13. Kapitel

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"Sherlock, warte auf mich!", rief John und hastete den Flur entlang.

"Hey", sagte er, ein wenig außer Atem, und verschränkte ihre Hände. "Wie war's bei dir?"

"Viel zu einfach. Bei dir?"

"Mein Genie", sagte John grinsend und küsste Sherlock. "Ich weiß nicht. Ich war mir bei vielen Dingen unsicher, aber ich hab alles beantwortet."

"Ach, das wird schon. Wir haben doch gelernt", meinte Sherlock und drückte Johns Hand. Sie verließen das Gebäude und setzten sich draußen auf eine Bank. Es war der 24. Mai und Sherlock und John kamen gerade beide von ihrer letzten Prüfung. Bei Sherlock war es Mathe gewesen, bei John hatte es Chemie sein müssen. Alle anderen Prüfungen waren gut gewesen und er wollte nicht daran denken, was es hieß, wenn er die letzte Prüfung verhauen hätte.

"John, du wirst bestehen. Keine Sorge." Sherlock küsste ihn auf den Kopf. "Was ist das?", fragte er, als John einen Briefumschlag aus seiner Tasche zog.

"Der ist heute morgen angekommen. Es ist die Zusage vom Bart's Krankenhaus. Sherlock, sie haben mich angenommen und warten jetzt nur noch auf meine Noten." Freudestrahlend sah John Sherlock an.

"Das ist toll, John! Ich wusste, dass sie dich nehmen. Und deine Noten werden gut sein. Du wirst Medizin studieren." Sie küssten sich und Sherlock lächelte ihn an.

"Ja, das werde ich", sagte John leise. Sein Lächeln verblasste.

"Was ist?", fragte Sherlock und sah ihn mit gerunzelter Stirn an. "Das ist doch das, was du immer wolltest."

"Ja, ist es auch. Ich freue mich ja auch. Es ist nur,...Sherlock es gibt da was, worüber wir reden müssen."

Besorgt sah Sherlock ihn an. Er hatte ebenfalls aufgehört zu lächeln. "Worüber?"

"Ich werde Medizin studieren. Und ich...ich werde ...Sherlock, ich werde zur Armee gehen." John sah ihn nicht an. Er beobachtete ein Eichhörnchen in einem nahen Baum. "Ich habe diesen Gedanken schon seit langem und mit ein paar Leuten geredet. Ich werde sechs Monate im Bart's sein und dann mein Studium in der Armee beenden."

Er spürte Sherlocks Blick auf sich, aber keiner sagte etwas. Nach ein paar Minuten schaute er Sherlock wieder an, der immer noch nichts gesagt hatte. John fühlte sich schrecklich. Sherlock sah ihn fassungslos und traurig an.

"Du wirst dich verpflichten?"

"Ja. Sherlock, hör zu..."

"Wieso hast du nicht eher was gesagt?"

"Wollte ich ja, aber..."

"Seit wann hast du bitte schön diesen Gedanken?"

"Seit...seit...keine Ahnung, im Grunde hab ich schon daran gedacht, als ich noch bei Dad gewohnt habe, aber..."

"Und da hast du nie was gesagt? John, weißt du, was das bedeutet?"

"Was...das...bedeutet?", fragte er langsam und sah Sherlock unsicher an. "Was meinst du?"

"Na, was das für uns bedeutet. Wie soll das funktionieren?"

"Sherlock, ich komme doch wieder."

"Und bis dahin? Sollen wir telefonieren und schreiben und skypen? Dir könnte doch auch sonst was passieren."

"Sherlock, das ist eine unglaubliche Chance, Menschen zu helfen."

"Aber wir werden uns dadurch nicht mehr sehen."

"Doch, natürlich..."

"John. Du wirst verändert aus dem Krieg wiederkommen, auch wenn du "nur" als Arzt dahin gehst. Du wirst dich verändern und wir werden uns eine wahnsinnig lange Zeit nicht sehen und ich werde hier sein und mir ständig Sorgen machen."

"Sherlock,..."

"Und du hast nie irgendwas gesagt. Warum nicht? Wir sind zusammen, John. Ich hab dir doch auch gesagt, dass ich Consulting Detective werden will. Wir sind zusammen, John, und du hast nie so was erwähnt, wann immer wir über unsere gemeinsame Zukunft geredet haben."

"Ich weiß, aber...aber ich wusste doch nicht, ob das Bart's mich annimmt und ich hab mir schon gedacht, dass du nicht so begeistert davon sein wirst und nachher hätten wir uns unnötig gestritten und..."

"Und was tun wir jetzt? Jetzt streiten wir doch auch unnötig."

"Ja, tun wir, aber..."

"John, sag mir, dass du das nicht machen wirst." Sherlock sah ihn flehend an. "Du könntest sterben. Die Ärzte dort sind genauso in Gefahr wie die Soldaten. Du wirst dich auch in die Schusslinie begeben. Bitte, John."

"Sherlock, du musst verstehen, dass ich Arzt werden will. Ich will Menschen helfen, ich will sie retten. Und das ist die Gelegenheit, um das zu tun."

"Also wirst du das durchziehen? Du wirst zur Armee gehen?"

"Sherlock, bitte..."

"Beantworte einfach meine Frage, John."

"Ja, werde ich."

Sherlock stand auf.

"Sherlock, bitte..."

"Ich kann nicht, John. Ich kann das nicht und ich kann dich im Moment nicht ansehen." Er ging weg und ließ John alleine auf der Bank sitzen.

John verstand nicht, was gerade passiert war. Dass Sherlock so reagiert, hätte er nicht gedacht. Warum verstand er nicht, was das für ihn bedeutete? John wusste nicht, was er tun sollte. Sherlock nachlaufen? Oder ihn sich erst einmal beruhigen lassen?

Er blieb auf der Bank sitzen, bis es dunkel wurde. Als er in ihr Zimmer ging, war das Licht aus und Sherlock lag im Bett, mit dem Rücken zu ihm. John machte sich fertig und legte sich auch hin.

Zwei Wochen später fand die Abschlussfeier statt. John hatte alle seine Prüfungen bestanden, sogar Chemie. Die Noten waren mehr als in Ordnung und das Bart's hatte ihn nun endgültig angenommen.

Zum wiederholten Male ließ er seinen Blick über die Menge schweifen und erneut blieb er an dem Jungen im schwarzen Anzug hängen, dessen dunkle Locken ihm immer wieder über die Stirn fielen. Er stand bei einem älteren Pärchen und einem jungen Mann, der ein missmutiges Gesicht machte. Das mussten Sherlocks Eltern und sein Bruder, Mycroft, sein. Bestimmt waren sie stolz auf ihn, weil er alle seine Prüfungen mit Bestnoten bestanden hatte.

John wandte ärgerlich den Blick ab. Er war sauer auf sich selbst. Er sollte auch da stehen. Er sollte Sherlocks Eltern kennenlernen und dabei Sherlocks Hand halten. Aber er hatte es versaut. Wie oft schon hatte er gedacht, dass er doch einfach viel eher mit Sherlock darüber hätte reden sollen. Aber das brachte ihm auch nichts.

Mr. Winterkorn kam plötzlich auf ihn zu. "Ah, Mr. Watson. Ich gratuliere Ihnen noch einmal zu Ihren ausgezeichneten Noten. Aber in Chemie haben Sie ein wenig geschwächelt, was?"

John zwang sich zu einem Lächeln. "Danke, Mr. Winterkorn. Tja, Chemie war noch nie mein stärkstes Fach."

"Aber Sie können trotzdem stolz sein. Ähm, was machen Sie nun, da Sie mit der Schule fertig sind?"

"Ich werde nach London gehen, ans Bart's Krankenhaus, und Medizin studieren."

"Medizin! Das ist ja großartig. Und, was genau? Gehen Sie in die Chirurgie? Oder etwas komplett anderes? Als Arzt hat man viele Möglichkeiten, wissen Sie?"

John sah noch einmal zu Sherlock. Sherlock hatte ihn anscheinend beobachtet, doch er schaute schnell zur Seite, als ihre Blicke sich trafen. Mit einem Stich im Herzen musste John feststellen, dass Sherlock nicht mehr seine Kette trug. Die Worte, die darauf eingraviert waren, kamen ihm in den Sinn. Just the two of us against the rest of the world. Aber sie hatten keinerlei Bedeutung mehr.

Er richtete seinen Blick wieder auf Mr. Winterkorn. "Ich werde zur Armee gehen."

It's Always You - Teen!lock & Johnlock (German)Where stories live. Discover now