#33 - Wow

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Joy machte sie selbstbewusst auf und ich ging hinter ihr in den Raum hinein. Es war ein typischer Bürohaus-Besprechungsraum – ein großer, runder Tisch in der Mitte, um den unzählige Stühle standen, dann doch ein paar Kommoden an den Wänden und eine der vier Wände war eine große Fensterfront.

Sah aus wie aus einem Film entsprungen.

„Hallo, die Damen", hörte ich jemand sagen.

Amerikanischer Akzent.

Eindeutig New York, das hörte ich sofort.

Ich drehte mich in die Richtung, aus der die Stimme kam, und uns blickte ein dunkelhäutiger Mann in einem hellgrauen Anzug entgegen. Er sah sehr freundlich aus, vielleicht Ende zwanzig, kurze schwarze Haare und schwarze Augen, die jetzt von seinem Lächeln erstrahlte.

„Hallo", antworteten Joy und ich fast zeitgleich. Er kam auf uns zu und schüttelte erst mir, dann Joy die Hand.

„Ihr zwei seid...?", fragte er.

„Samantha Ferroni" – „und Joy Rosenthal."

„Ah, Alessandras Tochter und die Hilton-Azubine", sagte er wissend und sein Lächeln wurde breiter.

Wow, der wusste sofort, wer wir waren. Megabrain, würde ich da nur sagen.

Wir grinsten ein wenig schüchtern zurück.

„Ihr dürft hier am Tisch einfach Platz nehmen", erklärte er und deutete mit einer ausladenden Bewegung auf den Tisch. Joy und ich bedankten uns und gingen ein Stück um den Tisch herum und ließen uns auf zwei Stühlen in der Mitte des Tisches nieder.

Als wir saßen, begann ich erst, die anderen Leute wahrzunehmen und anzuschauen. Es waren schon ungefähr zwanzig andere da, der Rest würde noch eintrudeln.

Die meisten sahen ganz okay aus. Alle waren so zwanzig bis Anfang oder Mitte zwanzig – da waren Joy und ich dann wohl eine der Jüngsten. Sie war auch achtzehn, das hatte sie mir vorhin erzählt.

Um kurz nach zwei ergriff der dunkelhäutige Mann das Wort.

„Herzlich Willkommen und herzlichen Glückwunsch, dass ihr dabei seid bei den EMAs! – Ich bin jetzt einfach so frei und duze euch alle", sagte er lächelnd und erntete dafür ein paar Lacher unter den angehenden EMAs-Kellnern. „Ich bin Wayne McKenzie, aber da ich euch duze, dürft ihr mich auch duzen. Heute werde ich euch zusammen mit meinem Team in die Kunst des Gastronomiebereichs der obersten Klasse einführen. Keine Angst, es wird nicht sonderlich anders als das normale Kellnern, dass ihr ja schon gewohnt seid."

Er erzählte erst einmal die grundsätzlichen Sachen, die jeder, der in einem Restaurant arbeitet, natürlich weiß. Ich war wirklich froh drüber, dass es nicht anders sein wird als das normale Kellnern.

Nach einer dreiviertel Stunde schloss er seinen Vortrag: „So, jetzt seid ihr informiert, jetzt fahren wir alle rüber zum Saal und dort machen wir weiter."

Mit diesen Worten stand er lächelnd auf und wir folgten ihm wie die Schäfchen.

„Ich bin sooo gespannt, wie das wird am Samstag!", sagte Joy aufgeregt und drückte meinen Arm. Sie war echt süß, ich hatte inzwischen das Gefühl, ich würde sie schon ewig kennen, obwohl es gerade einmal eine Stunde war.

„Ich freue mich auch so wahnsinnig, das wird DAS Erlebnis des Jahres! Besser als der Abiball!", sagte ich lachend und Joy meinte nur: „Hm ich weiß nicht, Abiball ist schon auch mega!" und grinste mich an.

Inzwischen waren wir vor dem Aufzug angekommen – aber naja, es waren ungefähr vierzig Leute, die vom fünften Stock bis ins Erdgeschoss gebracht werden sollten.

Und in den Aufzug passten nur acht Leute hinein.

„Was ist denn das für ein Bürogebäude. Ein Aufzug für acht Leute, also bitte", sagte Joy und verdrehte die Augen.

„Wie wär's mit ein bisschen Sport? Laufen wir doch einfach. Runter ist ja nicht mal halb so anstrengend wie Hochlaufen, das geht schon", schlug ich vor und Joy nickte sofort. Wir schälten uns aus der Masse heraus und liefen auf die Treppe zu. Als sich die Glastür vor mir öffnete (grrr, ich hasse diese Dinger), drehte ich mich kurz um und sah, dass uns ein paar andere folgten, denen das Warten wohl auch zu blöd wurde.

Als wir unten ankamen – dank meinem ausgeprägten Tanztraining hatte mich das Treppe-runter-laufen natürlich null angestrengt – warteten wir auf die anderen, bis wir uns auf den Weg zur U-Bahn machten.

Joy und ich unterhielten uns die ganze Zeit und wir erzählten uns gegenseitig, was wir so machten, über unsere Familie und sowas. Ich fand sie von Minute zu Minute süßer. Sie erinnerte mich ein bisschen an Caro, nur war sie niedlicher und nicht so vorlaut wie Caro. (Nichts gegen meine beste Freundin, ich liebe alles an ihr!)

Als wir da waren, stiegen wir aus und liefen auf das riesige Gebäude zu. Als wir auf dem kleinen Vorplatz waren, sagte ich zu Joy: „Hier laufen am Samstag die Stars. Hier wird der rote Teppich liegen. Ich kann's noch gar nicht fassen."

Joy atmete tief durch und strahlte mich an. „Das ist der Hammer!"

Sie zog mich am Arm schneller Richtung Eingang. Als wir alle drinnen waren, wurden wir erst ein wenig herumgeführt. Die Eingangshalle war der erste Ort unserer Arbeit, dort mussten wir den Empfang ausschenken und mit Tabletts durch die Gegend laufen.

Danach ging es in den Saal. Uns verschlug es allen erst einmal den Atem. Die Vorbereitungen waren schon im vollen Gange und die riesige Bühne war schon fast komplett aufgebaut.

Wayne war uns vorausgelaufen und drehte sich nun zu uns um. Als er unsere ehrfürchtigen Gesichter sah, lächelte er und sagte: „Willkommen in der Welt der Stars!"

In diesem Saal mussten wir nichts machen, denn hier war nur die Verleihung. Durch eine große Doppeltür am anderen Ende des Saals ging es dann in den Speisesaal, wo das riesige Dinner stattfinden wird. Als wir dort durch die Tür traten, verschlug es mir dann so richtig den Atem. Es war riesig – und es war wunderschön. Alles war in einem Burgunderrot gehalten und überall funkelten kleine Lichter, die aussahen wie Sterne, die jemand vom Himmel geklaut hatte. Die großen runden Tische standen alle in einem regelmäßigen Abstand in dem Raum. Was mir besonders gut gefiel, war die Tatsache, dass es keine richtige Ordnung gab in der Tischaufstellung. Sie standen nicht in Reih und Glied, sondern waren unregelmäßig verteilt, was dem ganzes einen lockeren Touch verlieh und es nicht gezwungen aussehen ließ.

„Wow", war alles, was Joy von sich geben konnte und ich nickte nur zustimmend.

Wayne führte uns in einen kleinen Nebenraum, wo dann die richtige Vorbereitung für unseren großen Tag begann.

HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt