#98 - Aufregung

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Keiner der beiden antwortete etwas. Tja, keiner hatte wohl so weit gedacht wie ich es gerade getan hatte...

„Wäre es dir lieber gewesen, wenn Jana nicht mitgemacht hätte?!", verteidigte Leo unsere Cousine und kam zu mir herüber. Er stützte sich mit beiden Händen gegenüber von mir auf der Tischplatte ab und beugte sich zu mir herunter. Er nagelte mich mit seinem Blick fest und sagte leise und eindringlich: „Es besteht immer noch eine kleine – aber vorhandene! – Chance, dass Jana gewinnt.  Wie blöd wären wir denn, wenn wir bei dem Gewinnspiel nicht mitgemacht hätten?!"

„Wie, ihr habt das zusammengemacht?!", fragte ich verblüfft und sah zwischen den beiden hin und her.

„Klar", Leo zuckte mit den Schultern, „wir lassen unsere liebe Sam doch nicht in ihrem Liebeskummer versauern. Sie ist da schon seit Mittwoch angemeldet und es war uns herzlich egal", er hob jetzt die Stimme und sah mich warnend an, da ich den Mund aufgemacht hatte, um zu protestieren, „ob du ihm nicht begegnen willst. Wir haben keine Lust, dir länger beim Leiden zuzugucken und haben das eben gemacht."

Jetzt war ich ein wenig sprachlos und schaute immer noch ziemlich dumm von Jana zu Leo und wieder zurück und so weiter.

„Das sind nämlich VIP-Karten", fuhr Jana aufgeregt fort und hüpfte jetzt neben Leo, wo sie hibbelig stehen blieb und mich aus großen Augen strahlend ansah. „Also man sitzt irgendwo ganz vorne unten in der Arena, nicht oben auf den Rängen, und dann darf man nach dem Konzert in den Backstage-Bereich und mit den Jungs Fotos macheeeeen und man kriegt so ein riesengroßes Fan-Geschenk-Paket geschenkt!!! Aahh, oh Gott!!"

Ihre Augen leuchteten und wenn sie sie noch weiter aufreißen würde, würden sie ihr wahrscheinlich bald aus dem Kopf herauskullern.

„Das wäre doch die Gelegenheit, erstens" – Leo hielt einen Finger direkt vor meinem Gesicht nach oben – „dass du ihn überhaupt mal wieder siehst, zweitens" – er hielt einen zweiten Finger hoch – „dass ihr miteinander redet, und drittens" – Finger Nummer drei war jetzt in meinem Sichtfeld – „dass ihr Nummern tauscht oder irgendwie sowas, damit ihr euch mal treffen und reden könnt. – Und was dann halt noch so alles dazu kommt." Er zwinkerte mich provozierend an und ich verdrehte automatisch die Augen.

Ich verschränkte die Arme vor der Brust und musste insgeheim zugeben, dass die beiden Recht hatten. Es wäre ganz schön dumm gewesen, bei dem Gewinnspiel nicht mitzumachen.

„Und wann erfährst du, ob du gewonnen hast oder nicht? Wie viele Karten werden da überhaupt verlost?", fragte ich Jana.

„Das kommt um halb sieben im Radio", quietschte sie aufgeregt, als sie auf die Uhr blickte und sah, dass es kurz vor sechs war. „Und es werden zehnmal zwei Karten verlost."

Okay, so gering war die Chance dann vielleicht doch nicht, dass man gewann. Naja, obwohl... So viele tausend verrückte One-Direction-Fans, wie da mitmachen werden... da schrumpfte die Chance dann doch wieder ziemlich auf ein Nullniveau herunter...

Ich seufzte.

„Wo ist Mom eigentlich?", fragte ich Leo. Der zuckte nur mit den Schultern. „Keine Ahnung, sie musste kurz ins Büro."

Ich grummelte. „Kurz. Das ist bei Mom eh wieder ewig und dann kommt sie erst um halb elf oder so wieder..."

Leo nickte zustimmend und verzog das Gesicht.

Im nächsten Moment klingelte es an der Haustür.

„Ich gehe schon", seufzte Leo und löste seine Hände von der Tischplatte und verschwand im Gang.

Okay, puh, durchatmen.

Klar, mein Herzschlag spielte schon wieder vollkommen verrückt. Es gab eine Chance, dass ich Harry morgen – morgen! MORGEN!!! – sehen würde. Sie war total gering, aber hey, sie war immerhin vorhanden.

Jetzt machte ich mir Hoffnungen. Genau das hatte ich vorhin gemeint. Das durfte ich nicht tun, ich durfte nicht daran glauben, dass wir zwei Karten gewinnen würden.

„Heeeeey!", sagte Caro, als sie in unsere Küche wirbelte und mich an sich drückte. „Das ist ja so abgefahren, ich kann das gar nicht glauben, das ist so krass, ich hätte das niemals für möglich gehalten, woah, abgefahren, mega,..."

„Lass mich raten, Jana hat dir den Link geschickt?", sagte ich, während ich von ihr mit Bussis auf den Wangen übersät wurde.

„Okay okay, Caro, jetzt krieg dich wieder ein!", versuchte ich, sie zu stoppen, und es ging auch einigermaßen. Sie ließ sich auf den anderen Barhocker plumpsen und sah mich aus ihren großen blauen Augen an.

Kopfschüttelnd sagte sie: „Das ist so krass..."

„Jaaaaa und wir werden Harryschnuffi morgen hoffentlich gegenüberstehen!", quäkte Jana aufgeregt dazwischen.

„Quatsch", fuhr ich sie ein wenig gereizt an. Das war so ein Bullshit. Niemals würden wir die Karten gewinnen.

„Wieso?!?", fragte Caro an Jana gerichtet und ignorierte mich einfach.

~~~

„Jana, jetzt halt mal still und hör auf, so zu drücken, du tust mir weh!"

Ächzend versuchte ich, meine Hand aus ihren zitternden Händen zu ziehen, aber ihr Schraubstockgriff war so fest, dass ich sie keinen Millimeter verrutschen konnte.

Jana schien mich schon gar nicht mehr zu hören, sie starrte viel zu gebannt auf den Bildschirm meines Laptops.

Ich hatte nämlich im Internet den Radiosender geöffnet, von dem das Gewinnspiel ausgetragen wurde. Jetzt saßen wir alle vier auf meinem Bett und fieberten halb sieben entgegen – Jana komplett aufgedreht, Leo ein wenig nervös, Caro laut und Haare raufend...und ich einfach nur mit mulmigem Gefühl im Bauch.

Ich wollte die Karte unbedingt gewinnen, versteht mich nicht falsch! Natürlich wollte ich das, ich wäre ganz schön blöd, wenn ich das nicht wollen würde! Aber ihr müsst selber zugeben, die Chance, dass wir (beziehungsweise Jana) gewannen, war einfach nur hauchdünn. Es war im Prinzip unmöglich...

„Oh Gott oh Gott oh Gott ich flippe gleich aus!!!", keuchte Jana und zerquetschte meine Hand noch mehr.

„Das tust du schon längst", informierte sie Leo, der es sich am Kopfende meines Bettes bequem gemacht hatte und uns drei jetzt beobachtete.

Jana öffnete den Mund, um zu antworten, aber in dem Moment hörten wir, wie der Moderator den Song, der gerade spielte, unterbrach und anfing zu reden.

HeartbeatWhere stories live. Discover now