Part 1

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Viktorias POV:

»Mama, Mama!« Ein kleiner Wirbelwind schoss um die Ecke und rannte auf mich zu. Ihr langes Haar wirbelte hinter ihr her. »Das habe ich für dich gemalt«, rief sie und hielt mir ein Blatt Papier entgegen. Ich ging in die Knie und betrachtete es. Es waren drei Strichmännchen darauf abgebildet. Zwei große und ein kleines. Das Männchen mit der großen Lockenbracht aus ungleichförmigen Kringeln konnte ich sofort als Harold identifizieren. Neben ihm stand ein Männchen mit langen gelben Haaren, was vermutlich mich darstellen sollte.

Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus, als ich das kleine Männchen zwischen Harold und mir entdeckte. »Das hast du sehr schön gemalt, meine Kleine«, lobte ich sie und hob sie hoch. Sie schlang ihre Arme um mich und ich sah Harold in die Küche kommen. Sein Hemd hatte er lässig in seine Jeans gesteckt und kam auf uns zu.

»Da sind ja meine beiden Lieblinge«, lächelte er und küsste mich, nachdem er den Arm um mich gelegt hatte. »Was hast du uns denn schönes gekocht?«, fragte er neugierig und sah über meine Schulter auf den Herd. »Gemüsepfanne«, neckte ich ihn, da ich wusste, dass er sie nicht wirklich mochte. Er riss die Augen auf. »Das ist nicht dein Ernst, oder?« Ich lachte nur und schüttelte den Kopf.

»Du könntest auch schnell den Grill anwerfen«, schlug ich vor. Er grinste und wollte mich erneut küssen, als das Klackern von Absätzen auf dem Boden zu hören war. »Tante Penny«, rief unsere Kleine fröhlich und versuchte von meinem Arm herunter zu kommen. Ich setzte sie ab und sie rannte auf Penelope zu, die sie freudig in die Arme schloss.

»Na, Pando? Wie geht's?«, fragte sie. »Super! Ich habe ein Bild für Mama und Papa gemalt«, erklärte sie stolz und ich hielt das Bild hoch. »Sehr schön gemacht, meine Kleine. Willst du mit mir noch ein bisschen auf den Spielplatz?« Pando nickte und die beiden gingen davon.

»Jetzt haben wir etwas Zeit«, flüsterte Harold und hob mich auf die Arbeitsplatte. »Hattest du heute Morgen nicht schon genug?«, fragte ich und küsste ihn. »Ich werde nie genug von dir haben. Selbst nach knappen 600 Jahren Ehe.«

Ich lachte und schlang meine Arme um ihn. »Ich gehe dir also immer noch nicht auf die Nerven?« Harold verdrehte sie Augen. »Wie oft hast du mich das schon gefragt? Ich glaube bei achttausend Mal habe ich aufgehört zu zählen«, neckte er und fuhr unter mein Shirt. »Harold«, warnte ich ihn.

»Was ist denn? Berührungsängste?« Ich prustete los. »Ich und Berührungsängste?«, fragte ich fassungslos und vergrub meine Hände in seinen Haaren. »Muss ich dich daran erinnern, was wir schon alles angestellt haben?« Er grinste mich an. »Das kannst du mir gerne zeigen, aber in unserem Schlafzimmer.« Ich schüttelte nur lachend den Kopf und schob Harold von mir weg. »Heute Abend«, versprach ich ihm, sprang von der Arbeitsplatte und stellte mich vor den Herd.

»Bist du dir sicher?«, fragte er mich und schlang seine Arme um mich. »Ja, da bin ich mir ganz sicher.« Ich hörte ihn schnauben und er entfernte sich von mir.

»Ich schmeiß mal den Grill an«, murmelte er nur noch und verschwand aus der Küche.

Ich sah ihm nach. Harold. Meinem Mann. Seit nun fast 600 Jahren. Ich dachte an die Zeit zurück, als es nicht immer so einfach war. Wir hatten viel durchstehen müssen. Kriege, die Industrialisierung. Aber jetzt haben wir uns. Pandora, unsere Tochter, die wir vor fünf Jahren adoptiert hatten. Und wir liebten sie wie unser eigenes Kind.

»Ich bin fertig, und wie sieht es bei dir aus?«, rief Harold aus dem Garten. Ich lud Salat und Beilagen auf ein Tablett und lief hinaus.

»Wo sind Penelope und Pando?« »Ich weiß selbst nicht wo meine Frau steckt«, antwortet Louis auf meine Frage. Er hatte es sich auf einem Liegestuhl bequem gemacht und hielt ein Bier in der Hand. Typisch Männer.

»Wie schön, dass du uns auch einen Besuch abstattest, Louis, und mir nicht einmal einen guten Tag wünschst. Wo sind deine guten Manieren hin, die du früher so gut beherrscht hast?« Er zog seine Sonnenbrille ein Stück hinunter und sah mich an.

Ich verschränkte meine Arme und musste mich beherrschen nicht loszulachen. »Verzeihung, meine Königin.« Er grinste und ich rannte auf ihn zu. Er war schneller und sprang auf, doch das brachte mich nicht davon ab, ihn durch den ganzen, großen Schlossgarten zu jagen.

»Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du mich nicht so nennen sollst?«, rief ich und blieb neben Harold stehen, der mit einer Grillzange bewaffnet die Steaks auf unsere Teller lud.

Harold sah mich nur belustigt an und drückte mir einen Teller mit zwei riesigen Steaks in die Hand. »Schatz, wie soll ich das denn alles essen?«, fragte ich ihn entsetzt. »Wer hat gesagt, dass das für dich ist? Das ist mein Teller. Stell ihn hin«, befahl er, doch ich konnte das Grinsen in seiner Stimme hören.

Kurz überlegte ich ihm das Steak auf den Kopf zu klatschen, doch das wäre Verschwendung gewesen. Um ihn wenigstens etwas zu bestrafen, trat ich ihm in den Hintern und er fiel nach vorn in das weiche Gras. »Na warte«, knurrte er, rappelte sich auf und kam auf mich zugelaufen, wie eine Raubkatze auf ihre Beute.

Schnell stellte ich den Teller ab und rannte davon. Er folgte mir und als ich schon dachte, mein Versteck hinter einem dicken Baum wäre sicher genug, stand er plötzlich vor mir und hielt meine Arme fest.

»Du hast keine Chance gegen mich, meine Liebste. Das weißt du schon seit 600 Jahren, aber du willst es immer noch nicht einsehen.«

»Nein, ich will es nicht einsehen«, grinste ich, drehte mich, sodass Harold gezwungen war meine Arme loszulassen und trat ihm noch einmal in den Hintern. »Ich weiß, dass ich besser bin«, flüsterte ich in sein Ohr und küsste ihn, bevor ich seine Hand nahm und wir zurück zu Louis liefen.

Louis saß wieder in dem Liegestuhl, hatte seine Sonnenbrille auf und sein Handy am Ohr. Als er uns sah, steckte er es weg und erhob sich. »Meine Frau kommt gleich mit der Kleinen. Sie waren auf dem Spielplatz und sie hatte ihr Handy auf stumm geschaltet. Ihr wisst ja wie sie ist. Sie kann mit Technik einfach nicht umgehen ...« Wir brachen alle in schallendes Gelächter aus. »Da hast du Recht«, stimmte Harold zu und stellte sich wieder an den Grill.

Nach nur wenigen Minuten kamen auch Penelope und Pando wieder und setzten sich an den Tisch.

Ich sah auf das Bild, das sich mir bot. Meine Familie. Harold, Pando, Louis und Penelope.

Alles war perfekt. 

Lucid LoveWhere stories live. Discover now