15.

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Ich habe ein schlechtes Gewissen. Gut, ich gebe es zu, ich hätte vielleicht Fynn Nachhause begleiten sollen, schließlich ist er ja zu mir gekommen und nicht zu Lukas.

Aber vielleicht war er ja einfach nur in der Nähe des Cafés, und da dachte er, ich könnte ihm ja helfen?

... Oder er wollte ganz bestimmt zu mir?

Schließlich mag er mich jetzt doch mehr als er eigentlich wollte, aber was heißt mögen bei Jungs?

Mögen auf die Art: 'Wir könnten Freunde werden', mögen auf die Art: 'Ich könnte mir mehr zwischen uns vorstellen' oder aber die andere Art mögen: 'Für eine Nacht tut's die auch'?

Letzteres und zweitens kann er sich gleich abschminken. Weder will ich momentan etwas feste (Angst davor, meinen ersten Kuss zu versauen) noch, bin ich für einen One-Night-Stand zu haben, also so bleibt ihm nur noch die Freunde-Variante.

Sieht uns Fynn wirklich mittlerweile als Freunde? Ich meine okay, wir kennen uns schon bald ein Jahr, aber sollten Freunde nicht irgendwelche Geheimnisse haben, Erlebnisse haben oder Insider-Witze vertreten? Das haben wir doch alles gar nicht, wie sollen wir da dann Freunde werden?

Ich sitze am Esstisch in der Küche und starre seit gefühlter Ewigkeit das Telefon vor mir an. Es scheint als wolle es mich dazu zwingen Fynn endlich anzurufen und ihn nach seinem Wohlbefinden zu fragen.

Ich habe neben mir sogar eine Liste gelegt mit Punkten die dafür und dagegen sprechen.

Dagegen:
- Er könnte sich über mich lustig machen
- Ich wähle die falsche Nummer
- Er hätte totales Blackout und wüsste gar nicht dass er bei mir im Cafè gestern war.
-  Er könnte mir sein Herz ausschütten weil er noch Restalkohol im Blut hat. (Und auf eine Psychologin zu spielen habe ich keine Lust)
- Er könnte Besuch haben und ich würde stören
- Ich wüsste nicht was ich reden soll und würde panisch auflegen

Dafür:
- Mein schlechtes Gewissen beseitigen.
- Ich würde sein Wohlbefinden wissen.

Ich stelle fest das mehr Argumente gegen das Wählen von Fynns Nummer sprechen, und dennoch sitze ich vor dem Telefon, dass mir noch nie so sehr Angst gemacht hat.

Ich bin verklemmt. Ich wage nichts und ich traue mich nichts. Wie Fynn es gesagt hat. Ich. bin. verklemmt.

Nach weiteren zehn Minuten in denen mich das Ticken der Uhr wahnsinnig gemacht hat, halte ich schließlich den Hörer an mein Ohr und habe laut Telefonbuch Fynns Nummer gewählt.

Aufgeregt kratze ich mit den Fingernägeln auf dem Holztisch an den Ecken herum.

,,Hallo hier bei Morrisons?“, tönt eine weibliche Stimme aus dem Hörer.

Ich weiß nicht ob ich erleichtert oder angespannt sein soll das Stella abgenommen hat. Ich hatte schon Hoffnung geschöpft, dass niemand dran gehen würde. So könnte ich mir selbst einreden, dass ich es wenigstens probiert habe.

,,Hallo hier ist Emma, ist Fynn da?“ Ich beiße mir nervös auf die Unterlippe.

Lass ihn bitte nicht da sein, bitte nicht.

,,Fynn? Oh ja, ich gebe ihn dir, warte einen Moment.“

Verflucht!

Man hört Treppengeräusche und dann ein leises Hintergrundgespräch. Vielleicht hat er auch einfach keine Lust mit mir zu reden.

,,Emma?“ Fynns raue Stimme löst Gähnsehaut auf meiner Haut aus.

,,H-hey, ich ähm ich wollte wissen wie es dir geht, wegen gestern und so?“

Vielleicht mag ich dich ja morgen? Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt