1. Kapitel - Sometimes all you need is a little push

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"Mr. J, kommen Sie bitte?"
Mit einem leisen Murren stütze ich mich von dem kleinen "gemütlichen" Bettgestell in meiner kuschligen Zelle auf.
Ich mache einige langsame Schritte in Richtung der Gitterstäbe - ich habe es nicht eilig.
Gelangweilt halte ich meine Hände durch eine kleine Klappe.
Wie oft habe ich das schon gemacht?
Acht Jahre ist es her, dass Batman mich hier abgeliefert hat und mich hier verrotten ließ...
Eine witzige Geschichte! Ich werde sie ein andermal erzählen.
Der Wachmann legt mir Handschellen an und schließt mit einem kleinen silbernen Schlüssel die halb verrostete Gefängnistür auf.
Ich kenne den Wärter seit bereits drei Jahren. Naja, kennen im entferntesten Sinne.
Sein Name ist Emilius James. Er bringt mich jede Woche zur Therapiesitzung.
Ich versuche oft, Gespräche mit ihm zu führen. Aber er vermeidet es, auch nur einen Satz zu viel mit mir zu sprechen.
Ich würde zwar nicht sagen, dass es mich sonderlich mitnimmt, aber man muss wissen, dass ich sehr gesprächig bin. Das bedeutet aber nicht, dass ich nur gern selbst rede. Zu einem Gespräch gehören immer mehrere Personen!
Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum ich im Laufe der Jahre so viele verschiedene Psychologen hatte.
Sie lassen mich reden, bringen aber selbst nichts in das Gespräch ein! Das macht für mich nicht gerade einen vertrauenserweckenden Eindruck! Es verunsichert mich eher.
Sie lassen mich reden und stellen Fragen! Fragen über Fragen!
Und ich schweife schon wieder ab, ich merke...
"Hallo Sir", sage ich grummelnd zu James, "Wie war Ihr Tag?"
Der spitze Unterton soll ihm zeigen, dass ich genau weiß, dass er zu feige ist, um mir eine Antwort auf diese Frage zu geben.
"Das hat Sie nicht zu interessieren, Mr. J", erwidert James kühl.
Ich ziehe die Augenbraue ein Stück nach oben und gebe ein seltsames Schmatzgeräusch von mir.
Ich mache das für gewöhnlich, weil mich die Narben an meinen Wangen stören.
Jetzt mache ich es, weil es einschüchternd wirkt.
Das weiß ich.
So ziemlich jeder hier hat Angst vor mir. Aber sie wissen, wie sie es verbergen können.
Aber ich weiß, wie ich durch die äußere Hülle in das Innere eines Menschen schauen kann. Ich bin den meisten Menschen gleich mehrere Schritte voraus und sie sind sich dessen nicht einmal bewusst... Das ist traurig, aber für mich ein unglaublicher Vorteil.
Jedoch tue ich ihm den Gefallen und schweige.
Aber einen Satz kann ich mir dann doch nicht verkneifen, während er mich durch die kalten, grauen Gänge führt: "Vielleicht gelangen wir ja irgendwann nochmal beim Duzen an..."
James lächelt schwach. "So weit wird es nie kommen."
"Wieso nicht?", antworte ich leicht sarkastisch, "So wie's aussieht, werde ich wohl noch eine ganze Weile hier bleiben und Sie müssen sich ja in dieser äußerst fairen Welt auch ihr Geld verdienen. Ist es nicht so?"
"Ich kenne ihre Ansichten über die Welt und das Chaos", sagt er kalt, "und es interessiert mich absolut nicht, was sie darüber denken und sagen."
Ich beginne leise vor mich hin zu murren.
Er bringt mich an eine große Stahltür. Ich sehe sie mindestens jede Woche einmal.
Er zieht einen Schlüssel und lässt mich dabei unbewusst los.
Hätte ich Interesse daran gehabt, hätte ich mir jetzt eine Waffe geschnappt und ihn mühelos und ohne schlechtes Gewissen erschossen.
Aber das wäre zu einfach. Außerdem bin ich heute viel zu müde und unkreativ. Mit so einer mürrischen Laune macht das auch gar keinen Spaß...
Ich räuspere mich, während James immer noch nach dem richtigen Schlüssel sucht.
Er schaut auf und sieht mich fragend an.
"Wollen Sie mich nicht festhalten, Mr. James?" frage ich langsam. Ich weiß, dass ich ihm überlegen bin.
Er greift nach meinem Oberarm und starrt mich misstrauisch an.
"Was denn?", sage ich verständnislos, "wenn ich hätte abhauen wollen, hätte ich das vor acht Jahren getan!"
Ich lächele brav.
"Sie werden wohl niemals mit dem Grinsen aufhören, was?", fragt er genervt.
"Wieso sollte ich? Lachen ist gesund", erläutere ich ihm.
Endlich greift er den richtigen Schlüssel und öffnet die schwere Stahltür.
Ich trete hinein und schleife meine leblosen Füße über den kargen Betonboden.
In der Mitte des Raums steht ein Metalltisch. Dahinter sitzt eine junge Frau gemütlich auf ihrem Lederstühlchen.
An den Wänden ringsherum stehen einige Wachen.
Die Frau hat weiches, blondes Haar und trägt eine hübsche blaue Bluse.
Sie legt ein Bein über das andere und so sehe ich ihre elegante, weiße Hose.
Sie trägt eine große, schwarze Brille auf der Nase und schaut auf ihren Schreibblock, während sie darauf herumkrickselt.
Ihr Gesicht ist zart geschminkt. Sie wirkt wie eine zarte, kleine Elfe. Eine kleine, zarte Elfe, der ich die Flügel stutzen werde.
"Oh!", rufe ich begeistert, als würde ich überrascht sein, sie hier zu sehen, "Doktor Harleen Quinzel!"
Sie zieht eine Augenbraue hoch und erhebt sich aus reiner Höflichkeit von ihrem Sessel.
Sie grüßt mich mit einem knappen Nicken und einem: "Schönen guten Tag, Mr. J."
Ich zaubere ein hämisches Grinsen auf mein Gesicht.
Ich habe hier im Gefängnis sogar das Privileg erhalten, mich schminken zu dürfen.
Offiziell mit der Begründung, dass ich weitere Persönlichkeitsstörungen oder Depressionen erleiden könnte (Ich leide nicht unter Depressionen! Und ich bin nicht gestört! Nicht!). Ich glaube jedoch, sie haben einfach Angst vor mir. Die meisten von ihnen trauen sich nicht mal in meine Nähe, auch wenn sie es vertuschen wollen. Ich brauche nur die Nase zu rümpfen und sie rennen panisch davon.
Entscheidend ist, dass ich mich viel wohler fühle...
Und viel bedrohlicher.
"Setzen Sie sich", sagt sie zu mir und zeigt auf einen ungemütlichen Stuhl aus hartem Metall ihr gegenüber an der anderen Seite des Metalltischs.
Ich schiebe den Stuhl mit meinem Fuß zurück und setze mich unangenehm gebeugt hin.
Die einzige Lichtquelle kommt von einer kleinen, grellen Schreibtischlampe, die es Miss Quinzel vereinfachen soll, meine Gesichtszüge zu deuten.
Es werden keine Aufnahmen von Ton und Bild gemacht, um die kleine, private Idylle nicht zu zerstören und das Gefühl der Ruhe und Ungestörtheit am Leben zu lassen.
Man verlässt sich hier also komplett auf die Aussagen des Psychologen, die weitergegeben werden. Das würde sie natürlich niemals zugeben, aber ich weiß, dass alles, was ich hier sage über die Länge meines Aufenthalts entscheidet. Eigentlich ist es sowieso nicht weiter wichtig, da ich sowieso schon mehrfach lebenslänglichen Knast bekommen habe.
Ich erzähle Miss Quinzel sowieso alles, was sie wissen will. Ich muss nichts weiteres befürchten.
Also, ich erzähle ihr fast alles. Es gibt Dinge, die bleiben einfach mein kleines Geheimnis.
Sie drängt mich nicht, zu erzählen.
Das ist wahrscheinlich der Grund für ihren Erfolg. Sie therapiert viele meiner kriminellen "Kollegen" und diese beginnen zu singen.
"Miss Quinzel?", fragt James, der ebenfalls in den Raum eingetreten ist.
Miss Quinzel sieht ihn an.
"Ich wünsche noch einen schönen Tag und viel Glück. Vielleicht bekommen Sie ja noch was aus ihm heraus. Dieser Mann ist... ziemlich verrückt. Möchten Sie die Wachen hier behalten?"
"Nein Danke, ich werde sie nicht benötigen. Letztes Mal hat es auch funktioniert", antwortet sie ruhig und entspannt und schenkt James ein leichtes Lächeln.
Ihre Stimme hat etwas Sanftes und Beruhigendes... Wie das Geräusch eines Fingernagels, der an einer Tafel kratzt...
"Ach übrigens", fügt sie hinzu, "Er ist nicht verrückt."
"Ähm... gut", murmelt James und gibt den Wachen ein Zeichen, ihm aus dem Raum zu folgen.
"Und Miss Quinzel", ruft James, "Commissioner Gordon vom GCPD würde sie gern noch einmal zu ihrem Patienten hier befragen. Hätten sie nach der Sitzung Zeit?"
"Aber sicher doch", meint sie lächelnd.
James schließt die Tür hinter sich.
"Ah, Commissioner Gordon! Ein sehr netter Mann. Ich hatte das Vergnügen, mit ihm Bekanntschaft zu machen. Wie geht's meinem alten Freund denn so?", plappere ich munter drauf los, "Für sein Alter hat er sich aber sehr gut gehalten, finden Sie nicht auch?"
Sie lächelt. "Ich würde es vorziehen, mit der Stunde zu beginnen, Mr. J. Die Zeit läuft."
Ich zaubere ein kleines, charmantes Lächeln und auf meine Lippen und sehe sie vielsagend an.

Joker - Ausbruch aus ArkhamWhere stories live. Discover now