siebenunddreißig

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~Liviu~

Ich drückte ihre Hand automatisch fester, als ich die ganzen anderen Vampire sah, die sich in einem prunkvollen Ballsaal tummelten. Eine Kellnerin, ein Mensch, kam mit einem Tablett, auf dem Weingläser standen, zu mir hinübergeeilt und reichte mir ein Glas. Blut. Ich sog den Geruch des Blutes in mich hinein und stieß mit Alessandro an, der neben mir stand und sich umsah.
"Die wird noch früh genug auftauchen", raunte ich ihm zu.
"Ich weiß. Sie wird bald kommen, es geht los!" Mit diesen Worten zog er davon und ich brauchte gar kein übernatürliches Gehör zu haben, um zu wissen, dass Virgilia noch ängstlicher war, als vorher.
Sie sagte kein Wort. Sie tat mir so leid. In diesem Augenblick baute sich eine wunderschöne braunhaarige Vampirin vor mir auf. Charlotte. Ich hätte es wissen müssen, diese Villa gehörte einst ihr. Ich schluckte.
"Louis Pelletier, ich glaube, ich kann meinen Augen nicht trauen", stieß sie hervor und lächelte mich breit an. Louis Pelletier. Lange habe ich diesen Namen nicht mehr gehört, meinen Namen. Sie beugte sich zu mir und küsste mich, mit ihren kalten, eisigen Lippen.
"Täusche ich mich oder taust du auf?" Sie legte ihre Hand an meine Wange und streichelte sie zart. "War nur ein Witz."
"Du hier?", fragte ich und konnte meine Verwunderung nicht unterdrücken.
Sie schaute beleidigt zur Seite.
"Monsieur Pelletier, Ihr schmeichelt mir ganz und gar nicht!"
"Mademoiselle Charlotte, Eure Schönheit hat mir die Sprache verschlagen!", entgegnete ich und wartete auf ein Kichern ihrerseits.
"Louis, Louis, Louis. Ein Schmeichler wie damals!" Mit diesen Worten fiel sie mir um den Hals und flüsterte mir ins Ohr. "Ich dachte, ich würde dich nie wieder sehen!"
Mein Herz zerbarst bei diesen Worten. Ich hatte sie damals alleine gelassen und nun, nach über hundert Jahren sah ich sie wieder.
Charlotte löste sich aus meiner Umarmung und sah an mir vorbei. Ich folgte ihrem Blick und entdeckte Virgilia.
"Deine Gefährtin?", fragte sie grinsend und fuhr durch Virgilias blondes Haar. "Ein schönes Ding."
"Dankeschön, schätze ich", antwortete Virgilia und ich grinste.
"Oh wie schön, eine Deutsche. Weißt du, Mädchen, ich komme auch aus Deutschland. Aber seit meinem Tod lebe ich hier bei Rhea. Sie ist sozusagen meine beste Freundin", plapperte Charlotte. Genauso wie früher.
"Charlotte, geht es dir auch gut hier?", fragte ich. Wenn Alessandro vorhatte, jeden Vampir der Römischen Elite auszulöschen, dann würde er erst Recht nicht Rhea Silvias beste Freundin verschonen.

Charlotte roch an Virgilias Hals und riss begeistert die Augen auf. "Wie süß, du liebst sie ja wirklich."
Ich wusste, worauf sie abspielte. Ich hatte sie nicht gebissen.
Ich lächelte breit. "Ja, das stimmt."
Ich drehte mich zu dem jungen Mann, der neben Charlotte stand. Er war hübsch, vielleicht ein italienisches Model für Versace. Sein Hals zierte eine Narbe, sie hatte schon von ihm getrunken, das hieß, dass sie ihn keineswegs liebte. Wie auch, sie wusste ja nicht, wer Virgilia war und was ihr Blut bewirkte in mir.
"Charlotte, ich will, dass du das Fest auf der Stelle verlässt!", schoss es aus mir heraus.
Sie zog die Augenbrauen verdutzt zusammen. "Wieso sollte ich gehen?"
"Bitte!", flehte ich sie an. "Ich werde dir alles erklären, aber nur, wenn du ganz schnell verschwindest!"
"Louis, was ist los?", fragte Charlotte mit Nachdruck und als ich nicht antwortete, wandte sie sich an Virgilia. "Was ist los, Mädchen? Wieso soll ich gehen?"
"Virgilia, du darfst nicht antworten!", befahl ich ihr.
"Virgilia? Hast du gerade Virgilia gesagt? Also stimmt es!", entfuhr es ihr. "Du!"
Ich packte Virgilia am Arm und zog sie hinter mir.
"Was weißt du?", fragte ich sie.
"Alessandro wurde in ein Hinterhalt geführt", erzählte sie aufgebracht und dann sah ich in ihren Augen nur noch Traurigkeit. "Du kommst hier nicht mehr lebend heraus!"

In diesem Moment wurde mir Virgilia entrissen. Ich spürte wie ihre warme Hand aus meiner kalten gerissen wurde und kaltes Metall um meine Hände gelegt wurde. Ich versuchte meine Arme nach vorne zu reißen, wurde aber nur vor Charlottes Füße geworfen, die kreischend ein paar Schritte zurück wich. Das Weinglas klirrte zu Boden und das Blut ergoss sich über den Boden.
Meine Augen füllten sich mit Blut, meine Fangzähne fuhren raus, doch es war viel zu anstrengend diesen Zustand zu behalten. Ich sah Feuer, überall waren Kerzen und Fackeln an den Wänden. Ich war wie ein Mensch!
"Es tut mir so leid, Louis!", rief mir Charlotte hinterher, während ich weggezert wurde. Die Musik war aus, die Gäste ergötzten sich an diesem Schauspiel.

Mein Körper schliff über den Boden. Aber ich vertraute auf Alessandro, nach allem, was ich mit ihm durchgemacht habe, glaubte ich wirklich, dass er mich retten und sein Plan in die Tat umsetzen würde. "Flieh, Charlotte, solange du noch kannst!"
Ein Lachen übertönte mein Knurren, meine Schreie. Eine noch viel schönere, gottesgleiche Vampirin trat auf ein Podest, vor dem ich gezogen wurde, und sah auf mich herab.
"Wie ist dein Name, Feind der Classe-dirigente-romano?", fragte sie mit einer starken und sehr weiblichen Stimme.
"Liviu!", presste ich hervor.
"Nun, Liviu, Feinde werden eliminiert!"
Oja, das wusste ich nur zu gut. In der Französischen Revolution lebten sie nach demselben Muster.
"Ab, in die Feuerkammer mit ihm!"

Und nun wusste ich, dass ich sterben würde. Feuerkammer, Alessandro mochte stark sein, aber nicht stärker als das Feuer. Ich hoffte nur, dass er noch Virgilia retten konnte. Mein Körper wurde in den Keller geschliffen, meine Haut riss auf und verheilte, riss auf und verheilte. Im Keller brannten noch mehr Fackeln, und in einem Raum, er sah aus wie ein riesiger feuerdichter Tresor, blieben wir stehen. Ich wurde hineingeworfen und eingeschlossen.

Ich erinnerte mich an meine letzten menschlichen Tage. Ich war zum Tode verurteilt und eingesperrt. Genauso wie jetzt. Es roch nach Kohle und nach verbranntem Fleisch. Hier wurden nicht selten Vampire verbrannt.

Je mehr Zeit verging desto verzweifelter wurde ich. Plötzlich wurde die Tür aufgeschlossen und ich wusste, dass sich meine Ende näherte.

"Liviu? Hübscher Name", flüsterte Charlotte und steckte ihren Kopf herein. "Da draußen ist der Teufel los. Alessandro tötet jeden Vampir, er ist..."
Ich sprang auf und drückte mich aus der Zelle.
"Du solltest verschwinden, Charlotte, was machst du hier?", fragte ich verzweifelt und drückte sie an mich.
"Um Verzeihung bitten." Ihre Lippen trafen auf meine. Es war ein kurzer Kuss. Sie löste sich von mir und flüsterte: "Vielleicht sehen wir uns bald wieder!"
"Weißt du wo Virgilia ist?", fragte ich sie fordernd.
"In Rhea Silvias Schlafgemach. Im obersten Stock!"
Wir liefen erst in die gleiche Richtung, doch in der Traube panischer Vampire verloren wir uns. Irgendwann verlor ich die Brünette mit dem grünen Kleid aus den Augen. Ich hatte ganz vergessen wie sehr ich sie geliebt hatte. Ein ganzes Jahrhundert hatte ich in diesem Wald verbracht und alles ausgeblendet, wegen ihr. Und nun hatte ich sie gerade wieder und schon wieder verloren wir uns.

Kerzen waren umgestoßen worden. Vorhänge standen in Flammen. Ich musste Alessandro suchen, aber da stand er schon neben mir. Seine Augen waren blutgetränkt, seine Reißzähne ausgefahren. Er war wie aus dem Nichts gekommen.
"Wo ist Virgilia?", fragte er und ich hörte das Verlangen in seiner Stimme. Das Verlangen zu töten.
"Sie wurde weggebracht!", antwortete ich. "In Rhea Silvias Schlafgemach" Und ehe ich mich versah verschwand er in übernatürlicher Geschwindigkeit, was irgendwie nicht möglich war. Auf seinem Weg steckte er noch ein paar Vampire an. Das Feuer fraß sie in Windeseile.

Ich hörte noch "Louis!" bevor ich sah wie die Flammen an Charlotte amporstiegen, wie sie erst ihr grünes Kleid und dann ihr hübsches Gesicht verschlangen.

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Was wohl mit Virgilia passiert ist?

Ich würde mich freuen, wenn ihr ein Kommentar darlasst, über ehrliche Kritik freue ich mich am meisten.

Dieses Kapitel witme mich Kaoriix Danke, dass du meine Geschichte so fleißig liest.

Heute ist Sonntag, Zeit zum Schreiben :D

Twixt beauty & darknessWhere stories live. Discover now