht in den Händen vergrub.
Obito..
Er musste seine Augen nicht öffnen, um das tote Gesicht seines besten Freundes vor ihm zu sehen. Er lag dort, gestorben um ihm, Kakashi Hatake sein bedauernswertes Leben zu retten. Seine Fingernägel gruben sich tief in seine Stirn und im nächsten Moment fühlte er Blut an seinen Schläfen hinunterlaufen. Sein Körper verkrampfte sich, während ein dumpfes Schluchzen seiner Kehle entwich.
„Du hast es nicht verdient. Du bist es nicht wert, dass er sein Leben für dich gegeben hat." Die Stimme seines Senseis hinter ihm war scharf. Sein Herz setzte aus, natürlich hatte Sensei Minato recht. Er war es nicht wert gerettet zu werden. Er war es nie wert gewesen. Die Luft wich aus seinen Lungen, als er sich weiter zusammenkauerte, seine Kopf gegen den kalten Stein presste und die Hände auf seine Ohren drückte. Er wollte die Stimme nicht hören. Nicht die Enttäuschung, nicht die Wut, nicht den Hass.
Langsam bahnte sich eine erste Träne den Weg unter seinem geschlossenen Lid hindurch, vermischte sich mit dem Blut und tropfte langsam auf den Boden.
„Du hättest an seiner Stelle sterben sollen."
Mit aller Kraft, die er aufbringen konnte, hielt er sich die Ohren, doch Minatos Stimme wurde nicht leiser. Als wäre sie in seinem Kopf, als würde nichts dagegen helfen sie zu hören.
Er presste die Zähne aneinander, aufs äußerste darauf konzentriert jeden Laut seinerseits zu unterdrücken. Seine Brust schmerzte. Es war als würde sein Herz ihn verlassen wollen. Als wolle es den Platz mit dem Obitos tauschen, nur um dafür zu sorgen, dass sich der junge Uchiha wieder regte.
Seine Schulter bebten, während er immer weiter in sich zusammensackte. Wenn er doch nur den Platz mit seinem Freund tauschen könnte, wenn er doch nur dafür sorgen könnte, dass der Schwarzhaarige wieder lebte. Ein weiteres lautloses Schluchzen entwich seinen Lippen. Er hätte alles dafür getan. Er würde sein Leben dafür geben nur um den Platz mit Obito zu tauschen und den Uchiha leben zu sehen. Doch er konnte es nicht. Was auch immer er versuchte, der Uchiha würde sich nicht mehr erheben.

„Kakashi, hilf mir!" Ruckartig löste er seine Hände von den Ohren und öffnete die Augen. Der Stein war verschwunden, genauso wie die dunkle Höhle. Er wirbelte herum, während er sich erhob. Rin. Er sah sie sofort. Das junge Mädchen stand direkt vor ihm, ein schüchternes Lächeln auf den Lippen.
„Pass gut auf Rin auf.", Obitos schwache Stimme in seinem Kopf ließ ihn los rennen. Er musste sie beschützen. Panisch sah er sich um. Bäume erschienen, dunkle Tannen, die die Wiese in schwarze Schatten hüllte. Rins Lächeln verschwand von ihrem Gesicht, machte einer unbändigen Angst Platz, die ihre hübschen Augen erfüllte.
„Rin!", wollte er rufen, doch kein Laut verließ seine Lippen. Er strauchelte. Die Kunoichi schien nicht näher zu kommen, egal wie schnell er rannte. Doch er durfte nicht aufgeben. Er hatte es versprochen.
Seine Lungen brannten, sein ganzer Körper zitterte, doch er merkte es kaum. Alles, was er sah, war ihr Gesicht. Ihr entsetztes, flehendes Gesicht. Wieso konnte er sie nicht erreichen. Wieso konnte er sie nicht endlich beschützen.
„RIN!", versuchte er es abermals, streckte eine Hand nach dem Mädchen aus, doch sie reagierte nicht, starrte ihn nur weiterhin an. Wieder kam kein Wort über seine Lippen. Es war als wäre seine Stimme mit seinem Herz gegangen. Als hätte er es in der Höhle bei Obito gelassen.
Ein Knacken ließ ihn herumfahren. Feindliche Shinobi, viele. Doch sie beachteten ihn nicht, als wäre er gar nicht anwesend, stürzten lediglich ungehemmt auf seine Freundin zu.
„Kakashi, hilf mir.", rief diese abermals, zog unsicher ein Kunai hervor, würde sich gegen diese Armee von Feinden aber kaum eine Sekunde zu Wehr setzen können.
Er beschleunigte seine Schritte. Jeder Muskel in seinem Körper schmerzte, seine Sicht verschwamm. Er sah nur noch Rin. Rin und ihr verzweifeltes Gesicht. Auch die Geräusche waren wie ausgeschaltet. Kein einziges Geräusch drang mehr zu ihm durch, lediglich die leise Stimme Obitos vernahm er in seinem Hinterkopf.
„Pass gut auf Rin auf."
Mit wenigen Handzeichen aktivierte er sein Chidori. Er musste sein Versprechen erfüllen.
Endlich erreichte er die ersten Feinde, streckte sie ohne zu zögern mit seinem Chidori nieder. Er musste zu Rin. Musste sie mit allem was er hatte beschützen.
Ein Mann nach dem anderen fiel ihm zum Opfer, doch es schienen einfach nicht weniger zu werden. Pansich suchte er die Kunoichi, doch er konnte sie nicht finden. Sie war irgendwo zwischen den Feinden verschwunden.
Sein Atem ging schwach und schnell. Wenn er sie nicht bald finden würde, würde sie sterben. Sie würde sich nicht länger wehren können. Sein Herz raste in seiner Brust, das einzige Anzeichen dafür, dass es überhaupt noch existierte. Er wirbelte herum und schlagartig umfing eine unangenehme Wärme seine Hand. Sein Chidori drang durch Haut, durchtrennte Muskeln und schlug sich durch einen zierlichen Körper vor ihm. Das zähe Blut tropfte unschuldig von seinem Arm, als er in entsetzte braune Augen blickte. Sein Atem stockte.
„Rin.", brach es entgeistert über seine Lippen. Er konnte sich nicht bewegen, keines seiner Glieder gehorchte seinem Befehl.
„Wieso?" Ihre Stimme war kaum mehr als ein schwaches Flüstern. Langsam zog sich ein dumpfer Schleier über ihre Augen.
„Nein, Rin, nein.", rief er verzweifelt, versuchte sie mit seiner freien Hand aufzufangen, während sein Chidori noch immer ihre Brust durchbohrte. Er hatte sie getötet, er hatte ihr mit seinen Händen das Leben genommen.
Erneut traten Tränen in seine fassungslosen Augen. Was hatte er getan? Seine Hand grub sich in ihre Schulter, ehe er blinzelte. Das durfte nicht wahr sein. Er durfte sie nicht getötet haben.
Als er seine Lider wieder erhob, hatte sich etwas verändert. Erschreckt weiteten sich seine Augen.
„Nein.", flüsterte er, als er in sonst so strahlende blaue Augen blickte. Ihr Blick war anklagend, enttäuscht, als sie an sich hinabblickte und seine Hand fixierte, die tief in ihren Brustkorb gegraben war.
„Warum Kakashi?" Eine kleine Träne bahnte sich den Weg aus Kyokos Auge, als sie seinen Blick einfing. Langsam bahnte sich Blut den Weg zwischen ihren Lippen hervor und ein Husten schüttelte ihren Körper. Blut spritzte ihm entgegen, als er seine Hand aus ihrem Brustkorb zog. Ein Stöhnen wich ihr über die Lippen, als sie noch vorne gezogen wurde und kurz darauf auf die Knie sank.
Er fing sie auf. Es war das einzige was er tun konnte. Er hatte nicht nur Rin und Obito umgebracht, jetzt hatte er auch noch Kyoko auf dem Gewissen.
„Warum?", wiederholte sie abermals, während das Strahlen langsam aus ihren hübschen Augen wich: „Wieso hast du uns alle getötet?" Er wollte es verhindern, schüttelte die Kunoichi, doch langsam schloss sie die Augen. Ihr Atem wurde schwacher, ihr Körper immer schwerer.
„Kyoko, bitte bleib wach.", keuchte er, merkte kaum, wie ihm die Tränen von der Wange tropften und auf das angespannte Gesicht der Frau fielen, die er krampfhaft in den Armen hielt.
„Bitte, lasst mich nicht allein!"
Doch sein Flehen blieb unerhört und verzweifelt musste er mit ansehen, wie der Körper in seinen Armen immer schwerer wurde und letztendlich regungslos blieb. Sein Kopf sackte nach vorne. Er war gebrochen. Seine Augen schlossen sich. Würde ihm nur jemand das Leben nehmen. Würde ihn nur endlich jemand von diesem Leid befreien. Er hatte all das nicht gewollt. Er hatte nie jemanden umbringen wollen.
Ein weiterer Schmerzenslaut entwich ihm, als er Kyoko langsam auf dem Boden niederlegte. Er blickte auf seine Hände. Sie waren von Blut umhüllt. Von ihrem Blut, von dem Blut geliebter Menschen. Diese Hände waren Schuld an ihrem Tod. Diese Hände hatten all diese schlimmen Dinge getan.
Von Panik ergriffen begann er die blutverschmierten Hände an seiner Hose zu reiben, während noch immer Tränen auf den Boden tropften. Er wollte dass das Blut verschwand. Er wollte es nicht sehen. Wollte nicht sehen, dass er verantwortlich war für das alles. Doch das Blut ließ sich nicht lösen, als wäre es seine Strafe dafür, dass er ihnen das Leben genommen hatte. Panisch schnürte sich seine Brust zusammen, um den Punkt, an dem sein Herz hätte sitzen müssen. Doch es fühlte sich nicht länger so an, als wäre es noch dort. Er spürte lediglich Schmerz.
Ein verzweifelter Schrei löste sich, doch seine Stimme hörte sich seltsam fremd an. Als würde sie ihm nicht länger gehören.

Sein Herz raste, sein Atem ging flach. Kerzengrade saß er in seinem Bett, die Decke achtlos zur Seite geworfen. Er sah ihre Gesichter noch immer vor sich in der Dunkelheit, hörte noch immer ihre Stimmen in seinem Kopf.
„Wieso Kakashi? Wieso hast du uns alle umgebracht?"
Ruckartig schwang er seine Beine aus dem Bett. Raschen Schrittes stürmte er in die Küche, stolperte zu dem kleinen Waschbecken, öffnete den Wasserhahn. Er musste dieses Blut von seinen Händen waschen. Fest begann er seine Finger aneinander zu reiben. Er wollte dieses Blut nicht mehr an den Händen haben. Wie in Trance wusch er seine Hände, merkte kaum was er da tat, sah nur das rote Nass, das an seiner Haut klebte.
Das Wasser des Wasserhahns färbte sich vor seinem entsetzt geweitetem Auge rot und verschwand nach und nach im Abfluss. Doch je mehr Blut er abwusch, desto mehr Blut sammelte sich auf seinen Händen. Seine Beine zitterten, drohten unter dem Druck nachzugeben. All dieses Blut, für das er verantwortlich war.
Langsam sackte er auf die Knie, sank langsam vor seiner Küchenzeile zusammen. Vorsichtig lehnte er seine Stirn an das kühle Metall.
Er musste sich beruhigen, durfte sich nicht diesen Erinnerungen hingeben.
Tief durchatmend versuchte er sich und seinen Herzschlag zu beruhigen.
Er hatte nur geträumt.
Langsam öffnete er die müden Augen, hielt sich seine zitterten Hände vor das Gesicht.
Kein Blut. Er hatte es sich nur eingebildet. Ein erschöpftes Seufzen entwich ihm. Er hatte nur schlecht geträumt, nichts von dem war passiert.
Gemächlich senkten sich seine Lider wieder, nahmen ihm die Sicht. Er spürte lediglich das kalte Metall an seiner Stirn und die Schmerzen in seinem Inneren. Manchmal wünschte er sich, er könne seine Wut, seinen Hass und seine gesamte Trauer hinausschreien, doch jeder Ton blieb in seiner Kehle stecken. Wie sehr wünschte er sich, zu weinen, all seiner Trauer Ausdruck zu verleihen, doch sein Körper verweigerte es ihm sich so zu erleichtern. Vielleicht hatte er es einfach nicht verdient. Vielleicht war es seine Strafe für immer mit dieser Last zu leben.

Ein lautloser Schrei entwich ihrer Kehle und ihr Rücken bog sich durch, als sie die Augen aufriss. Schweiß stand auf ihrer Stirn, ihr Herz raste. Ihre Finger krallten sich in die Matratze unter ihr, während ihre blauen Augen die Decke fixierten.
Es war nur ein Traum. Nur ein Traum.
Sie presste die Lippen zusammen, um ein Schluchzen zu unterdrücken.
Diese Träume, sie verfolgten sie, ließen sie nicht schlafen. Dass sie wieder versagt hatte und Itachi nicht gefunden hatte, machte es nicht besser. Jede Nacht sah sie sein enttäuschtes Gesicht vor ihr, hörte seine anklagende Stimme.
Leise, unkontrollierbar schlichen sich einige wenige Tränen aus Kyokos Augenwinkel, liefen ihre Wangen hinab und verschwanden schließlich auf dem weißen Stoff ihres Kissen. Sie starrte einfach weiter an die Decke, machte sich nicht einmal die Mühe sie wegzuwischen.
Sie hatte abermals versagt und war nach Konoha ohne Hinweise zurückgekommen.
Ihre Hände ballten sich zu Fäusten, sie war wütend auf Tobi, weil er Itachi versteckt hatte, auf Itachi, weil er einfach gestorben war und auf Sasuke, weil er unbedingt seinen Bruder hatte töten müssen. Und sie war wütend auf die ganze Welt, dass es so grausam auf ihr zuging und immer wieder schreckliche Dinge passierten. Aber allem voran war sie sauer auf sich selbst, weil sie es nie schaffte auch nur eines der grausamen Dinge zu verhindern.
Schwerfällig erhob sie sich aus ihren warmen Decken und stützte das Gesicht in die Hände. Sie war erst am Abend zurückgekehrt und direkt ins Bett gefallen. Dass sie jetzt wieder keinen Schlaf fand, würde sich am nächsten Morgen sicherlich in unschönen Augenringen bemerkbar machen. Doch an Schlaf war jetzt nicht mehr zu denken. Schon allein bei dem Gedanken daran die Augen wieder zu schließen und all die toten Gesichter zu sehen, zog sich ihr Magen zusammen.
Sie schwang ihre Beine über die Bettkante und erhob sich langsam. Vielleicht würde sie, wenn sie sich ein wenig bewegte zur Ruhe kommen können. Zielstrebig schritt sie zu Minatos Schreibtisch und griff nach einem weißen Umhang, den sie beim Aufräumen gefunden hatte. Routiniert steckte sie ihre Arme durch die weiten Ärmel und zog den Stoff fest um sich. Die roten Flammen, die den unteren Rand des Stoffes zierten, wiegten sich leicht im Wind, als sie die Balkontür aufstieß und an die frische Luft trat.
Tief atmete sie durch in der Hoffnung die kühle Brise würde ihre Gedanken beruhigen. Ihre Hände umschlossen das kalte Metallgeländer und ihr Blick wandte sich gen Himmel.
Was würde ihr Bruder jetzt wohl von ihr denken, wenn er sie so sehen könnte? Wahrscheinlich hätte er geschwiegen und sie einfach in den Arm genommen. Minato hatte immer die Gabe gehabt, genau zu wissen was sie in bestimmten Situationen brauchte und jetzt, in diesem Moment wäre eine Umarmung wirklich nicht schlecht gewesen.
Sie seufzte.
Und nachdem er sie umarmt hatte, hätte er sie sicherlich darauf hingewiesen, dass sie den Mantel ausziehen sollte. Als regulärer Shinobi durfte sie nicht den Mantel eines Hokagen tragen, ob es nun der Originalmantel war oder nur der Ersatz.
Doch Kyoko war es egal, ob es verboten war oder nicht. Sie klammerte sich an jeden noch so kleinen Halm, der ihr half sich ihrem Bruder nahe zu fühlen.
Langsam senkte sie den Blick. Eine leichte Regung unter ihr hatte ihre Aufmerksamkeit in Anspruch genommen und neugierig starrte sie auf den Weg hinab. Wer war um diese Zeit noch wach?
Im seichten Licht des Mondes erkannte sie silbernes Haar. Kakashi? Ihr Herz wurde schwer. Er konnte sicherlich auch nicht schlafen. Wahrscheinlich wurde er auch von seinen Erinnerungen verfolgt.
Als er sie bemerkt, blieb er kurz stehen, fixierte sie mit dem Blick seines schwarzen Auges. Niedergeschlagen und verletzt glänzte es im matten Licht, aber auch verständnisvoll und mitleidig. Sie nickte ihm zu, zwang sich zu einem schwachen Lächeln, war sich jedoch sicher, dass es ihre Augen nicht erreichte.
Sie konnte sehen, wie er seine Muskeln anspannte und mit einem leisen Zischen, in die Höhe sprang. Ein kaum wahrnehmbares Rumpeln hinter sich, ließ sie entspannt die Augen schließen. Er hatte sich hinter ihr auf dem Dach niedergelassen, sie brauchte sich nicht umdrehen um das zu wissen.
Sie wollten beide nicht alleine sein, doch genauso wenig war dies die Zeit zu reden. Und so gaben sie sich damit zufrieden gemeinsam in den Himmel zu blicken.

Müde ging Kakashi am nächsten Morgen durch die Straßen Konohas. Er hatte die ganze Nacht keinen Schlaf mehr finden können, auch als Kyoko irgendwann den Balkon verlassen und wieder ins Bett gegangen war, hatten seine Gedanken ihn wach gehalten. Ihm war nicht entgangen, dass sie den alten Mantel seines Senseis getragen hatte, doch er war der letzte, der sie deswegen beim Hokage anschwärzen würde. Sie würde niemandem damit schaden und solange es ihr half, würde er ihr diese Erinnerung nicht nehmen.
„Sensei Kakashi!" Er schreckte unmerklich zusammen. Dadurch, dass er so schläfrig war, hatte er nicht auf seine Umgebung geachtet und wurde nun von vier strahlenden Personen in die Zange genommen. Skeptisch sah er Ino und Sakura an, die gemeinsam mit Baku und Gai seinen Weg versperrten.
„Ja, bitte?", fragte er vorsichtig nach, da dieses breite Grinsen doch ein wenig besorgniserregend war und er in seinem jetzigen Zustand keine Lust hatte irgendwelche seltsamen Pläne zu verfolgen.
„Wie du sicherlich weißt hat Kyoko heute Geburtstag.", begann Baku und Kakashi schluckte schwer. Natürlich, dass hatte er ganz vergessen, dabei hatte er ihre Akte doch erst letztens gelesen.
„Wir planen eine Überraschungsparty und du musst natürlich auch kommen, alter Rivale. Mit unserer unerschöpflichen Kraft der Jugend wird das die beste Feier, die es je in Konoha gegeben hat.", brachte es Gai begeistert auf den Punkt und stieß seine Faust euphorisch in die Höhe.
Er wurde das Gefühl nicht los, dass das keine Party nach seinem Geschmack werden würde. Wenn Baku plante wurde nicht nur reichlich Alkohol ausgeschenkt, sondern auch ziemlich seltsame Spiele gespielt. Dass er Kyoko trotzdem nicht versetzen würde, war ihm klar, er konnte ja zumindest einmal vorbeischauen.
„Danke für die Einladung. Ich werde kommen.", nahm er die Einladung dankend an und deutete eine leichte Verbeugung an, ehe er sich wieder auf den Weg machen wollte. Vielleicht würde er ja noch ein wenig Schlaf finden, wenn er am Abend wieder so lange aufbleiben musste. Doch die Vier ließen ihn nicht ziehen und versperrten noch immer seinen Weg. Verwirrt zog er eine Augenbraue in die Höhe.
„Nun ja, Kakashi, es gibt noch etwas, das du für uns tun könntest." Breit grinsend kratzte sich Baku über sein kurzes Haar und die beiden Mädchen kicherten besorgniserregend.
Vielleicht hätte er bereits zu Beginn dieser Konversation die Flucht ergreifen sollen.
„Es ist ja eine Überraschungsparty und.. nun ja... wir sind alle beschäftigt, deswegen dachten wir, du könntest sie eventuell abholen und dann heimlich zu unserer Feier bringen."
Es war einer der Momente, in denen Kakashi froh war einmal ein Anbu gewesen zu sein und seine Gesichtszüge so außerordentlich gut zu beherrschen. So blieb er ruhig, sein Auge musterte lediglich misstrauisch die schmunzelnden Gesichter vor ihm. Er wurde den Gedanken nicht los, dass das nicht der Grund war, warum er gefragt worden war.
„Ihr werdet doch nicht alle vier zu tun haben, oder?", erwiderte er betont desinteressiert und Ino und Sakura tauschten einen vielsagenden Blick aus. Mädchen, besonders in diesem Alter, waren ungemein kompliziert. Es schien ihm nicht selten so, als würden sie eine ganz andere Sprache sprechen. Eine Sprache, die dem männlichen Geschlecht wohl schon aus Prinzip vorenthalten wurde.
„Nein, wir können alle nicht.", entgegnete Sakura schlicht und stupste Ino an, die anscheinend sofort verstand und sein Handgelenk umgriff. Überrascht wehrte er sich nicht und ließ sich die Straße entlang ziehen.
„Außerdem wird sie sich sicherlich freuen.", meinte Sakura, die tänzelnd neben dem perplexen Kakashi her hüpfte, während Gai und Baku ihnen folgten.
„Hier, nehmen Sie die mit." Erst bei dem Yamanaka Blumenladen hatte die Blonde sein Handgelenk losgelassen und unter einem schmalen Tisch einen bereits präparierten Blumenstrauß hervorgezogen, den sie ihm nun gegen die Brust drückte, sodass er gezwungen war ihn entgegen zu nehmen. Misstrauisch sah er hinab. Rosane Rosen? Wirklich? War das für eine Geburtstagsparty nicht ein wenig kitschig?
„Rosen..?", tat er sein Missfallen kund, doch Ino ließ sich nicht verunsichern, erhöhte lediglich den Druck auf seiner Brust.
„Ihre Lieblingsblumen.", erklärte sie nur. Erwartungsvoll beobachteten ihn die vier Shinobi und er seufzte. Was sollte er nun tun? Er hatte nicht pünktlich zu der Party kommen wollen, in der Hoffnung so viel wie möglich davon zu verpassen. Außerdem wollte er sich der Kunoichi nicht aufdrängen und das tat er mit so einem gewaltigen Strauß Rosen auf jeden Fall. Er hatte sich zwar geschworen auf sie aufzupassen, aber sie war immerhin die kleine Schwester seines Senseis und keine Frau, der man Rosen schenkte.
Doch so viel auch dafürsprach abzulehnen, sprachen die Gesichter der anderen Bände. Egal, was er sagen und egal wie oft er ablehnen würde, sie würden ihn keinesfalls damit durchkommen lassen. Sie hatten es sich fest in den Kopf gesetzt, dass er sie zu der Feier bringen sollte, was auch immer sie sich dabei gedacht hatten, und er würde so oder so nicht darum herum kommen.
„Na schön.", gab er resignierend nach. Wenn er jetzt einfach zustimmte, hatte er zumindest den restlichen Tag Ruhe und konnte sein Buch lesen und etwas schlafen und würde nicht weiterhin von den Vieren genervt.
Das Grinsen auf den Gesichtern der Shinobi wurde wenn möglich noch breiter und Gai jagte dem Silberhaarigen mittlerweile wirklich ein wenig Angst ein, doch als er den Blumenstrauß mit seiner Hand umschlossen hatte, wandten sich die vier Chaoten bereits von ihm ab.
„Um acht Uhr dann.", rief Baku über seine Schulter und hob zum Abschied eine Hand. Eine Geste, die von dem verstimmten Kakashi nicht erwidert wurde.
„Ich weiß du wirst diese Aufgabe mit all deiner Energie erfüllen, alter Rivale.", munterte Gai ihn auf, bevor er mit den anderen um die Ecke bog.
Verloren sah er auf den gewaltigen Strauß in seinen Händen hinab. Hätte Kyoko nicht andere Lieblingsblumen haben können? Gänseblümchen vielleicht, das hätte nicht halb so übertrieben gewirkt.
Erschöpft massierte er sich mit seinen Finger den Nasenrücken.
Worauf hatte er sich nun schon wieder eingelassen?

Kyoko Namikaze - Die Geschichte einer KämpferinWhere stories live. Discover now