13. Five Card Draw

2.2K 223 376
                                    


♪ Play the game - Queen


Niall

„Bitteschön, die Herren."

Marx öffnete uns die Tür des Wagens, in welchem Nicholas und ich unsere Plätze auf der Rückbank einnahmen. Nachdem wir uns angeschnallt hatten, ging es auch schon los. Ich hatte mich extra in Schale geworfen, wie es für diese Pokerrunden üblich war und rückte kurz meine Krawatte zurecht, bevor ich mich im Sitz zurücklehnte. Während die große Limousine durch die belebten Straßen New Yorks glitt, blickte ich aus dem Fenster und dachte nach.

Gestern, während der Obdachlosenspeisung, hatte ich Harry wieder getroffen, der seine Rolle als verwahrloster Junkie wirklich hervorragend spielte. Niemand fiel auf, dass er mir bei der Essensausgabe einen kleinen Zettel zugesteckt hatte, der die genaue Adresse der Straßenkreuzung definierte, an welcher ich ihn zukünftig antreffen würde.

Bevor Nicholas mich abholte, hatte ich im Internet nachgeschaut, wo sich besagte Ecke befand. Dabei stellte ich fest, dass es sich um eine durchaus tolle Joggingroute handelte, die ich von nun an wieder täglich zu absolvieren gedachte. Und dies würde nicht nur zum Informationsaustausch dienen, sondern auch meine Kondition verbessern.

Neidvoll dachte ich daran, wie Harry mich ohne Probleme eingeholt und beinahe überwältigt hatte. Es konnte nicht angehen, dass mir so etwas noch einmal passierte. Scheinbar war ich viel zu sehr eingerostet. Kein Wunder, dass Sienna sich von einem anderen Mann schöne Augen machen ließ. Zugegeben, ihr Kenntnisstand bezüglich seiner kriminellen Tätigkeiten belief sich auf null, aber alleine die Tatsache, dass sie es scheinbar genoss, durch ihn hofiert zu werden, stieß mir bitter auf. Daran musste sich etwas ändern – unbedingt.

„So nachdenklich heute, John?", holte mich Nicholas' Stimme aus den tiefen Gedanken.

Er klang sehr ruhig und gelassen, gleichzeitig jedoch interessiert. Mich brachte das schon wieder auf die Palme.

„Bitten lassen wir doch den Quatsch. Du weißt ebenso gut wie ich, dass ich nicht John heiße", erwiderte ich deshalb leicht bissig, was er mit einem beinahe charmantem Tonfall quittierte.

„Natürlich weiß ich das, und um ehrlich zu sein, gefällt mir dein richtiger Name sogar besser, Niall."

Hörbar zog ich die Luft ein. Die Wanzen in unserem Haus funktionierten also einwandfrei.

„Aber ich werde dich nur so nennen, wenn wir beide alleine sind, ansonsten bist du für mich John. Es ist nicht gut, wenn zu viele Menschen deinen richtigen Namen kennen, Niall."

Gott sei Dank befand sich zwischen Marx und uns eine Trennscheibe, die sämtliche Gespräche zwischen dem Mafia Boss und meiner Wenigkeit geheim hielt. So sollte es wohl auch sein.

„Wer außer dir weiß es denn noch?"

„Mein Vater. Er ist schließlich der oberste Boss unserer Organisation und muss über alles in Kenntnis gesetzt werden."

Damit hatte er mir eine nahezu perfekte Vorlage gegeben, denn meine Ironie kam erneut zum Vorschein, als ich spöttisch äußerte: „Dann bist du also nur der Handlanger deines Vaters?"

Jedoch ließ Nicholas sich nicht so einfach aus der Reserve locken. Er war durchaus ein ebenbürtiger Gegner, was Wortgefechte anging. Um ehrlich zu sein, schätzte ich das sogar.

„Handlanger ist nicht der richtige Ausdruck. Aber weil du dich mit den Strukturen der Mafia vermutlich nicht auskennst, will ich darüber hinwegsehen", erwiderte er fast schon galant.

Black VisionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt