Kapitel 44

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(Überarbeitet)

Ich hänge nun nur noch mit einem Fuß und einer Hand an der Wand und versuche verzweifelt wieder Halt zu finden.
"Lauren!", schreit Adam und ich sehe aus dem Augenwinkel wie er sich noch weiter aus dem Fenster lehnt.
"Direkt über deinem rechten Fuß ist ein Loch. Es ist klein, aber es wird passen!"
Ich antworte nicht, doch versuche verzweifelt das Loch zu finden, während ich mit meiner Hand nach einem anderen taste. Als mein Fuß endlich auf keinen Widerstand, sondern eine Ausbuchtung trifft, schiebe ich meinen Fuß so schnell ich kann hinein. Dann taste ich weiter mit meine Hand nach dem Loch und finde es schließlich nach ein paar Sekunden.
"Geschafft," flüstere ich, keine Ahnung ob Adam mich gehört hat oder nicht, doch ich schiebe mich schnell weiter vorwärts. Als ich die Hand wieder tastend zur Seite schiebe, treffe ich auf kaltes Metall. Ich hebe meinen Blick und sehe, das ich mit meiner Hand an der Feuertreppe angekommen bin und ich hangele mich schnell weiter vorwärts, um dann endlich über das Geländer der Treppe klettern zu können. 

"Ich habs geschafft," rufe ich Adam zu und gehe dann nach unten. 

"Geh zum Waldrand. Pass auf, dass dich keiner sieht und warte bis ich da bin," ruft er zurück. Ich höre auf ihn. Schnell gehe ich die Treppe herunter und renne an der Hecke entlang, Richtung Waldrand. Dann verstecke ich mich in der Nähe des Weges hinter den Bäumen und warte auf Adam.
"Hey", sagt er, als er zwischen den Ästen erscheint.
"Hey," knurre ich. Ich bin immer noch sauer, weil ich wegen ihm eben fast gestorben wäre.
"Verzeihst du mir irgendwann?", fragt er kleinlaut und versucht mich mit diesem Blick anzusehen, der mich immer einlenken lässt. Ihr glaubt nicht, wie viele Horrorfilme ich wegen diesem Blick schon gesehen habe.
"Lass das. Sieh mich nicht so an. Du hättest dir echt was anderes ausdenken können!", schimpfe ich.
"Ach und was? Was hätte ich den sonst sagen sollen? Du kannst froh sein, dass mir überhaupt etwas eingefallen ist!", entgegnet er mindestens genauso wütend wie ich.
"Keine Ahnung aber du hättest sie vielleicht irgendwie ablenken können! Ich bin fast abgestürzt! Was wäre denn gewesen, wenn ich gefallen wäre und gelähmt wär?", rufe ich weiterhin aufgebracht.
"Okay, hör auf mir Vorwürfe zu machen!"
"Ich hatte so eine verdammte Angst," flüstere ich nun. Wieder spüre ich das Gefühl, dass durch mich durch floss, als ich abgerutscht bin.
"Denkst du etwa ich hätte keine Angst gehabt?! Was bitteschön soll ich denn gefühlt haben, während ich sehe, dass die Liebe meines Lebens in einer solchen Gefahr schwebt?", ruft er jetzt verzweifelt. Was? Ich sehe ihn vollkommen geschockt an. Wie kann die Stimmung in unserem Gespräch so schnell von Vorwürfen zu Liebesgeständnissen wechseln?
"Liebe deines Lebens?", hauche ich und meine Wut ist vollkommen verflogen.
"Ja," sagt er schlicht. Als wäre es etwas, das schon längst klar wäre; als würde er übers Wetter reden.  "Aber, wie kannst du das nach so kurzer Zeit wissen?", frage ich ohne nachzudenken. 

"In diesem einen Moment, als ich dachte, dass du fällst, hatte ich das Gefühl, dass ein großer Teil meiner selbst mit fällt. Ich hatte das selbe Gefühl, dass ich beim Tod meiner Familie hatte und die habe ich über alles geliebt. Also denke, nein weiß, ich, dass ich dich genauso liebe wie sie," erklärt er und sieht mir tief in die Augen. Er scheint garnicht zu bemerken, dass er weint. Das wird ihm erst bewusst, als ich ihm die Tränen von der Wange wische. Ich selbst habe auch angefangen zu weinen. Er liebt mich! Ich habe mir so lange gewünscht jemanden zu treffen, der mich so liebt. Mit allem was er besitzt, mit seinem ganzen Herz und seiner ganzen Seele. Er liebt mich, so wie jeder auf dieser Welt geliebt werden sollte. 

"Ich bin echt eine Heulsuse," lacht er, um seine Unsicherheit damit irgendwie zu vertuschen.
"Nein. Du bist alles, aber keine Heulsuse. Du bist verdammt stark, weil du trotz allem was dir passiert ist, nicht andauernd am weinen bist," widerspreche ich.
"Wirklich?"
"Wirklich."
"Wir... wir sollten gehen," schlägt Adam vor und dreht sich langsam um. Ich halte ihn jedoch an der Hand zurück.
"Warte."
"Wir sollten wirklich langsam los. Was ist denn so dringend?", ihm ist es offensichtlich peinlich, dass ich ihn beim weinen gesehen habe.
"Wie kommst du darauf, dass du mir deine Liebe gestehen kannst, aber ich dir meine nicht?" Diesmal ist es an Adam, mich verwirrt anzuschauen.
"Ich liebe dich. Das ist auch mir klar geworden, als ich eben fast gestorben wäre. Meine letzten Gedanken galten meinen Eltern und dir. Ich wusste sofort, dass ich an die Menschen gedacht habe, die mir am wichtigsten sind. Du gehörst dazu. Ich liebe dich," platzt es aus mir heraus. Und mittlerweile laufen auch bei mir die Tränen in Sturzbächen. Zuerst steht Adam einfach so da, ohne irgendwas zu tun. Doch dann zieht er mich plötzlich an sich und küsst mich. Er küsst mich so sanft, wie er es noch nie getan hat und legt all seine Gefühle in den Kuss. Als er sich von mir löst, legt er seine Stirn an meine.
"Wir müssen echt los. Du musst zu deiner blöden Psychotussi," sagt er und klingt dabei wenig erfreut. Ich nicke und wir machen uns auf den Weg zurück, wobei wir länger brauchen als normal, weil wir andauernd Pause machen müssen, um uns zu küssen. 

"Da seid ihr ja!", ruft Kat aufgeregt, als wir endlich ankommen. "Wo zur Hölle warst du?"
"Ich war joggen und habe den Termin heute total vergessen. Ich war wohl einfach in den letzten Tagen mehr mit der Band beschäftigt,"lüge ich, wobei ich den Termin wirklich aus diesem Grund vergessen habe.
"Achso. Bitte nimm doch demnächst dein Handy mit, damit ich nicht Adam quer durch den Wald schicken muss, um dich zu finden," sagt sie, nun wieder etwas ruhiger.
"Nun denn Lauren. Wir haben schon etwas Zeit verloren, also würde ich sagen, dass wir gleich anfangen und du später duschen kannst; du bist ja sicherlich geschwitzt," unterbricht uns meine Psychologin Dr. Brown. Ich nicke nur und folge ihr.
"Also, wie geht es dir?", fragt sie mich, als wir uns ihm Besprechungszimmer in die weichen Sessel gesetzt haben.
"Besser," antworte ich wahrheitsgemäß.
"Inwiefern besser?", fragt sie weiter. Ich hasse diese Fragerei.
"Ich bin jetzt in der Schulband. Wir haben gestern Abend einen Gig gespielt, der wahnsinnig gut angekommen ist und es macht mir wirklich Spaß Musik zu machen. Es hilft, das sollten sie allen ihren Patienten vorschlagen, eine echt gute Art, seine Gefühle auszudrücken."
"Wow, herzlichen Glückwunsch! Das scheint ihnen wirklich zu gefallen, ihre Augen leuchten richtig," stellt sie lächelnd fest. "Der junge Mann eben mit den schwarzen Haaren, ist es ihr Freund?", fragt sie und gibt sich noch nicht einmal Mühe, die Neugier in ihrer Stimme zu verstecken.
"Ja," antworte ich lächelnd.
"Er macht sie glücklich, oder?" 

"Und wie. Manchmal glaube ich aber, dass irgendwann die Rechnung kommt. Dass ich es nicht verdient habe so glücklich zu sein. Ich erwarte jeden Tag, dass sich das was ich momentan Gutes in meinem Leben habe, jeden Moment wieder verflüchtigt. Ist das sehr dumm?", gestehe ich. Keine Ahnung wieso ich heute so gesprächig bin. 

"Nein, ich verstehe es. Du hast viel durchgemacht, also sind deine Gedanken nicht wirklich abwegig. Aber ich rate dir, einfach zu genießen was du jetzt im Moment hast. Ich weiß, diese Stunde war wirklich kurz, doch ich muss weiter. Ich wollte nur mal kurz sehen, was im Moment so bei dir los ist," sagt sie lächelnd und wir verabschieden uns wieder. 



Ich hoffe ich habe es irgendwie hinbekommen, die Gefühle zwischen den beiden rüberzubringen und ich hoffe es gefällt euch ;)  


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