13. Five Card Draw

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Manchmal erinnerte mich seine Art an Louis, den ich total vermisste. Hoffentlich ging es ihm gut, denn ich hatte seit seiner Abreise nichts mehr von ihm gehört. Für einen Moment wurde ich still, dachte an meinen Freund und wünschte mir, ihn gesund und vor allem lebend wiedersehen zu können.

Das nächste, was in meinen Kopf schoss, war der Gedanke, Alistair nach diesen Mafia Strukturen zu fragen. Bestimmt kannte er sich damit aus und es konnte kein Nachteil sein, wenn ich es ebenfalls tat.

Nach wie vor herrschte Ruhe im Wagen, allerdings blieb es nicht bei der komfortablen Stille, denn Nicholas haute noch einen Satz heraus, für den ich ihn am liebsten umbringen wollte.

„Ich finde es ebenso schade, dass ich deine Frau nicht mit ihrem richtigen Namen ansprechen darf. Sienna klingt tausendmal hübscher als Jenny."

„Untersteh dich, sie auch nur ein einziges Mal so zu nennen!", polterte ich ungehalten los und dachte sogar für eine Sekunde daran, ihn zu würgen.

Doch in Anbetracht der Tatsache, dass ein Zeuge im Auto saß, verkniff ich mir jegliche körperliche Rangelei.

„Keine Sorge, Niall. Ich habe die Abmachung nicht vergessen. Deine Frau wird nichts über den Deal erfahren. Du kannst also ganz beruhigt sein."

Das war ich jedoch ganz und gar nicht, denn nur alleine die Vorstellung daran, dass er meiner Frau Besuche abstattete, während ich meiner Arbeit nachging, ließ meine Nackenhaare in eine senkrechte Position gehen. Bevor ich mich jedoch lächerlich machte, lenkte ich das Gespräch in eine ganz andere Richtung.

„Apropos Frau", begann ich, „Sienna hat mir erzählt, dass du verwitwet bist."

Um seine Reaktion zu testen, schaute ich in sein Gesicht und erkannte prompt ein seltsames Glimmen in seinen Augen, deren Traurigkeit mich komischerweise berührte.

„Ja, das ist richtig. Meine Frau starb vor zwei Jahren."

„Darf ich fragen, woran?"

Plötzlich saßen hier nicht der Mafioso und der Lockvogel, sondern zwei Männer, die sich über ziemlich persönliche Angelegenheiten austauschten; eine äußerst skurrile Situation.

„Krebs. Es wurde leider viel zu spät erkannt."

Seine Stimme klang dumpf, doch ich hörte das leichte Zittern mühelos heraus. In dieser Beziehung war Nicholas kein guter Schauspieler. Er litt noch immer unter dem Tod seiner Frau, was ihn aber wohl nicht davon abhielt, Sienna den Hof zu machen. Vielleicht wollte er einfach nur meine Schmerzgrenze dahingehend austesten und schauen, wie weit er gehen konnte, um mich zu reizen.

Aber mit dieser Vorgehensweise biss er bei mir auf Granit. Ich war nicht gewillt, mich dermaßen provozieren zu lassen und eine Eifersuchtsszene zu starten, denn das konnte sich Nicholas zunutze mache. Schließlich gehörte Erpressung zu einer der bevorzugten Methoden der Mafia, um an ihre Ziele zu gelangen.

Unser Deal sah mich als Lockvogel vor und das wollte ich auch bleiben – nicht mehr und nicht weniger.

„Nach welchen Regeln spielen wir eigentlich?", erkundigte ich mich beiläufig.

„Nach der Ältesten, Five Card Draw."

Das war ganz nach meinem Geschmack, denn mit dieser Variante war ich bestens vertraut. Hingegen aller landläufigen Meinungen probierten auch die Geistlichen das Pokern aus. Unser Pfarrer war stets ein Ass gewesen und hatte mir sehr viel beigebracht, was das Bluffen anging. Vielleicht würde sich die Mafia heute Abend ins eigene Fleisch schneiden.

Als der Wagen plötzlich langsamer wurde, schaute ich aus dem Fenster. Wir hielten vor einem imposanten Gebäude, das mir sehr wohl bekannt vorkam. Dabei handelte es sich um den Privatclub, in welchem ich Nicholas zum ersten Mal beim Brunchen getroffen hatte. Nur zu gut war mir der exzellente Hummer in Erinnerung geblieben, aber auch das Gespräch mit dem Mafia Boss.

Black VisionWhere stories live. Discover now