11- Eine Überraschung

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Der Geruch von frischen Essen lag in der Luft, als ich die Tür hinter uns zu machte.

,,Hast du gekocht, Mum?" Fragte ich erstaunt, da es nicht oft vor kam, das man noch selber kochen musste. Heutzutage funktionierte ja alles auf Knopfdruck und vollautomatisch.

Sie zog ihren weißen Mantel aus und ging zur Küche. ,,Ja, willst du was haben?"

,,Nein, danke. Ich bringe ersteinmal Collin ins Bett".

,,Ist gut", kam es als Antwort zurück.

,,Komm Collin". Ich nahm seine kleine Hand und ging in sein Zimmer. Dort angekommen wählte ich auf dem Tablet an seiner Wand ein dimmendes Licht aus und setzte mich an sein Fußende.

Er war nun ganz ruhig. Doch müde war er nicht, dass sah ich sofort. ,,Mia?" Fragte er nun mit seiner kindlichen, kleinen Stimme. ,,Ja?"

,,Das System hat Papa getötet, oder?"

Eine kurze Stille trat ein, in der ich nach den passenden Worten suchte.

,,Ähhhm, es ist nicht so einfach Collin".

Ich wusste nicht was ich ihm antworten sollte. Wie erklärte man einem Kind, dass der eigene Vater von dem System umgebracht wurde, in dem man selber lebte. Wie sollte ich das tun?

,,Wieso nicht?" Machte er weiter und brachte mich damit in eine missliche Lage.

,,Ich weiß nicht was ich dir sagen soll.", begann ich vorsichtig und überlegte wie ich es ihm schonend erklären konnte, dass er sich selber damit nicht in Gefahr brachte.

,,Ich weiß nur das dir nichts geschehen wird und Dady ist jetzt dort oben und passt auf dich auf".

Er klammerte sich an meinem Arm fest und hob seinen Kopf so, das seine großen, glänzenden Augen zum Vorschein kamen.

,,Das System ist böse, stimmt's?"

Ich atmete leise aus. Zu viele Fragen. Und Antworten, die ich ihm nicht sagen durfte.

,,Mach dir keine Sorgen. Das System es ist ... wir beschützen dich, okay?"

,,Und jetzt schlaf. Gute Nacht, mein Kleiner". Schnell gab ich ihn einen Kuss auf die Stirn und lief mit gesenkten Blick nach draußen.

Seine Türen fuhren automatisch hinunter und ich lehnte mich weinend dagegen.

,,Mia?" Die klare, sanfte Stimme meiner Mutter schallte leise durch den Raum. Schniefend und mit tränenüberströmten Gesicht richtete ich mich wieder auf, wischte mir die letzten Tränen weg und setzte ein angespanntes Lächeln auf.

,,Hey!" Sie schloss ihre Arme um meinen Körper und strich mir öfters übers Haar.

,,Es ist alles gut".

Ich blickte sie schockiert an. Meinte sie das ernst?!

,,Achja? Bist du sicher Mum?" Abgeneigt drehte ich meinen Kopf ein Stück zur Seite und stieß ihre Arme von mir weg.

Mühsam richtete ich mich auf und fuhr sie böse. Es war nicht alles gut! Im Gegenteil. Alles war momentan am Kippen. Unser ganzes Leben.

,,Schatz, es ist alles im Moment nicht so einfach, doch ...", sie verstummte und richtete ihren Blick beschämt auf den Boden.

,,Mum, hör auf". Ich verschränkte mürrisch meine Arme vor der Brust und beobachtete nur ihre mitleidserregende Art. Es war jämmerlich.

Sie müsste es besser wissen. Sie hätte es Collin erklären müssen. Sie hätte damals aus dem System fliehen können. Jetzt war es zu spät und wir waren gefangen.

Dad war hier umgekommen. Wir wurden gefoltert, kontrolliert und unterdrückt. Und sie... Was machte sie... Sie schaute zu und tat nichts. Gar nichts. Wut kam über mich und ich hätte am Liebsten etwas zerstört, doch Collin schlief im Nebenzimmer.

,,Ich geh jetzt", stieß ich kalt hervor und schaute sie beim Gehen nicht einmal mehr an.

,,Warte". Sie ergriff mich am Ärmel und zog mich unsanft zu ihr zurück.

,,Du denkst wohl, du wärst besser, was?!" Begann sie energisch. ,,Aber du tust auch nichts. Nein, du bist doch genauso. Dir kann man es doch nie recht machen! Also denk doch nicht, dass alle anderen Schuld wären".

Ihre Finger krallten sich immer tiefer in meinen Arm hinein, sodass ich nun wirkliche Angst vor ihr bekam.

,,Lass mich. Bitte", flehte ich leise.

Doch ihre Wut auf mich ließ nicht nach. Ihr Gesichtsausdruck wurde immer aggressiver, bösartiger, verklemmter.

,,Mum!" Meine Stimme wurde zittrig und ich war so fassungslos, dass ich kaum noch ein Wort heraus brachte.

Erschrocken fiel sie gegen die Wand. Ihre Augen waren nun nicht mehr voller Hass, sondern eher voller Entsetzen und Schrecken.

,,Tut- Tut mir leid. Ich ... ähm. O Gott". Ihre Hände vergruben sich in ihren langen Haaren.

,,Mia". Sie streckte ihre Hand nach mir aus, doch ich wich zurück.

,,Es ist okay, Mum. Wir alle sind gerade durcheinander. Es ist viel passiert". Mit einer Rückwärtsbewegung schlich ich mich langsam aus der Tür hinaus.

Vorsichtig lehnte ich mich gegen die kalte Außenwand und atmete immer wieder ein- und aus. Der Schock saß noch tief, doch das System machte es uns auch nicht gerade leichter.

Wir alle waren am Ende unserer Kräfte. Auch Mum, dass wusste ich.
Sie hatte ihren Mann verloren. Aber dennoch bekam sie von mir kein Mitleid.
Sie musste doch stark für uns sein. Vielleicht nicht für mich, doch wenigsten für Collin. Sie war ihm das schuldig, doch sie war schwach.

Nun vernahm ich einige aufgebrachte Stimmen. Sie wurden immer lauter. Eilig richtete ich mich wieder auf und schaute über das Geländer hinab in die Kuppel.

Es war ein Aufstand im gange. Es wurde wieder demonstriert und ich wusste das System würde wieder gewinnen. Außerdem wird es am Ende des Tages wieder zu vielen Toten kommen. Blut wird vergossen, doch zum Schluß blieb nur Wut, Trauer und Machtlosigkeit in der Bevölkerung zurück. So wie immer.

Es brachte nichts, denn das System war zu machtvoll geworden. Wir hatten keine Chance. Aber wir mussten es einfach versuchen, auch wenn die Lage vielleicht aussichtslos war. So konnte es nicht bleiben. So durfte es nicht bleiben. Auch ich musste nun kämpfen.

Für das Richtige.

Für Collin. Für Leon und Anna, für die unschuldigen Kinder, die das miterleben mussten. Für Mum und natürlich für Dad. Er hatte es gewollt. Er hätte gewollt, das wir frei sind. Und ich wollte es auch!

Wir mussten uns nun endlich wehren! Und wir müssen gewinnen. Für eine bessere Welt, für den Frieden und die Freiheit.

Einige Männer streckten bereits die Benutzer des Systems nieder. Unsere Zeit war gekommen. Heute und jetzt!

Ich war bereit.

Das SYSTEMWhere stories live. Discover now