14- Eine dunkle Gewissheit

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Noch ein Schritt. Uns trennte nur noch ein einziger Schritt. Der Wahrheit so nahe. Ich hätte niemals erwartet, was dieser eine Schritt in meinem Leben doch alles verändert hatte. Nur ein Schritt zur Gewissheit. Zu ihm.

Anna nickte mir ermutigend zu und ich öffnete mit Angstschweiß die weißschimmernde Tür ins Zimmer. Die Schweißperlen auf meiner Stirn nahmen zu und auch meine Hände begannen nun schrecklich zu zittern.

So viel war schon passiert. Es durfte einfach nicht noch schlimmer werden. Wenn er starb, dann würde ich es auch. Ich würde es wollen. Es würde sich sonst nicht mehr lohnen zu kämpfen. Wozu noch? Damit andere glücklich werden?

,,Bist du bereit?" Riss mich Anna's Stimme hinter mir schreckhaft aus meinen Tagträumen. Ich träumte zu viel. Man sagte es mir früher schon so häufig, doch ich wollte nie hören. Ich durfte es nicht. Ich sollte es mir nicht vorstellen. Es war nicht gut.

,,Ja." Antwortete ich dennoch, nahm meinen ganzen Mut zusammen und trat durch den Türrahmen.

Der Raum war kalt. Leblos. Leon mitten im Raum. Er war an Maschinen angeschlossen. Es war dunkel hier. So dunkel. Ich sah nur das Leuchten der Maschine, die seine Werte überprüften. Sie leuchtete auch auf seine Haut. Auf seine so perfekte, reine Haut, nach der ich mich so sehnte.

Wir gingen ein Stückchen näher heran und sofort überkamen mich die Ängste. Die Angst um ihn. Die Angst für immer getrennt von ihm zu sein. Seine Augen waren immer noch geschlossen. Doch die Maschine zeigte einen Puls an.

Dennoch unsicher setzte ich mich auf die Kante seines Bettes und betrachtete seine blasse Haut. Aber ich musste nicht mehr weinen. Wahrscheinlich aber nur, weil ich dehydriert war. Ich hatte Hoffnung. Die Hoffnung, dass er es schaffte und wir glücklich werden.

Es war mein einziger Wunsch.

Ich erkannte Anna gegenüber von mir. Gebannt von seinem Anblick starrte sie ihn nur mit weit geöffneten Augen an. Auch sie konnte es wahrscheinlich noch nicht so richtig begreifen. Innerhalb von 24 h konnte sich alles verändern, dass wusste ich jetzt.

,,Er liegt im Koma", stieß sie nun schüchtern hervor und schluchzte unbeholfen los.

Ich sank meinen Blick und legte meine verwundete Hand auf seine. Ich nahm den Geruch von Blut wahr. Es war mein Blut, das nun auch an seiner Hand klebte. Schnell zog ich sie zurück und weinte bittere Tränen hinauf.

,,Leon, hey!" Ich strich ihn sanft eine Strähne aus dem Gesicht und musterte ihn besorgt.

,,Du schaffst das, hörst du. Du schaffst das. Ich bin bei dir. Wenn du wieder aufwachst, werde ich hier sein. Bei dir. Und dann wird wieder alles gut. Ich werde bei dir bleiben, bis es dir wieder besser geht".

Laut weinend klammerte ich mich an seinen bereits kalten Körper. Die Wärme, die er sonst immer auf mich ausstrahlte, war erlischt. Nun lag er da. Um sein Leben ringend. Allein. Mein Kopf streifte seinen, ehe ich mich wimmernd auf seine nun schwache Brust nieder ließ.

,,Er wird es doch schaffen, oder?!" Mein Blick richtete ich auf.

,,Anna? Er schafft das doch", machte ich weiter.

Sie nickte stark und sprach unter Tränen. ,,Natürlich schafft er das. Er ist doch ein Kämpfer. So wie du".

Sie blieb an einem Punkt stehen. Rührte sich nicht. Atmete kaum. Weinte. Vergoss immer mehr Tränen. Es war kaum zu ertragen, weshalb ich eigentlich nicht hinsehen wollte. Zu sehr erinnerte es mich an das Leid, welches wirklich zu unserem Leben gehörte.

Ich beobachtete sie eine Weile, doch konnte sie nicht trösten. Zu schwer saß der Schock noch in meiner Brust. Stattdessen ließ ich sie da einfach stehen. So eine Freundin wie mich war echt kein Segen, dachte ich innerlich schimpfend über mich selber.

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