3. Träume

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Nachdem Leon seine Mutter durch die Reparatur verloren hatte, versuchte er jeden der ihn in irgendeinerweise wichtig war, davor zu bewahren. Ich wusste seine Fürsorge zwar sehr zu schätzen, doch ich hatte keine Angst vorm System.

Ich kannte seine Mutter. Sie war toll. Echt wunderschön und klug. Sie ähnelte sehr Leon.

Doch nachdem sie ihre Meinung über das System etwas zu laut ausgesprochen hatte, begann es. Das System wurde darüber informiert und ruckzuck wurde sie zur Reparatur abgeholt.

Die Schmerzen mussten so schlimm für sie geworden sein, dass sie noch da gestorben war.

Und nun hatte er Angst um mich, aber das bräuchte er nicht. Ich konnte schon auf mich alleine aufpassen. Sie würden mich schon nicht holen. Es waren ja nur Kleinigkeiten.

Inzwischen war es bereits dunkel draußen. Schnell verabschiedete ich mich von meinen Freunden und lief nach Hause.

Dort angekommen setzte ich mich gleich in mein Zimmer und schaltete meine Musik laut ein. Nur so konnte ich einfach mal abschalten.

Müde vom Tag legte ich mich in mein Bett. In der nächsten Sekunde schlief ich auch schon ein.

Ich träumte etwas. Es war alles sehr undeutlich in meiner Erinnerung, doch an einige Stellen erinnerte ich mich noch genau.

Wir waren im System und wie jeden Monat war auch heute wieder ein Gewinner bekannt gegeben worden. Ich kannte ihn nicht. Wahrscheinlich gab es ihn auch in Wirklichkeit gar nicht.

Als er aus der Menge aufstand und nach vorne ging, erkannte ich jedoch sein Gesicht. Er hatte einen weißgrauen Bart und noch kaum Haare auf dem Kopf.
Ohne seine Mine zu verziehen ging er nach vorne. Er wirkte emotionslos.

Vielleicht war er aber auch einfach nur traurig, ich wusste es nicht. Als ein Benutzer des System ihn fragte was er sich denn wünsche, antwortete der Mann nur kalt:

,,Ich will sterben. Ich will in keiner gesteuerten Welt leben. Ich will einmal in meinem Leben frei sein". Jetzt erkannte ich eine Reaktion. Eine Tränen rollte ihm die Wange herunter.

Die Kuppel wurde still, niemand traute sich mehr etwas zu sagen. Sie waren zu feige. Doch unter ihnen saß auch ich. Geschockt von seiner Antwort brachte auch ich kein Wort heraus.

Sofort traten einige Benutzer um die Ecke und zerrten ihn mit Gewalt aus der Kuppel. Ich hörte ein Kind weinen, er schaute dem Kind noch hinterher. Ich denke es war sein Kind, das da schrie.

Dann endete der Traum auch schon, doch seine Worte hallten in meinen Kopf noch lange nach.

Eine gesteuerte Welt.

Er hatte recht damit. Wir wurden kontrolliert. Jeder der im System war, würde den Weg gehen, der für ihn vorbestimmt war. Wir waren ihre Marionetten gewesen.

Als nächstes klopfte es an meiner Tür. Mehrere Sekunden vergingen, bis ich es realisierte. Ich rappelte mich auf und fuhr einmal mit meinen Fingern durch meine blonden, langen Haare.

,,Ja?" Fragte ich nun.

,,Ich bin's Leon. Darf ich reinkommen?" Antwortete er durch die Tür.

Auf meiner Applewatch deaktivierte ich die Sicherheitssperre, sodass sich die Tür nun langsam nach außen öffnete.

,,Hey, Leon!" Ich stand auf und umarmte ihn kurz.

,,Hey, Kleines".

,,Was gibt's?" Fragte ich nun und setzte mich auf meinen Stuhl.
Er nahm auf meinen Bett platz.

,,Wollte nur gucken, ob bei dir alles okay ist", antwortete er mit leicht geröteten Gesicht.

Ich runzelte ungläubig die Stirn. ,,Wieso das denn? Halt einen Moment mal... Es geht doch nicht wieder um die Reparatur oder?!" Meine Augen bildeten sich dabei zu engen Schlitzen.

,,Gibt's zu, du bist nur hier um zu schauen, ob sie mich mitgenommen haben".

Er schaute zum Boden.

,,Konnte doch möglich sein, ich wollte nur nicht das dir was passiert, Mia". Er setzte seine traurige Mine auf, die mich sofort Mitleid empfinden ließ.

Ich setzte mich neben ihn auf's Bett und schaute ihn direkt in die Augen.

,,Mir wird nichts passieren, hörst du".

Irgendwann löste er sich aus seiner starren Haltung und nickte kurz.

,,Okay".

Ich lächelte ihn aufbauend zu und streifte einmal durch seine dunkelbraunen Haare.

,,Aber jetzt mal was ganz anderes... Ich hatte einen wirklich eigenartigen Traum, willst du ihn dich anhören?"

Er zögerte einen Moment. ,,Erzähl schon".

,,Nagut. Also es fing alles damit an ...", begann ich meine Erzählung bishin zum letzten Detail.

Wir redeten bis spät in Nacht darüber. Am Ende berichtete er mir von einer Geschichte. Er sagte, er wüsste nicht ob sie wahr sei, doch genau so einen Wunsch soll mal jemand laut geäußert haben.

Wir dachten lange drüber nach. Auch was sie mit der Person denn gemacht hätten, wenn es ihn wirklich gab.

,,Glaubst du er, er wurde danach tatsächlich umgebracht? Wenn diese Geschichte jetzt wahr wäre. Glaubst du sie hätten ihn umgebracht?" Zögerte ich leicht ihn das zu fragen.

Anstatt eines 'Neins' antwortete er mit 'Ja'. Er war ebenfalls Systemkritisch so wie ich das wusste ich ja, doch mit dieser Antwort hätte ich nicht gerechnet. Wir redeten oft darüber, es gab kaum noch andere Gesprächsthemen. Alles drehte sich immer nur um diese eine Frage: Was das System gut oder böse?

Obwohl ich eigentlich die Antwort bereits kannte.

,,Angenommen die Geschichte wäre wahr", begann er.

,,Dann würde er bestimmt zu Tode gekommen sein oder er kam zur Reparatur".

Natürlich durften wir das nicht laut denken. Daher trafen wir uns oft bei mir oder bei ihm.

,,Mhhh...", überlegte ich und klammerte mich an ihn fest.

,,Die Welt in der wir leben ist auch nicht gerecht", flüsterte ich, obwohl uns eigentlich niemand hören konnte.

,,Ich weiß, aber ich passe auf dich auf".

Dankbar schmiegte ich mich noch näher an ihn heran.

,,Versprochen?"

Er legte seine Hand auf meine Wange und schreichelte einmal drüber.

,,Versprochen".

Das SYSTEMWhere stories live. Discover now