11.

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,,Schokolade?“, frage ich so sozial wie ich bin und breche mir ein Stück von der Schokolade ab bevor ich sie ihm entgegen strecke.

Er blickt auf die Schokolade und dann zu mir hoch. ,,Nein“, antwortet er gleichgültig, ja schon fast sauer und läuft weiter.

Dann eben nicht, da will man einmal nett sein, und was ist der Dank? Nichts. Mir recht, dann bleibt mir mehr übrig, wenn dann hätte er eh nur ein kleines Stück bekommen. Ein sehr kleines.

Das Hotel kommt mir in mein Blickfeld und ich spute mich. Endlich, eine Stunde Fußmarsch und ein schlecht gelaunter Fynn später, haben wir es geschafft.
Dazu muss ich aber Fynn (wenn das auch nur sehr selten vorkommt) danken, er hat mit meinem Tempo mitgehalten und nicht rumgemotzt, weil ich ein wenig länger gebraucht habe wegen meinem Fuß. Das war, wenn ich es auch ungern sage, eine wirkliche Heldentat.

Wir klettern den Weg vorsichtig hinunter bis wir an einer geteerten Straße ankommen. Ich könnte Freudensprünge machen als ich unser Hotel immer näher auf uns zukommen sehe, nur leider würde mein Fuß das nicht mit machen.

,,Wir haben es geschafft!“ Ich drehe mich strahlend zu Fynn zu, der nur lustlos ein Stein vor sich hin kickt und etwas unverständlich brummt. Der Idiot wird mir jetzt bestimmt nicht meine gute Laune versauen!

...

,,Oh Gott Emma!“ Mama kommt heulend die Treppen hinunter auf die Rezeption an der Fynn und ich stehen gerannt, Papa und Stella hinterher.

Nachdem wir im Hotel angekommen sind, wurde erst einmal ein riesen Trallala gemacht. Franz hatte recht, hier war wirklich die Hölle los.

Nachdem wir versichert hatten dass es uns gut geht, wir bis auf meinen Knöchel unverletzt sind und ganz sicher die zwei gesuchten Teenager sind, wurde mein Fuß richtig verarztet. Erst dann wurden unseren Eltern auf dem Zimmer angerufen und Bescheid gegeben.

Und jetzt liege ich hier. In den Armen meiner Mutter. Die mein ganzes T-Shirt voll heult.

,,Dir geht es wirklich gut mein Schatz“, Mum streicht mir durch mein Haar und weint wieder. ,,Ich habe mir solche Sorgen gemacht, dir könnte etwas passiert sein“

,,Mir geht es gut Mama“, ich schlinge meine Arme um ihre Hüfte. ,,Fynn hat mir geholfen meinen Knöchel zu verbinden, er hat mich auch gestützt, und er hat uns eine Übernachtungsunterkunft gesucht...“ 'wenn auch illegal' füge ich in Gedanken hinzu.

,,Wirklich?“, Mama löst sich von mir und sieht mich überrascht an. ,,Dass ist wirklich nett von Fynn, das macht nicht jeder.“ klar, sie versucht ihre Freude darüber runterzuspielen. In Wirklichkeit ist Fynn in ihren Augen schon der perfekte Schwiegersohn und sie plant die Hochzeit. *Augen verdrehen*

Im Nachhinein fällt mir auf, das Fynn in den letzten 10 Stunden tatsächlich ein wahrer Gentleman war. Er hat mich zu der Hütte gestützt, er hat die Tür eingebrochen ohne über die Konsequenzen zu rätseln, er hat ohne zu meckern meine Klamotten aufgehängt, er hat uns eine Decke auf den Boden gelegt und dafür gesorgt dass wir nicht frieren, er hat meinen Knöchel verbunden und er hat mich in der ganzen Zeit nicht ein einziges mal blöd hingestellt oder sich über mich lustig gemacht. Fynn hat wirklich zwei Seiten an sich und ich bin irgendwie auch froh, die andere Seite von ihm auch mal kennengelernt zu haben.

,,Nein“, ich lächle und sehe zu Fynn und seiner Mutter die sich angeregt unterhalten, auch ihr sind die Tränen in den Augen anzusehen. ,,Das macht nicht jeder.“

Fynn ist nicht so schlimm wie ich immer dachte. Gut, er ist (wenn man nicht gerade in Not ist) wirklich nicht auszuhalten, aber er hat sehr viel Stärke gezeigt als er sich um mich gesorgt hat, und das verleiht ihm einige Plus-Punkte.

,,Emma kommst du?“ Papa steht an der Treppe und sieht mich erwartungsvoll an. ,,Wir packen noch zu Ende und dann gehen wir“

Ich humpele ihm hinterher nach oben und begrüße erst einmal Merle die mich schon freudig empfängt.

Meine Klamotten lege ich ein wenig ordentlicher zusammen und setze mich dann auf meinen Koffer um das Mist Ding irgendwie zu kriegen.

Reist Fynn heute nicht auch ab? Lindas Studium beginnt doch wieder?
Vielleicht sehe ich ihn ja vor der Abreise noch einmal und kann mich bei ihm bedanken. Für alles.

...

Fünf Stunden später sitze ich wieder in meinem Zimmer auf dem Bett und lese ein Buch. Mein Bein habe ich auf einem Kissen gepolstert und Mama hat darauf bestanden ein Kühl-Akku drauf zu legen.

Fynn habe ich zuletzt in der Empfangshalle bei unserem Wiedersehen gesehen. Irgendwie finde ich es schade ihm nicht mehr richtig tschüss und danke gesagt zu haben. Ich weiß, wir wohnen in der selben Stadt, aber wer weiß, wann wir uns das nächste mal Wiedersehen? Vielleicht ist er nach den Ferien gar nicht mehr auf meiner Schule? Vielleicht ist er umgezogen oder plötzlich für ein Auslandsjahr weg, vielleicht erbt er irgendwo in Amerika etwas und zieht weg, oder ihm stößt etwas zu!?

Okay, ich denke zu viel nach, nach den Ferien wird sich nichts verändert haben. Alles wird gleich bleiben. Aber wie wird das Aufeinander Treffen von mir und Fynn aussehen? Werden wir uns wieder ärgern wie immer, werden wir uns benehmen?

,,Klopf, klopf. Sie haben Schokoeis und Liebesschnulzen bestellt?“

Ich sehe von meinem Buch auf und muss lächeln als Lucy mit Schokoeis in dem schon zwei Löffel stecken und drei DVDs in der Tür steht. ,,Deine Mum hat mich rein gelassen“

Ich lege den Laptop auf mein Bett, klappe ihn auf und fahre ihn schon einmal hoch. Lucy lässt sich neben mich auf mein Bett fallen und nimmt einen Löffel Schokoeis während ich The Choice in den Player lege.

,,So, so Fynn also?“ sie wackelt anzüglich mit den Augenbrauen.

,,Was?“ ich sehe sie entgeistert an. ,,Wie kommst du auf Fynn?“ frage ich mit einem panischen Unterton. Hat er es Lukas doch gesagt und Lucy weiß jetzt was passiert war?

,,Ihr wart mit ihm im Urlaub?“ Sie steckt sich wieder den Löffel in den Mund. Meine Muskeln entspannen sich. Sie weiß es anscheinend doch nicht. Glück gehabt.

Ich atme erleichtert auf. ,,Korrigiere: Wir haben ihn im Urlaub getroffen, wir waren nicht mit ihm im Urlaub“ ich drücke auf Start. ,,und jetzt lass das Eis rüberwachsen“

Sie hält mir den Eisbecher ergeben hin und sieht mich misstrauisch von der Seite an.

,,Ist da was zwischen euch gelaufen? Ein heißer Urlaubsflirt? Sex? Mehr als Sex? Freundschaft Plus?“

,,Sag mal dir geht es schon gut oder?“ lache ich nervös auf. ,,Es war weder ein heißer Urlaubsflirt noch Sex und Freundschaft Plus ist etwas zwischen Freunden und Fynn und ich sind keine Freunde!“

Denke ich zumindest. Sind wir jetzt denn Freunde? Klar die Zeit in den letzten 36 Stunden hat uns vielleicht näher gebracht aber Freunde sind wir doch noch nicht...

,,Also hat sich nichts zwischen euch verändert, kein Knistern, keine Fünkchen, kein One-Night-Stand, nichts“, Lucy sieht enttäuscht aus. ,,Nicht einmal ein Bussi auf die Wange?“ fragt sie hoffnungsvoll.

,,Nein“, ich schüttele den Kopf, denke dabei aber an die Nacht mit Fynn, wie ich mich so wohl neben ihm gefühlt habe, und wie gut ich neben ihm geschlafen habe, doch dann fällt mir wieder ein, dass ich zu Fynn gesagt habe dass wir diese Nacht besser vergessen sollten. ,,Nichts Lucy.“

Ich senke den Blick auf den Laptop.

Vielleicht mag ich dich ja morgen? Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt