25- Die Flucht aus dem System

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,,Bleib bei mir ... nein, nein, bitte nicht. Wach auf".

Nachdem ich feststellen musste, dass es nichts mehr brachte, nahm ich sie auf meinen Rücken. Sie war leichter als erwartet, aber es war schwierig so voran zu kommen.

Es war gleich geschafft. Sie musste es einfach schaffen. Ich musste sie hier raus bringen und das so schnell wie möglich. Wir erreichten schließlich einen langen Gang. Ich rannte los. Immer schneller. Meine Beine liefen fast schon automatisch. Es gab so viele Türen. In jeder von ihren wartete Geld. Es war bestimmt eine Menge, doch uns blieb keine Zeit. Außerdem war Geld nicht alles. Zumindest ersetzte es kein Menschenleben.

Ich lief immer weiter. Ihr Gewicht drückte auf meiner Schulter, sie entglitt mir noch und nach, doch hinter uns hörte ich wieder Schritte. Dann erkannte ich endlich Licht. Es war ein hell leuchtendes Licht, was uns entgegen leuchtete. Endlich. Ein Ausweg. Dann war es zuende. Das grausame Spiel war vorbei. Ich konnte es immer noch so richtig fassen.

Die waren doch krank!

,,Sie braucht einen Arzt!" Schrie ich so laut ich konnte und legte sie neben mir ab.

Es dauerte eine Weile, aber dann kam jemand und nahm sie mit.
Erschöpft ließ ich mich zu Boden fallen. Der Schweiß tropfte von meiner Stirn auf dem Boden und mir wurde abwechselnd kalt und heiß. Ich rieb mir über die Augen, um wieder eine klare Sicht zu haben, doch es half nur begrenzt.

Ich fühlte mich schlapp von der ganzen Aufregung. Ich kniete mich zu Boden und musste mich erbrechen. Was war nur los mit mir? Wahrscheinlich war es der Stress von den letzten Tagen oder die Aufregung.

Ich hörte Schritte und überwand mich, denn doch noch hochzuschauen. Sie war es wieder. Sie lächelte zufrieden. Sie lobte mich und brachte mich auf mein Zimmer. Es war in der Krankenstation. Klein, aber fein. Wenigstens hatte ich hier Tageslicht.

Meine Augen fielen sofort zu, denn ich war unfassbar müde. Es wunderte mich, schließlich hatte ich gerade um mein Leben gekämpft. Ich müsste eigentlich hellwach und ausgeschlafen sein.

Ich wachte mitten in der Nacht wieder auf und musste mich wieder übergeben. Ich fühlte meine Stirn, sie brannte so heiß.

Ich schaute mich im Raum um. Keiner war da. Ich war alleine. Seltsam, aber vielleicht könnte ich jetzt unbemerkt abhauen.

Ein Versuch war es schließlich wert. Auch wenn ich noch dieses Armband umhatte.

Mir war zwar immer noch total übel, doch ich musste meine Chance nutzen. Ich wollte zu Leon. Schnell zog ich meine Decke weg und schleichte mich zur Tür. Ich hatte Angst, aber etwas schlimmeres könnte mir jetzt auch nicht mehr passieren. Ich hatte noch nie von jemanden gehört, der nochmal zur Reparatur musste.

Auf gut Glück öffnete ich die quietschende Tür. Vorsichtig zog ich sie ein Stück weit auf und streckte meinen Kopf hinauf.

Keiner zu sehen. Na also!

Eilig lief ich die Wand entlang. Ich wollte hier weg, um jeden Preis.

Bevor ich jedoch die Kuppel erreichte, fiel ich bereits auf den Boden. Es war eine Bombe. Sie hallte noch in meinen Ohren wieder. Der Krieg lief also noch. Ich spürte eine Flüssigkeit an meinem Kopf. In meiner Hand konnte ich dann erkennen, dass es Blut war. Es fiel hinunter zu meiner Stirn, doch ich musste so schnell wie möglich hier weg, bevor mich noch jemand sah.

Ich stieß mich heuchend vom Boden ab und lief weiter. Doch ich blieb stehen, als ich die vielen Toten sah. Es waren so viele.

Ich versuchte Leon zu erkennen, doch ohne Erfolg. Es herrschte ein einziges Chaos. Ich müsste hier weg, schließlich war ich ohne Waffe hier.

Mein langes Haar flog zurück, während ich völlig außer Atem zu unserem Abteil hechelte. Die Tür war aufgebrochen. Bereits auf dem Flur war alles unter Trümmern bedeckt. Bis hin zur Decke zierte sich der schwarze Ruß. Mit ganzer Kraft räumte ich die letzten Teile vor unserer Tür frei und lehnte mich laut ausatmend gegen die Wand unseres Wohnzimmers.

Es war so dunkel hier. Ungewohnt, denn schließlich lebten wir ja sogut wie jeden Tag im Überfluss. Also mit ausreichend Wasser, Nahrung und natürlich auch viele Lampen. Doch nun waren alles zerstört. Sie waren wohl hier und hatten alles durchsucht.

Aber ich war nur in Gedanken an Leon. Hoffentlich war er nicht hier, während sie das Abteil auseinandergenommen hatten.

Ich suchte alle Räume nach ihn ab, doch er war nicht da. Ich wusste nicht, ob das jetzt ein gutes oder ein schlechtes Zeichen sein sollte.

Ich erreichte sein Zimmer und setzte mich auf sein Bett. Alles war durchwühlt und völlig durcheinander. Ich fühlte mich so alleine. So machtlos. Da musste ich weinen. Stunden weinte ich, bis aus mir kein Tropfen Wasser mehr herauskam.

Und plötzlich stand jemand in der Tür und starrte mich geschockt an. Mein Atem stockte, als ich sein blutendes Gesicht vor mir sah.

,,Mia? Du .. du lebst? Oh mein Gott, du lebst!"

Seine Mine hellte sich von einer Sekunde auf die Nächste auf und ich rannte kreischend auf ihn zu. Er hob mich an und ließ mich dabei einmal um ihn herum fliegen.

,,Leon", wieder schossen mir Tränen in die Augen, obwohl ich dachte ich wäre schon längst ausgetrocknet.

Er ließ mich wieder herunter und wir hielten uns für einige Zeit nur in den Armen.

,,Wie geht es dir?" Fragte er mich aufeinmal ganz fürsorglich und ich erkannte die Angst in seinen Augen. ,,Ich hatte solche Angst um dich".

Mein Blick klebte am Boden. Allein bei den Gedanken an die letzten 24 Stunden hätte ich wieder in Tränen ausbrechen können. Ein dicker Klos bildete sich in meinem Hals und ich konnte nur noch mit rauer Stimme flüstern.

,,Lass uns jetzt nicht darüber reden. Bitte".

Er nickte immer wieder und sah mich bemitleidenswert an. ,,Ist gut. Verschieben wir das". Er nahm mein Kinn in drei seiner Finger und hob es leicht an. Und dann küsste er mich. Langsam, aber intensiv.

Ich legte meine Arme um seinen Hals. Ihm war nichts passiert. Erleichterung und unendliche Freude ließen mein Herz höher schlagen.

Er schloss die Tür und wir setzten uns auf sein Bett. Sein Gesicht war nun ganz anders, als eben gerade noch. Er konnte mich kaum anschauen. Er suchte nach den richtigen Worten, ehe er begann. Ich spürte wie schwer ihm das fiel.

,,Du warst lange weg und es ist einiges passiert", setzte er nun an.

,,Was ist los, Leon?" Begann ich ängstlich und versuchte, dass er mir dabei in die Augen schaute.

,,Leon?"

,,Ich weiß nicht, ob du es verkraften kannst". Erst jetzt hob sich sein Blick.

Meine Gedanken kreisten sofort um meine Familie. Voller Sorge um sie begann meine Hand wieder zu zittern.

,,Ist etwas mit Collin oder Mum?" Ich hatte Angst vor der Antwort, denn ich wusste sie würde mir bestimmt ganz und gar nicht gefallen. Die Sekunden, die währenddessen vergingen, machten die Sorge umso schlimmer.

,,Sind sie ... ?" Erhob ich vorsichtig meine Stimme.

Aufeinmal war alles still. Keine Hintergrundgeräusche, keine Bomben waren zu hören, nicht einmal ein kurzes Atmen erfüllte den Raum. Nein, es war absolut still.

Dann nahm er zögerlich meine Hand in seine und nickte.

Das SYSTEMWhere stories live. Discover now