Ich sah dem Tod in die Augen und lächelte

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Ich fühle mich fünf Jahre in der Zeit zurückkatapultiert.

Kasimir beugt sich interessiert vor und auch die Berkianer beobachteten mich.

Töte ich ihn, bin ich ein Verräter.

Töte ich ihn nicht, wird er mich töten.

Er ist doch nicht so wie ich.

Ich bin zu schwach.

Was habe ich mir bloß gedacht.

Frieden.

Unmöglich.

Immer noch unschlüssig hielt ich den Dolch an Ohnezahns Kehle.
Tränen stiegen mir hoch.

Ich kann das nicht.

Ich bin kein Wikinger.

Ich bin ein Hicks.

Ich hörte seine hektischen Armzüge.

Genauso wie vor fünf Jahren.

Seine Augen fixierten mich. Er bettelte nach Gnade.
Fast schon spürte ich den feuchten Nebel, der damals in der Luft lag, zitternd öffnete ich meinen Mund und schloss die Augen, als ich sie wieder öffnete war ich tatsächlich im Wald.
Vor mir lag er. Der berüchtigte Nachtschatten. Schnell, gefährlich, unberechenbar.

Lügen!

Schon wieder dieser Blick. Ich sah mein altes Ich zitternd vor ihn stehen, ich hatte ausgeholt. Jetzt hätte ich zustoßen müssen. Doch ich konnte nicht. Genauso wenig, wie ich es jetzt könnte.

Ich blinzelte, der Nachtschatten schloss die Augen, bereit für seinen letzten Atemzug.

Doch ich schnitt ihn los... Unbemerkt war ich auch im hier und jetzt von Ohnezahn zurückgewichen und auch wie damals, stürzte er sich auf mich. Doch damals verschonte er mich.

Hart schlug ich mit den Kopf auf die unterste Stufe auf, schwarze Punkte tanzten vor meinen Augen auf und ab und heißer Atem zerzauste meine Haare.
Mit einer Pranke fixierte er mich und mit der anderen verhinderte er, dass ich aufstehen könnte. Mein Dolch lag zu weit weg und selbst wenn, ich hätte ihn eh nicht getötet.

Mein Herz beschleunigte sein Tempo und Adrenalin schoss durch meine Adern. Grimmig sah er mich an, seine Pupillen sahen erweitert aus, in ihnen sah ich mich selbst. Einmal als Fünfzehnjähriger und einmal als Zwanzigjähriger, während mein jüngeres Ich seine Angst verlor und eher faszinierter aussah, war mein Gesicht ohne Regungen, nur ganz leicht sah man etwas Glitzerndes in meinen Augenwinkeln und ein trauriges Lächeln lag auf meinen Lippen.

Ohnezahn ist größer geworden.

Seine Augen sind irgendwie dunkler.

Aber seine Schuppen waren noch so schwarz wie damals.

Völlig unbemerkt hatte ich meine Hand gehoben und interessiert beäugte Ohnezahn diese, seine Pupillen wurden noch größer. Ein kleines Stück zumindest.

Vorsichtig stand ich auf, seine Züge sind weicher geworden, fast hätte ich menschlich sagen wollen.

„Ohnezahn?", sein Blick zuckte zu mir und zaghaft lächelte ich. Ich schöpfte neue Kraft.

Ich hatte es vor fünf Jahren schon einmal geschafft, dann werde ich es auch ein zweitesmal schaffen.

Ich schob mich ein paar Schritte nach vorne und verharrte vorsichtig, er sah jetzt mehr neugierig als mordlustig aus.

„Weißt du noch Ohnezahn? Damals? In der Bucht?", mit jedem Wort ging ich etwas näher, drehte meinen Kopf weg und hob meine rechte Hand.

Ohne ich anzusehen, wusste ich, dass er zurück war.
Ich fühlte nur wieder dieses Kribbeln auf meiner Handfläche und die Gänsehaut, die mich überzog.

Ich habe zum zweitenmal einen Nachtschatten gezähmt.

Forbidden FriendshipWhere stories live. Discover now