Diese Monster!

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Ich merke, wie sich Lucas mit mir in den Armen aus der Halle schleicht. Er gibt den anderen noch irgendein Zeichen und dann sind wir draussen. Ich habe keine Ahnung, wo er mich hinführt, das einzige was ich wahrnehme, sind seine beruhigenden Worte und die wahnsinnige Wärme, die von ihm ausgeht. Endlich habe ich ihn wieder, meinen grossen Teddybären. „Ich hab dich so vermisst, wie konntest du - oder besser gesagt ihr - mir so etwas antun? Warum lässt ihr mich alleine bei unseren Eltern, du weisst doch, wie sie sind und ihr lässt mich einfach alleine...", gebe ich schluchzend von mir. Endlich kann ich es zugeben, all die Jahre habe ich es nicht zugegeben, aus Angst, dass ich mich noch mehr verletzen könnte. Doch im nachhinein merke ich, dass es genau das war, was mich am meisten verletzt hatte. Dadurch dass ich mich so verändert hatte, sah ich es jeden morgen im Spiegel, dass etwas anders war. Ich merkte es jedes mal, wenn ich in meinen Schrank schaute, dass ich nicht mehr dieselbe war. Ich redete mir ein, jemand anderes zu sein, jemand ohne Gefühle, dabei ist mein wahres Ich voller Gefühle. Die ganzen Jahre hat mein inneres ich geschrien und ich habe es tief in mir begraben. Doch jetzt ist es frei! Obwohl ich seit Jahren nicht mehr so stark geweint habe, wie gerade, habe ich mich die ganzen Jahre nie so gut gefühlt, wie jetzt.

Plötzlich höre ich ein Geräusch, ich drehe mich ruckartig in Lucas' Armen um, er hat sich mit mir auf den Boden gesetzt. Ich merke gerade, dass wir in einem Krankenzimmer sind. Lucas schaut ebenfalls nach oben und drückt mich an seine Brust, als er das Geräusch hört. Ach, diese Sicherheit, wie ich sie vermisst habe! Im Türrahmen stehen Valentin und Jeremy. Bevor ich auf drei zähen kann, werde ich von Valentin von Lucas weggezerrt, welcher das mit einem „He" kommentiert und lande in Valentins Armen. Ich merke, dass auch er weint und als ich aufschaue, sehe ich, wie Jeremy mit Tränen in den Äugen von einem Fuss auf den anderen springt, wie ein ungeduldiges Kind. Ich schenke ihm mein ehrlichstes Lächeln und Sekunden später finde ich mich in einer „Black-Familien-Umarmung" wieder. Wir alle stottern irgendwelche Sachen, um uns selbst zu beruhigen, aber ich sehe in ihren Augen, dass auch sie erleichtert und froh sind.

„Rose, was machst du hier? Und glaub mir, ich werde dich nie mehr Rosalie nennen", sagt Valentin leicht schmunzelnd zu mir. „Wir haben gedacht, du willst nichts mehr mit uns zu tun haben. Warum warst du bis vor kurzem so sauer auf uns, wir haben dir doch alles erklärt?" gibt Jeremy verzweifelt von sich. Langsam werde ich wieder sauer. „Wie, das nennt ihr erklären? Das einzige was ich von euch zwei Jahre lang gesehen habe, waren die Bankauszüge, die zeigten das ihr noch lebt und scheinbar gut. Ihr musstet ja sogar noch alle Nummern aus meinem Handy löschen, damit die kleine Rose ja keine Chance hat, ihre Brüder zu erreichen", gebe ich schnaubend von mir. Sie schauen mich verwirrt an. „Hä, wie bitte?! Also erstens haben wir nichts an deinem Handy gemacht, warum sollten wir? Du bist diejenige, die unsere Nummern gesperrt hat, und bis wir einen Mensch fanden, der uns sein Handy auslieh, hattest du schon eine neue Nummer. Und wir haben uns gemeldet! Du hast jeden Monat einen Brief von uns bekommen, mit Ereignissen und Vorschlägen, wann wir uns treffen könnten. Wir sollten sauer auf dich sein! Nur leider können wir das nicht, da wir ja schuld daran sind, dass Mam und Dad dich so verzogen haben!" schrie Jeremy leicht verzweifelt. Er wusste genau so wenig wie ich damit umzugehen. „Halt, halt, halt!" sage ich bestimmt und laut. „Ich habe eure Nummern nicht gesperrt! An dem Morgen, nachdem ihr gegangen wart, waren alle Nummern weg, mitsamt unseren Chat-Verläufen. Was denkt ihr eigentlich, wie ich mich gefühlt habe: Erst geht ihr und lasst mich ohne Erklärung alleine zurück, dann löscht ihr eure Kontakte aus meinem Handy und zum Schluss redet ihr meinen Eltern noch ein, sie sollen mir eine neue Handynummer geben, damit ihr nicht in Versuchung kommt, mich anzurufen. Spinnt ihr eigentlich jetzt, mir solche Vorwürfe zu machen?! Und von wegen Briefen, die habt ihr sehr wahrscheinlich in euren Träumen geschrieben. Ich kenne euch und ich kenne euren Stolz. Ihr wart zu stolz, um so etwas zu machen. Ihr wusstet genau, wo ich wohne, mein Gott, ihr kanntet meinen ganzen Tagesplan in und auswendig und ihr seid nicht gekommen, habt euch nicht gemeldet und jetzt wollt ihr mir Vorwürfe machen!!!" Ich schreie meinen ganzen Zorn raus und merke, wie wieder neue Tränen kommen. Eine sehr dumme Eigenschaft von mir , wenn ich richtig sauer und enttäuscht bin, laufen bei mir die Tränen wie ein Bach.
Meine Brüder schauen mich geschockt an. „Was erzählst du da? Warum würden wir so etwas machen? Du weisst doch, warum wir gegangen sind, das stand alles in dem Brief auf deinem Nachttisch", sagt Lucas jetzt ziemlich verwirt. „Was für ein Brief? Als mich unsere Mutter am Morgen geweckt hat, lag nichts da."

Langsam wird es komisch, und ich schaue zu meinen Brüdern auf. Plötzlich scheint Jeremy ein Licht aufzugehen. „Diese Monster! Wie konnten sie uns nur so etwas antun. Ich wusste doch, dass sie etwas im Schilde führen! Wisst ihr nicht mehr: Als wir weggingen, sagte uns unsere Mutter doch noch: „Wenn ihr geht, verliert ihr Rosalie. Ich hoffe, das ist euch klar." Und ich antwortete darauf: „Nein, Rose wird uns verstehen und zu uns halten. Wir sind ihre Familie. Ihr habt sie nie erzogen und genau so wenig geliebt." Nach diesem Wortwechsel hat sie doch noch gesagt, wir würden es schon noch sehen... Nein, ich weiss ja, dass unsere Eltern zu vielem fähig sind, aber das geht zu weit! Viel zu weit!" schreit Jeremy und schlägt verzweifelt gegen den Medizinschrank. Darauf regnet es Pflästerchen über uns herab. In meinem Kopf bildet sich eine neue Version von der Geschichte und die gefällt mir überhaupt nicht. „Ja, du hast recht Jer. Es bringt nichts, dass wir uns anschreien und die Schuld bei einander suchen, denn wir sind alle nicht schuldig, dass der Kontakt abgebrochen ist." „Rose, du hast doch früher immer die Post aus dem Briefkasten geholt, oder?" fragt Lucas mich scharf. „ Ja, aber später nicht mehr. Papa wollte es nicht mehr. Ich hatte ihm eines Tages die Post gebracht, es war noch nie so viel Post im Briefkasten. Ich hatte aber nichts angeschaut, da ich gerade keine Zeit hatte, und seither durfte ich sie nie mehr holen." „Okay Rose, ich weis, das hört sich so an, als wollten wir uns rausreden, aber du kannst Kyle fragen. Er hat die Briefe gesehen, die wir geschrieben haben. Du kennst uns doch, wir würden nie auf die Idee kommen, den Kontakt mit dir abzubrechen. Was glaubst du, wie wir gelitten haben, und wir konnten es niemandem mehr zeigen, Rose. Wir haben uns auch verändert, genau so wie du. Doch ich sehe, dass deine Mauern langsam fallen, und glaub mir, das freut mich mehr als alles andere, es tut mir im Herzen weh dich so zu sehen. Ich meine, du bist doch mein kleiner Teddybär. Ich konnte es nicht fassen, dass diesen gefühllose, kalte Mädchen vom Pausenplatz meine kleine süsse Rose sein soll... Aber du musst mir glauben, wir haben alle diese Briefe geschrieben und unsere Nummer haben wir nie gelöscht, warum auch? Bitte Rose du musst uns glauben, das können nur unsere Eltern gewesen sein." Valentin fährt sich gestresst durch die Haare, er sieht mich bittend an und ich merke, wie die ganze Wut von mir abfällt und es mir anfängt leid zu tun. Ich hatte sie so verurteilt, dabei kannte ich diese drei doch besser als mich selbst und ich weis, dass sie so etwas nie tun würden.
„Solche Monster, wie konnten sie nur so etwas tun? Sie haben die ganze Zeit gesehen, wie schlecht es mir ging, haben mitbekommen, dass mich alle gemobbt und mich ausgeschlossen haben. Und sie haben mir nichts gesagt, es mir einfach verheimlicht! Das sollen Eltern sein?!" Ich schüttle abwesend den Kopf und schaue zu meinen Brüdern auf. Diese schauen mich musternd an und als ich sage, wie schlecht mich die anderen behandelt haben, setzen sie alle ihren Beschützterblick auf und mustern mich sauer, doch ich wusste, das war nicht gegen mich. „Also kommt Jungs, können wir uns an einem anderen Ort unterhalten? Ihr wisst, wie sehr ich Krankenhäuser verabscheue, und einen Medizinraum finde ich daher nicht sehr angenehm. Also ich denke, wir haben einiges zu bereden. Ich bin immer noch sauer, dass ihr gegangen seid, aber ich will euch um nichts in der Welt noch einmal verlieren. Das war die schlimmste Zeit in meinem Leben!" sage ich und schaue dabei zu Boden. „Du weisst nicht, wie die Zeit für uns war, aber du hast recht. Komm Rose, wir zeigen dir unseren Lieblingsplatz!"










Hallo meine Lieben!❤️
Ich bin leider krank. Das gute daran ist aber, ich habe mehr Zeit um zu schreiben:)
Allso kommt heute schon das neue Kapitel! Ich wünsch euch viel spass beim lesen und hab noch eine Frage an euch: Wo soll der Lieblingsplatz der Jungs sein?
LG Marlen

Rose, aber Rosalie für euch! Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt