Prolog

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Die Schreie konnte man sogar durch das Donnern des Gewitters hören. Schon seit Stunden ging es so. Es gab einen Knall, darauf folgten Schreie von den Frauen und Kindern. Das Donnern war durch die Geräusche, die die Monster mit ihren Waffen und ihrer Magie schufen, nicht mehr zuhören. Jeder fragte sich, wann und ob überhaupt diese Kämpfe endlich endeten. Aber das war nicht das einzige was sie, die dort oben im Turm saß und um ihr Leben bangte und noch viel mehr um das ihres Kindes, welches sie noch in sich trug, beschäftigte. Sie war die mächtigste Frau im Land, doch wusste sie nicht wer da unten in der Stadt die armen, wehrlosen Kinder tötete, noch wer hinter alldem steckte. Das Zimmer, in das man sie gebracht hatte, wohl aus Schutz vor diesen Ungeheuern, hatte zwar ein Fenster, aber durch die schwarzen Wolken, aus denen der Regen nur so schüttete, die den Vollmond verdeckten und den dicken, undurchdringlichen Rauch der Feuer, konnte sie die Bestien drunten nicht erkennen. Aber wieso wusste sie das es Bestien waren und nicht normale Menschen, wie sie es einer war? Ja, wieso wusste sie überhaupt das es Vollmond war? Schon seit Wochen hatte sie den Sternenhimmel nicht mehr sehen können.Von Stunde zu Stunde brachte man sie an andere Orte, nur damit sie nicht unter die Klinge eines dieser bösen, widerwärtigen Ungeheuer kommt. Aber waren sie wirklich Böse? Diese Kämpfe, ja, dieser Krieg dauerte schon so lange, dass sie langsam selber den Glauben an ihre Seite verlierte. Wer hatte denn festgelegt, dass ihre Seite die Gute, die Weiße, ja, die Reine war und die der Wesen, die dort unten immer noch jeden niederschlugen, der sich ihnen in den Weg stellte, die böse, die dunkle oder die schmutzige Seite war. Jeder hatte doch schließlich seine eigene Meinung und vielleicht stellte sich später heraus, dass die angeblich böse Seite eigentlich die Gute ist und der Herrscher, wer auch immer er sein mag, viel besser regieren und er auch gerechter ist. Für das Volk wäre das doch bestimmt angenehmer, wenn sie nicht mehr so hohe Steuern zahlen müssten. Wieso stellten sich diese Dummköpfe dann gegen die Kreaturen? Doch hätte die Frau in diesem Moment gewusst, was alle Leute in der Stadt wussten, dann hätte sie wahrscheinlich an dieser Stelle etwas anderes gedacht.

Plötzlich wurde sie durch ein beben aus ihren Gedanken gerissen. Ein ohrenbetäubender Knall ertönte, jemand rief und gab Befehle weiter. Die Tür zu ihrem Zimmer wurde aufgerissen. Der Kopf einer Zofe kam zum Vorschein und als sie das verängstigte Gesicht sah, wurde ihr im Bruchteil einer Sekunde klar, dass ihre Gegner die Burg und die gesamte Stadt eingenommen hatten. Trotzdem fragte sie:

„Was ist passiert, Penelope?“

„Es ist so schrecklich, Herrin!“ , antwortete die Zofe beinahe schon hysterisch. „Sie haben die Stadt eingenommen und die gnädigen Herren haben sich jetzt dazu entschlossen zu fliehen. Man hat mich damit beauftragt Ihnen Bescheid zu geben. Der Herr hat angeordnet, dass sie nur das Nötigste zusammenpacken sollen. Die Wachen vor der Tür werden Sie sicher zur Kutsche geleiten.“

Also hatte sie Recht gehabt. Die Stadt und die Burg waren gefallen. Wieder war ein Teil der Stadt in die Finger der Gegner gerutscht. Bald würden es keine Orte mehr geben, an die man sie, ihr Gemahl und vor allem das Kind verstecken könnte.

„Ist gut, Penelope. Ich werde gehen. Aber was ist mit dir?“

Sie kannte die Zofe schon fast ihr ganzes Leben. Schon seit Penelope zwölf Jahre alt gewesen war, arbeitete sie für sie. Das waren jetzt neunzehn Jahre her. Sie wollte nicht, dass sie starb, genauso wie die anderen armen Seelen, die dort unten vor dem Turm auf ewig schlafen würden.

„Mit mir, Herrin? Ach, ich bin nicht so wichtig wir Ihr. Sie und Ihr Kind müssen in Sicherheit gebracht werden - “

„Du auch! Du bist auch ein Mensch wie ich. Also packe auch deine Sachen zusammen. Wenn du fertig bist, komme so schnell es geht wieder hierher. Ich werde nicht ohne dich gehen, nein, ich werde vielmehr auf dich warten.“

Perle des LichtesDonde viven las historias. Descúbrelo ahora